Die Altstädte von Stralsund und Wismar stehen seit Jahren auf der Unesco-Welterbeliste. 45 Veranstaltungen stehen 2012 auf dem Feierplan.
Stralsund/Wismar. Die Erwartungen waren gedämpft angesichts der großen Namen auf der Welterbeliste, doch die Freude war am 27. Juni 2002 umso größer. In Wismar platzte die überraschende Nachricht des in Budapest tagenden Welterbekomitees mitten in eine Bürgerschaftssitzung. Die Abgeordneten unterbrachen ihre Versammlung erst einmal zum Feiern. Seit zehn Jahren stehen nun die Altstädte von Stralsund und Wismar gemeinsam als „idealtypisch entwickelte Hansestädte aus der Blütezeit des Städtebundes im 14. Jahrhundert“ in der Liste der weltweit bedeutendsten Kulturerbestätten – neben der Chinesischen Mauer und dem indischen Taj Mahal.
Aus Anlass des ersten runden Geburtstages planen beide Städte gemeinsam einen Veranstaltungsmarathon mit Konzerten, besonderen Führungen bis zu Podiumsveranstaltungen. Ein Höhepunkt ist die Jahrestagung der Deutschen Unesco-Kommission in Stralsund, die dort am 21. Juni mit einem Festakt das 40-jährige Bestehen der Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt würdigt. Unter dem Motto „Orgelkänge aus dem Weltkulturerbe“ werden zudem Organisten aus Welterbestädten wie Prag, Havanna, Lissabon oder Liverpool im Sommer einen kompletten Konzertzyklus auf der Stralsunder Stellwagen-Orgel in der Marienkirche bestreiten. Und auch der Tag der Architektur setzt in Wismar und Stralsund den Schwerpunkt auf das Welterbe.
Die Aufnahme Stralsunds als Weltkulturerbe habe in mehrfacher Hinsicht positive Effekte gebracht, ist Welterbemanagerin Steffi Behrendt überzeugt. Seit neun Jahren leitet sie das Welterbe-Büro in der Hansestadt. Durch den Titel seien nicht nur Investitionen bei der Sanierung der denkmalgeschützten Altstadt, sondern auch die touristische Entwicklung beschleunigt worden. Inzwischen gelten rund 80 Prozent der denkmalgeschützten 523 Häuser in der Stralsunder Altstadt als saniert – vor zehn Jahren waren es erst rund ein Drittel. Die Altstadt erlebe einen Bevölkerungszuwachs und sei mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren Stralsunds jüngster Stadtteil. „Viele Stralsunder haben ihr Herz an die Altstadt verloren. Sie lieben das Flair und die kurzen Wege“, sagte die 34-Jährige. Die Touristenzahlen stiegen von 274 000 Übernachtungen im Jahr 2002 auf mittlerweile knapp 400 000.
Doch diese Entwicklung stößt inzwischen an ihre Grenzen. Gerade in den Sommermonaten sind Parkplätze in der Innenstadt Mangelware. Es kommt zu Staus. Die Stadt versucht Touristen auf das Park&Ride-System umzuleiten. Die übervolle Altstadt könne dann für Besucher schon mal unangenehm sein, räumt Behrendt ein.
Die rasante Entwicklung weckt inzwischen auch andernorts Begehrlichkeiten: Die Landeshauptstadt Schwerin will mit seinem Schloss auf die Liste – was nach Einschätzung von Experten angesichts der bereits bestehenden Dominanz deutscher Schlösser und Burgen schwer werden dürfte – und auch das Doberaner Zisterziensermünster strebt den Titel an.
Für den Landestourismusverband ist der Welterbe-Titel vor allem ein Zugpferd für den Auslandstourismus. „Mit dieser globalen Marke können wir international agieren“, sagt Verbandssprecher Tobias Woitendorf. Mit einem Anteil von 12 Prozent (Stralsund) und 13 Prozent (Wismar) haben die beiden Städte einen überdurchschnittlich hohen Anteil von ausländischen Gästen. Landesweit kommen nur drei Prozent der Urlauber aus dem Ausland. Doch es sind mittlerweile nicht allein die beiden Städte mit einem Welterbetitel. „Mit den Buchenwäldern auf Rügen und im Müritz-Nationalpark haben sich die Welterbestätten inzwischen zu einem Kleeblatt gefügt.“