Seine Stimme klingt noch leicht belegt. Es ist kurz nach halb neun Uhr morgens Ortszeit in Los Angeles, als das Abendblatt Stefan Aust auf dem Handy...

Hamburg. Seine Stimme klingt noch leicht belegt. Es ist kurz nach halb neun Uhr morgens Ortszeit in Los Angeles, als das Abendblatt Stefan Aust auf dem Handy erreicht. Neun Stunden Zeitunterschied zur US-amerikanischen Westküste. Die Nacht war kurz für den Hamburger Journalisten, Buchautor und Ex-"Spiegel"-Chefredakteur. Auch wenn der Film "Der Baader Meinhof Komplex", für den der 62-Jährige die Drehbuch-Vorlage geschrieben hat, nicht mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, gefeiert wurde ausgiebig in Hollywood nach der Preisvergabe in der Nacht zu Montag.


Hamburger Abendblatt:

Herr Aust, sind Sie sehr enttäuscht, dass die Oscar-Träume geplatzt sind?

Stefan Aust:

Überhaupt nicht. Allein schon nominiert zu sein, ist doch großartig. Man darf unseren Erfolg jetzt auch nicht kleinreden: Wir spielen in dieser Liga ganz vorne mit! Tatsächlich haben wir nicht ernsthaft damit gerechnet, dass wir gewinnen. Für uns war der israelische Beitrag "Waltz with Bashir" der Favorit, zu unser aller Überraschung gewann dann der japanische Film "Departures", da geht es um Beerdigungen. Eines wird hier aber ganz deutlich: Die Oscars sind nicht kalkulierbar.



Abendblatt:

Wo haben Sie die Oscar-Verleihung erlebt?

Aust:

Für die nominierten Filme gibt es vier Karten fürs Kodak Theatre, also für den roten Teppich. Da waren dann Regisseur Uli Edel und die Schauspieler Martina Gedeck, Johanna Wokalek und Moritz Bleibtreu. Wir anderen feierten eine große Party auf der überdachten Terrasse im Hotel Sunset Marquis mit vielleicht 300 Gästen. Sehr viele Deutsche waren dabei, viele wohnen in Hollywood wie die Regisseure Wolfgang Petersen, Roland Emmerich, der Schauspieler Jürgen Prochnow. Aber auch Thomas Schreiber vom NDR war gekommen, er hat maßgeblich zur Entstehung des Films beigetragen: Er hatte mich aufgefordert, eine Dokumentation zur Geschichte der Roten Armee Fraktion zu machen. Das erzählte ich dem Produzenten Bernd Eichinger, der sagte, nee, wir verfilmen dein Buch "Der Baader Meinhof Komplex". Schreibers weise Entscheidung: Wir machen zwei Dokumentationen und unterstützen den Kinofilm.



Abendblatt:

Kommen die Herren im Smoking zu dieser Party?

Aust:

Nein, das nicht. Aber alle sind fein herausgeputzt. Wenn Sie es genau wissen wollen: Ich trug dunklen Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte.



Abendblatt:

Und überall große Fernsehschirme, um nichts zu verpassen?

Aust:

Wir haben natürlich alle der Kategorie "Bester ausländischer Film" entgegengefiebert. Kein Mensch wusste ja, wann wir dran sind. Und dann? Ja, dann gewann der japanische Beitrag ... Man muss das sportlich sehen: Wie viele Filme werden jährlich gedreht und wir sind unter den besten fünf, das ist doch toll! Das ist doch wie bei Olympischen Spielen ...



Abendblatt:

Gab's denn eine Menge SMS und Telefonate an dem Abend?

Aust:

O ja, viele haben uns die Daumen gedrückt. Gabor Steingart, der "Spiegel"-Korrespondent in Washington, schrieb: "Bis nach Hollywood hat es noch kein deutscher Journalist gebracht." Das ist doch was.



Abendblatt:

Was hat Sie am meisten beeindruckt?

Aust:

An diesem Abend ist Hollywood der kulturelle Mittelpunkt der Welt. Es war eine Mega-Show, sensationell moderiert von Hugh Jackman, diese Mischung aus Selbstironie und Pathos. Talente aus der ganzen Welt werden magnetisch angezogen. Denken Sie an "Slumdog Millionär", keiner hat mit so vielen Preisen gerechnet.



Abendblatt:

War das Ihre erste Oscar-Verleihung?

Aust:

Vor 40 Jahren war ich das erste Mal in Los Angeles, zur Oscar-Zeit. Da ich befreundet war mit den Kindern von Burt Lancaster, habe ich die Oscars ziemlich hautnah miterlebt.



Abendblatt:

Was machen Sie an diesem Montag noch?

Aust:

Jetzt gehen wir zum Frühstück bei Arthur Cohn (Produzenten-Legende, d. Red.) , und später fliegen meine Frau und ich zurück nach Hamburg.