Tocotronic spielte für sich und das Publikum, 1000 Robota gegen alle
Hamburg. Es war wohl als Treffen der Generationen gedacht: Die alte Garde der Diskursrocker in Gestalt von Tocotronic trifft auf die Nachgewachsenen, auf 1000 Robota.
Die aber beginnen zu spielen, als das Rund vor der Stadtparkbühne noch relativ leer ist. Nach und nach treffen die Besucher ein, für die wütenden Juvenilen auf der Bühne scheint sich kaum jemand zu interessieren. "Wir schreien so, weil wir nicht anders schreien wollen!" Ja, und? Die Botschaften des Trios laufen ins Leere, das fällt auch Sänger Anton Spielmann auf. Und er beginnt ein Lamento über mangelndes Interesse an Vorgruppen. Spätestens jetzt wirkt er nicht mehr zornig, eher wie ein trotziges Kind. Da hilft alles Schreien und kalkuliert-dissonantes Aufspielen nicht.
Wo Spielmann quengelt, freut sich Dirk von Lowtzow: "Ihr seid ein wunder-, wunderbares Publikum." Das weiß er schon vor dem ersten Lied. Auf die Hamburger ist Verlass, knapp 3000 sind gekommen, um an einer Tour durch die Diskografie von Tocotronic teilzunehmen. Und damit nicht zu viel Übermut ob des frühen Lobes auftritt, steuert das Quartett gleich gegen: "Eure Liebe tötet mich". So geht es hin und her. Von manisch zu depressiv und wieder zurück. "Bitte oszillieren Sie" vom aktuellen Album "Schall und Wahn" könnte Leitsatz für den Abend sein. Kehrt während der 90 Minuten einmal Ruhe ein, währt sie nicht lange. Musik und Texte von "Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit", "Die Folter endet nie" oder "Im Zweifel für den Zweifel" pflanzen starke Bilder in die Köpfe der Zuschauer. Tocotronic braucht keine große Bühnenshow um im Gedächtnis zu bleiben, nur sich selbst, die Musik und die wortgewaltigen Texte.
Den Masterplan zur Publikumserziehung haben die Jungs längst gefunden, da ist man sich sicher.