Die gestrige Verleihung des Musikpreises Hans in Hamburg zeigt, wie wichtig die Menschen hinter den Kulissen für eine Musikstadt sind.
Hamburg. Der Name Hans für einen Musikpreis, das sei wohl "so ein Pfeffersackding", sagte Lars Lewerenz. Gewohnt entspannt klang er gestern Nachmittag, dieser Typ, der tagsüber im Büro Multitasking in Sachen Musik betreibt und nachts durchaus mal der Letzte auf der Party ist. Für seine Plattenfirma Audiolith erhielt Lewerenz am Abend die Hamburger Pop-Auszeichnung Hans, die gestern zum zweiten Mal im Gruenspan verliehen wurde. Vor rund 500 Gästen aus der Musikbranche, mit Live-Gigs und reichlich Lobreden.
"Ich bin ein wenig gespalten, einen Preis dafür zu bekommen, dass ich mich mit meiner Arbeit konstant selbst ausbeute", erklärte Lewerenz, der auf seinem kleinen Label seit 2003 erfolgreich Bands wie Frittenbude und Egotronic veröffentlicht. Zugleich sei er aber "sehr glücklich" über seinen Hans für das "Label des Jahres", den er vor allem als Wertschätzung seines Netzwerkes versteht. "Ohne meine Mitarbeiter, die Künstler, Medien, Fans und Verbände wie RockCity geht es nicht." Eine Aussage, die programmatisch war für die Gala. Denn die insgesamt acht Preiskategorien demonstrieren die Bandbreite der hiesigen Pop-Landschaft. "Hamburg ist eine Musikmetropole mit einer herausragenden kreativen Szene", erklärte Uriz von Oertzen, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft (IHM), die die Idee zum Hans entwickelt hatte.
"Die Auswahl der Nominierten und letztlich der Preisträger sowie Laudatoren ist klug ausgewählt und gut durchmischt", urteilte Stephan Rath, Manager von Tocotronic. "Was da an Subkultur neben Mainstream-Acts wie Ina Müller und Roger Cicero zusammenkommt, ist schon außergewöhnlich." Zwar waren die Musiker von Tocotronic, die mit einem Hans als "Künstler des Jahres" gekürt wurden, mit ihrem aktuellen Album "Schall & Wahn" auf Platz eins der Charts vertreten und sind somit im Pop-Establishment angekommen. Doch Songs wie "Im Zweifel für den Zweifel" oder "Die Folter endet nie" bergen noch reichlich subversive Kraft.
Nonkonformismus im durchaus tocotronischen Sinne pflegen auch die drei Jungs von 1000 Robota, die in diesem Jahr mit "Ufo" ihre zweite Platte veröffentlichten, aber schon 2008 mit der EP "Hamburg brennt" für Furore sorgten. "Wohl kaum eine Hamburger Band der letzten Jahre kann in so kurzer Zeit auf eine so intensive Auseinandersetzung über ihre Musik, ihr Image, ihre Interviews zurückblicken", lautete die Begründung der 14-köpfigen Jury, der unter anderem Tino Hanekamp vom Uebel & Gefährlich, Andreas Weitkämper von Warner Music und Vorjahresgewinner Ruben Jonas Schnell vom Internetradio Byte FM angehörten. "Kommerzielle Aspekte spielten bei der Preisvergabe keine Rolle", erläuterte der Juryvorsitzende Alexander Maurus.
"Innovation und künstlerischer Anspruch" waren die Auswahlkriterien, die das Spannungsfeld der Hamburger Popkultur unter dem Label des Hans zu vereinen wussten: Ina Müllers TV-Show "Inas Nacht" wurde als "Medienformat des Jahres" ebenso mit einem Preis bedacht wie Dial und Smallville Records als "Hamburger Verpackung des Jahres". Die auf Elektro-Sound spezialisierte Firma, die sowohl ein Label wie auch einen Plattenladen betreibt, wird für ihr Artwork zwischen Comic und Fotoästhetik prämiert.
Der von Lewerenz betonte Netzwerk-Gedanke kam häufig zum Tragen. Der Hans für die "Herausragende Hamburger Künstlerentwicklung" ging an das Team um Fettes Brot. Als "Hamburger Produktion des Jahres" wurden Matthias Arfmann, Jan Delay und Kaspar "Tropf" Wiens für die Hit-Platte "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" geehrt. Und auch das Reeperbahn Festival als "Hamburger Programmmacher des Jahres" ließe sich nicht ohne Diskussionen in der Gruppe realisieren. Alle zwei Wochen trifft sich eine neunköpfige Booker-Runde, um über das Line-up der Kiez-Klub-Sause zu beraten, erzählte Bjørn Pfarr, Musikprogrammchef der Reeperbahn Festival GbR.
"Hamburg kann so einen Award sehr gut vertragen, da der Live Entertainment Award nach Frankfurt abgewandert ist", sagte Pfarr. Und der Hans geht zum Glück auch an Macher wie Lewerenz, die sich weder als Hanseat bezeichnen noch Fan von Hans Albers sind. Aber das Tor zur Musikwelt, es steht weit offen.