Bei der Sitzung des Welterbekomitees ist in den nächsten Tagen Unmut programmiert. Leidtragende des Streits könnten zwei deutsche Städte sein.
St. Petersburg/Paris. Für die deutschen Städte Bayreuth und Schwetzingen naht nach jahrelanger Lobby-Arbeit der Tag der Entscheidung. Am Sonntag hat im russischen St. Petersburg die diesjährige Sitzung des Unesco-Welterbekomitees begonnen, bei der auch über die Vergabe neuer Welterbetitel für schützenswerte Natur- und Kulturstätten beraten wird. Die kurfürstliche Sommerresidenz in Schwetzingen und das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth sind zwei von mehr als 30 „Kandidaten“, die diesmal auf die prestigeträchtige Auszeichnung hoffen.
Sicher hat den Welterbetitel allerdings keiner der beiden deutschen Bewerber – vor allem nicht die baden-württembergische Barockstadt Schwetzingen. Wie bereits beim ersten Anlauf vor drei Jahren hat der Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) die Ablehnung des Antrags empfohlen. Das Schloss sei nicht einzigartig genug, um es zum universellen Erbe der Menschheit zu erklären, heißt es zur Begründung.
Damit ist Schwetzingen bei der bis zum 6. Juli dauernden Sitzung auf das Wohlwollen der Komitee-Vertreter angewiesen. Deutschland stellt zwar seit dem vergangenen Jahr wieder einen von ihnen, insgesamt gibt es 21 und entschieden wird nach dem Mehrheitsprinzip.
Politische Erwägungen können dabei nicht ausgeschlossen werden. Immer wieder hat es in der Vergangenheit zum Beispiel Kritik an der großen Zahl der Anträge aus Europa gegeben. Im vergangenen Jahr räumte Deutschland ab wie kein anderes Land und schaffte mit den Alten Buchenwäldern, dem Fagus-Werk des Stararchitekten Walter Gropius und historischen Pfahlbausiedlungen gleich drei Neueinschreibungen. Insgesamt sind auf der Welterbeliste 36 deutsche Kultur- und Naturstätten verzeichnet.
Missmut und Neid sind programmiert – obwohl Deutschland mittlerweile Entwicklungsländer wie den Tschad bei den komplizierten Antragsverfahren mit Rat und Tat unterstützt. Der Unmut über die westliche Dominanz könnte auch dem Markgräflichen Opernhaus im oberfränkischen Bayreuth – einem „einzigartigem Monument barocker Theaterkultur“ – zum Verhängnis werden – trotz eines positiven Icomos-Gutachtens. „Das ist absolut kein Selbstläufer“, heißt es in Unesco-Kreisen zu der vermutlich Ende der Woche stattfindenden Abstimmung. Es müsse mit starkem Gegenwind gerechnet werden.
Politisch eine noch ganz andere Dimension hat der Eil-Antrag auf Einschreibung der Geburtskirche Jesu Christi inklusive dem Pilgerweg in Bethlehem. Er kommt von den Palästinensern, die erst im vergangenen Jahr gegen den heftigen Widerstand von Israel und den USA als Vollmitglied in die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) aufgenommen wurden.
Die Icomos-Experten haben in einem Gutachten zwar die Dringlichkeit des Antrags verneint, theoretisch könnte er aber gegen deren Willen dennoch verabschiedet werden. Ein Welterbetitel für die Palästinenser wäre ein weiterer Triumph bei ihren Autonomiebestrebungen. Neben Ländern wie den USA und Israel sehen auch christliche Kirchenvertreter den Antrag kritisch. Sie wollen die Geburtskirche aus politischen Auseinandersetzungen heraushalten und befürchten Einschränkungen bei der Nutzung als religiöser Wallfahrtsort.
Nicht weniger brisant ist schließlich der „Fall Sevilla“. In der spanischen Stadt gefährdet nach Einschätzung der Icomos-Gutachter der Bau eines 40-stöckigen Hochhauses den visuellen Gesamteindruck der bereits bestehenden Welterbestätte, die aus der Kathedrale, dem mittelalterlichen Königspalast (Alcázar) und dem Indienarchiv (Archivo de Indias) besteht. Erklärt sich die Stadt nicht doch noch bereit, tiefgreifende Änderungen an dem Projekt vorzunehmen, droht die Aberkennung des Titels.
Ausgerechnet bei der Welterbekomitee-Sitzung in Sevilla verlor 2009 das Dresdner Elbtal wegen des Baus der umstrittenen Waldschlößchenbrücke den Titel. Besser machte es Russland: 2010 kippte der damalige Kremlchef Dmitri Medwedew die Pläne für einen 400 Meter hohen Wolkenkratzer in St. Petersburg und sicherte damit den Verbleib auf der Welterbeliste. Nur deswegen wird in diesem Jahr dort getagt. (dpa)