Eine musikalische Zeitreise erinnert nostalgisch an die Wiedereröffnung des Theaters im Jahr 1960. Hits und Mode aus fünf Jahrzehnten.

Hamburg. Fünf Jahrzehnte, ein Schauplatz: „Thalia Kantine“ hat am Sonntagabend in Hamburg vor einem begeisterten Publikum Premiere gefeiert und an die Wiedereröffnung des Thalia-Theaters nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert . Handlungsort ist die Kantine hinter den Kulissen, in der sich seitdem Schauspieler, Regisseure und Bühnentechniker begegnen und miteinander feiern, flirten und streiten. Unter der Regie von Alia Luque werden Musik, Stil und Zeitgeist aus fünf Jahrzehnten gelungen zum Leben erweckt. Durch den Abend führt Schauspieler und Thalia-Urgestein Peter Maertens.

Sperrstunde in der Kantine: Maertens, der sich selbst spielt, überredet die Wirtin zum letzten Feierabend-Bier. Für die übermüdete Frau wird es eine lange Nacht: Der alkohol- und redselige Schauspieler erinnert sich an die Restaurierung des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauses und die aufregenden Anfangszeiten in den frühen 1960er Jahren: „Wir waren am Puls der Zeit“. Und Maertens muss es wissen. Er war schon unter seinem Vater, Willy Maertens, dem erste Intendanten nach dem Zweiten Weltkrieg engagiert und ist es noch heute unter „Joachim, den Siebten“, dem jetzigen Intendanten Lux. „Intendanten kommen und gehen, Chargenspieler bleiben bestehen!“, erklärt der 79-Jährige.

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Unterbrochen werden seine nostalgischen und unterhaltsamen Anekdoten von Kantinen-Szenen aus fünf Jahrzehnten. Selbstverliebte Diven und cholerische Regisseure stellen sich zur Schau. Es wird gezetert und geliebt, getrunken und geraucht – letzteres in den Anfangsjahren häufiger als heute. Dafür erhalten mit dem neuen Jahrzehnt die Handys Einzug in die Kantinenwelt. In enormem Tempo wechseln die Schauspieler Perücken, Kleider, Accessoires und zeigen den Zeitgeist der vergangenen Jahre. Ob Sixties-Style, 70er-Mode mit übergroßen Sonnenbrillen und Schlaghosen oder die 80er Jahre mit Dauerwelle, Hawaiihemd und Schulterpolster - Die Kostümbildner leisten ganze Arbeit. Dazu gibt es die passenden Musik- und Tanzeinlagen von John Travoltas „Saturday Night Fever“, über „Da Da Da“ (Trio) bis hin zur Dance-Hymne „Pump Up The Jam“. Derweil hören die Bühnentechniker im Radio die wichtigen Nachrichten des jeweiligen Jahrzehnts: Armstrongs Mondlandung, der Gewinn der Fußball-WM 1974 oder der Mauerfall 1989.

Zwischenzeitlich begeistert Maertens das Publikum mit Geschichten, die sich vor und hinter den Kulissen des Theaters oder gar auf dem Fußballplatz abspielten. Denn nur mit Maertens und Jürgen Flimm sei das Thalia vier Mal deutscher Theaterfußballmeister geworden. Oder er erinnert an seinen geschäftstüchtigen Vater Willy, der gerne im rasanten Tempo von Dienstreisen nach Hamburg zurückfuhr und seinen Chauffeur auf den Elbbrücken stets mahnte: „Jetzt musst Du vorsichtig fahren, jeder hier könnte ein Abonnent sein.“

„Thalia Kantine“ bietet leichte Unterhaltung. Das Theater feiert sich ein bisschen selbst und das treue Premierenpublikum, das nicht mit lautem Szenenapplaus spart, feiert seine Bühne und sein Ensemble. Für manch einen Kritiker mag die Inszenierung als Jubiläumswürdigung etwas zu leicht ausfallen.