Für seine gefloppte ARD-Sendung geniere er sich nicht, auch wenn er “voll auf die Fresse bekommen hat“. Lob für Raab und Pocher.

Berlin. Thomas Gottschalk hat für den Wahlkampf des US-Präsidenten Barack Obama 100 Dollar gespendet, und er stöhnt über die Krimiflut im Fernsehen: "Halb Deutschland muss ja schon ermordet worden sein.“ Seine Zuhörer in der Mensa der Berliner Humboldt-Universität erfuhren am Mittwoch beim "Zeit Campus Talk" einiges, was sie von dem Fernsehstar noch nicht gewusst hatten. Das Studentenwerk Berlin hatte ihnen "ein bisschen Unterhaltung" versprochen – Gottschalk brachte sie immer wieder zum Lachen.

Mit leiser Ironie forderte "Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ihn heraus. Er begann damit, dass es die dritte Veranstaltung dieser Art sei nach Harald Schmidt in Hamburg und Günther Jauch in Frankfurt am Main. Gottschalk bemerkte: "Das hat sich noch gesteigert.“ Di Lorenzo setzte eine Pointe drauf: Zu Schmidt seien 2.000 und zu Jauch 3.000 gekommen. Vor Gottschalk saßen geschätzt 200.

Der Chefredakteur wunderte sich über die vorab eingereichten Fragen: "Das Publikum geht mit dir viel höflicher um als mit Harald Schmidt. Die fragen dich nicht 'Was machst Du mit dem vielen Geld?'“ Gottschalk antwortete trotzdem: "Das geht in die Klamotten." Darauf kam er später noch einmal zurück. "Ich habe nie in meinem Leben eine Klamotte geschenkt bekommen." Aber oft hätten Designer ihm Outfits offeriert. Gottschalk äffte sie naserümpfend nach: "Das passt zu Ihnen, das ist verrückt."

Ob er ein politischer Mensch sei? "Eigentlich weniger“, lautete die Antwort. "Ich habe eine fast krankhafte Lust, mich mit Menschen auseinanderzusetzen." Als Berufswunsch habe er beim Abitur England-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" angegeben. Das Lehramtsstudium habe er nur für seine Mutter gemacht, bekannte Gottschalk.

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Er sei aber nie ein ernst zu nehmender Journalist gewesen, "das war nie mein Ehrgeiz; mir fehlt die journalistische Neugier, die Fähigkeit, in andere Menschen reinkriechen zu können, und die Chuzpe". Gottschalk fügte hinzu: "Ich bewundere Menschen, die Wissbegier haben oder heucheln, ich hab' sie nicht." Ein Student wollte wissen, warum er so häufig Fragen stelle und die Antwort gleich mitliefere. "Das ist in der Tat eine Unart von mir", gab Gottschalk zu.

"Jetzt hab' ich die Fresse voll bekommen", kommentierte er die Kritik und das geringe Zuschauerinteresse an seiner Sendung. Selbstkritisch sagte er, er habe die Schwierigkeiten des Unterfangens unterschätzt und bei den Proben merken müssen, dass es nicht klappt. "Gottschalk Live" wäre nach seiner Ansicht allein mit Talk nicht zu retten gewesen. Er sei kein Interview-Experte, sagte er. "Das wär' ja tragisch: Markus Lanz wird Gottschalk, und Gottschalk wird Markus Lanz." Er habe sich nicht dafür geniert, was er abgeliefert habe, betonte der 61-Jährige. Schließlich liefen sonst am Vorabend haufenweise Krimis. "Halb Deutschland muss ja schon ermordet worden sein."

Lob für Raab und Pocher

Im Fernsehprogramm sei alles sehr viel kleinteiliger geworden, meinte Gottschalk. Ihm sei es noch geglückt, generationenübergreifend "den Deckel über das Ganze zu stülpen". Heute wisse kein Mensch unter 40 mehr, wer Brigitte Bardot sei.

Auf die Frage, was er von der Art halte, in der Stefan Raab und Oliver Pocher auf Menschen zugehen, antwortete Gottschalk, er halte beide für begabte junge Leute, weil sie angstfrei seien. "Den beiden kann ich zugucken, ohne feuchte Hände zu kriegen." Die Fernsehwirklichkeit sei heute leider, dass die Moderatoren nervös würden, sobald ihr Text im Teleprompter versagt.

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Ob er sich eine politische Einstellung leisten könne, lautete eine weitere Frage. Gottschalk bekannte: "Ich bin reflexhaft ängstlich, dass ich – wenn ich mich für die eine Seite engagiere - die andere verliere." Er denke heute so und morgen so. Di Lorenzo provozierte ihn: "Am ehesten kann man dich als FDP-nah verorten." Gottschalk meinte, zumindest könne er nachempfinden, wie es ist, die Fünfprozenthürde nicht zu erreichen.

Er habe konservative, aber auch soziale Züge, sagte er. Von den Wahlerfolgen der Piraten sei er fasziniert. In den USA habe er für den Wahlkampf des Präsidenten Barack Obama "spontan 100 Dollar gespendet". Seither bekomme er jeden Tag eine Mail: "Thomas we need you now." Im Wahlkampf der Demokraten und Republikaner gehe es gar nicht um politische Zusammenhänge, meinte Gottschalk, sondern nur um Reflexe. Das entspricht nach seiner Ansicht der naiven Einstellung der Menschen dort. "Die kindliche Dankbarkeit, die den Entertainer freut, muss den Politiker ratlos machen", sagte Gottschalk.