Die in den 50er Jahren in Berlin errichtete Karl-Marx-Allee und das Hansaviertel sollen als Nachkriegs-Moderne Weltkulturerbe werden.
Berlin/Marburg/Tübingen. Ein Platz auf der Welterbeliste der Unesco ist begehrt: Am Freitag haben die beiden Universitätsstädte Marburg und Tübingen sowie eine Berliner Bürgerinitiative ihr Interesse an einer Bewerbung offiziell bekannt gegeben. Erst am vergangenen Wochenende war das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth zum Welterbe ernannt worden.
In Berlin sollen das Hansaviertel und die Karl-Marx-Allee für eine Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste vorgeschlagen werden. Die beiden Baukomplexe seien einmalige Zeugnisse der Nachkriegsmoderne, hieß es in der am Freitag von einer Bürgerinitiative präsentierten Begründung. Das im Westen gelegene Hansaviertel entstand für die Ausstellung Interbau57 von 1953 bis 1957. Die Karl-Marx-Allee, frühere Stalinallee, im Osten wurde ebenfalls in den 1950er Jahren gebaut. Beide denkmalgeschützte Anlagen liegen heute im Stadtbezirk Mitte, ein Teil der Allee befindet sich in Friedrichshain-Kreuzberg.
Für den Berliner Antrag ist der Senat zuständig. Er favorisiert jedoch einen Titelantrag für den Jüdischen Friedhof in Weißensee. Die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg hingegen unterstützen den Antrag der Initiativen Bürgerverein Hansaviertel, Hermann-Henselmann-Stiftung und Förderverein Corbusierhaus. Ebenso die Akademie der Künste, deren Standort im Hanseatenweg Teil des Hansaviertels ist.
Der Vorsitzende der Hermann-Henselmann-Stiftung und frühere Kultursenator von Berlin, Thomas Flierl, begründete den Vorschlag mit der „einzigartigen Beziehung“ beider Komplexe zueinander. „Das Hansaviertel war eine Antwort auf das ideologische Bauen bei der Stalinallee. Dieses Konfrontative, aber auch Dialogische ist besonders. Nur in Berlin ist eben Ost und West zugleich gewesen. An der Verbindung dieser beiden Bauobjekte können wir das Besondere der Genetik Berlins identifizieren.“ Das „gegensätzliche Miteinander“ sei an kaum einer anderen Stelle so präsent wie beim Viertel und der Allee.
Mit einem gemeinsamen Antrag wollen die beiden Universitätsstädte Marburg in Hessen und das württembergische Tübingen eine Eintragung in die Welterbeliste der Unesco erreichen. „In den vergangenen 500 Jahren haben in beiden Städten die Universitäten die bauliche und die kulturelle Stadtentwicklung entscheidend geprägt. Das ist einzigartig unter allen Universitätsstädten in Deutschland“, sagte Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) am Freitag in Marburg.
Seit 1983 sei Marburg davon überzeugt, mit einzelnen Bauwerken wie Schloss oder Elisabethkirche die Unesco-Kriterien zu erfüllen. Aus der Erkenntnis, dass diese Gebäude alleine nicht für einen Eintrag in die Welterbeliste reichen, hätten sich die Schwerpunkte des Antrags verlagert, sagte Vaupel. „Mit der jetzt formulierten Bewerbung, die sich auf das geistige Erbe der Universitätsstadt stützt, haben wir heute die besten Chancen, das Ziel auch zu erreichen“, betonte Vaupel.
Die neue Vorschlagsliste (Tentativliste) für Deutschland wird Anfang August geschlossen. Die Länder können der Bundesregierung jeweils zwei Städte für die Welterbeliste vorschlagen, aus denen eine Expertenkommission eine Vorauswahl für die Unesco trifft. Marburg rechnet nicht vor 2016 mit einer Entscheidung für die mittelhessische Universitätsstadt.
Mit dem oberfränkischen Opernhaus Bayreuth stehen derzeit 37 Denkmäler aus Deutschland auf der Welterbeliste. Darunter sind weltberühmte Gebäude wie die Wartburg bei Eisenach, der Kölner Dom und die Hansestadt Lübeck mit dem Holstentor sowie das Wattenmeer und deutsche Buchenwälder.
Alle deutschen Unesco-Welterbestätten werden seit Freitag in einem Multimediaprojekt der Deutschen Welle (DW) vorgestellt, wie der Sender mitteilte. Die DW präsentiert unter dem Titel „Wege zum Welterbe“ acht verschiedene Reiserouten, die zu den deutschen Welterbestätten führen. Texte und Bildergalerien informieren über die von der Unesco ausgezeichneten Orte. Jede Welterbestätte wird zudem in einem Video vorgestellt. Zum Multimediaprojekt gehören zudem mehrere Fernsehbeiträge. Acht Wochen lang wird jeden Freitag eine Route vorgestellt. Am 24. August sollen dann alle online sein.