Bad Oldesloe. Organisator will Verkehrsteilnehmer für wichtige Vorbereitung für den Katastrophenfall sensibilisieren. 29 Fahrzeuge machen mit.
Auf diesen Tag hat sich Jan Grotepaß, Rettungssanitäter und Katastrophenschutzbeauftragter des Roten Kreuzes (DRK) Stormarn, drei Monate lang minutiös vorbereitet: Am Sonntag, 5. September, treffen sich Stormarner Hilfsorganisationen und die DRK-Ortsgruppe Büchen aus dem Herzogtum Lauenburg zu einer großangelegten Übung. Auf dem Programm steht eine Kolonnenfahrt über 112 Kilometer Strecke. Ausgangspunkt ist Gut Basthorst, von dort führt der Weg über die B 207 nach Mölln und dann weiter über die B 208 Richtung Bad Oldesloe, über die B 75 nach Ahrensburg, weiter Richtung Trittau, vorbei an Trittauerfeld, durch Trittau und wieder zurück zum Gut.
Die Teilnehmerzahl steigt kontinuierlich an
Grotepaß schätzt, dass die Fahrzeuge etwa sechs bis sieben Stunden für die Bewältigung der Strecke brauchen werden. Der Organisator sagt: „Wie die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eindringlich gezeigt hat, ist es wichtig, solche Kolonnenfahrten mit vielen Einsatzfahrzeugen regelmäßig zu üben.“ Wie groß der Bedarf sei, lasse sich an den steigenden Teilnehmerzahlen ablesen: Als er vor drei Jahren das erste Mal die Organisation übernahm, waren gerade einmal neun Fahrzeuge dabei. In diesem Jahr sind es schon 29. „Ab 30 Fahrzeugen muss eine Kolonne von der Verkehrsbehörde genehmigt werden“, sagt Grotepaß. Anmelden muss er sie aber in jedem Fall.
Ursprünglich hatte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) die Kolonnenfahrten im Kreis Stormarn organisiert. Als der dafür Verantwortliche wegzog, passierte zwei Jahre lang nichts. Weil er überzeugt ist, dass Theorie allein nicht für die notwendige Routine im Ernstfall sorgen kann, übernahm Jan Grotepaß die Aufgabe 2018.
Theorie ist wichtig, doch Praxis noch mehr
Eine ehrenamtliche Tätigkeit aus Überzeugung. Beruflich ist Jan Grotepaß als Rettungssanitäter im Regelrettungsdienst des DRK Stormarn unterwegs. „Ich bin Sanitäter mit Leib und Seele“, sagt der 39-Jährige, der sich selbst als „sehr sozialer Mensch, einer mit Helfer-Gen“ charakterisiert. Es mache ihm einfach Freude, Menschen zu helfen, Kranke und Verletzte zu versorgen. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft mit seinen Kollegen vom Technischen Hilfswerk (THW), der Feuerwehr, der DLRG oder anderen Hilfsorganisationen. Ihnen allen geht es darum, Leid zu lindern und Menschenleben zu retten.
Dabei ist die Praxis ein wichtiger Faktor, denn eine Kolonnenfahrt ist mit vielen Regeln verbunden und gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Und so mancher Verkehrsteilnehmer hätte vielleicht mehr Verständnis für die Umstände, wenn er sich bewusst darüber wäre, dass diese Übung der Sicherheit aller dient. „Wir sind im Grunde ja für die Bürger da.“
Manche Autofahrer kennen die Regeln nicht
Denn Grotepaß erlebt es immer wieder, dass Autofahrer auf „die vermeintliche Verkehrsprovokation mit Unverständnis reagieren“. „Wir müssen die Bevölkerung dafür sensibilisieren. Viele vergessen, dass eine Kolonne im Straßenverkehr als ein Fahrzeug gilt und zum Beispiel auch nicht überholt werden darf“, erläutert der Organisator. Es sei denn, an einem Stück, was sich in den meisten Fällen aber als kaum umsetzbar erweisen dürfte.
Selbst an Autobahnauffahrten sei es anderen Fahrzeugen eigentlich nicht erlaubt, in die Kolonne einzuscheren. „Wir halten aber größere Abstände, um das Einscheren bei Bedarf zu ermöglichen“, so Grotepaß. Sobald es der nachfolgende Verkehr erlaube, sollten andere Autofahrer die Kolonne aber verlassen. Dass diese als ein einziges Fahrzeug gilt, ist auch die Erklärung für sogenannte Rotfahrten. Denn sobald das erste Fahrzeug eine Ampel bei Grün passiert hat, dürfen die anderen nachfolgen, auch wenn die Ampel inzwischen auf Rot gesprungen ist.
Schlüsselpositionen haben Extra-Aufgaben
Alle Einsatzfahrzeuge, die in einem Verband fahren, sind mit einer blauen Fahne kenntlich gemacht. Bis auf das letzte, dessen grüne Fahne auf das Ende der Kolonne hinweist. Und weil diesmal so viele mitmachen, soll es sogar zwei Kolonnen geben, „damit mehr Leute in den Schlüsselpositionen ganz vorne und hinten mitfahren können“.
Dem Führer des letzten Fahrzeugs falle die Aufgabe zu, die vorgegebene Reihenfolge innerhalb der Kolonne zu überwachen und sie zusammenzuhalten. Der Anführer gebe wiederum die Geschwindigkeit vor und überwache im Rückspiegel die Abstände der nachfolgenden Wagen. „Wenn wir in der Stadt fahren, ist beispielsweise ein Abstand von 15 Metern vorgegeben und eine maximale Geschwindigkeit von 30 km/h“, sagt Jan Grotepaß. Manchmal müsse der Fahrer des ersten Wagens auch langsamer fahren, bis die anderen Fahrzeuge aufgeschlossen hätten. „Das funktioniert nicht einfach mit Tempomat, das ist eine anspruchsvolle Aufgabe.“ Er selbst sei nicht Teil der Kolonne, sondern mit einem einzelnen Fahrzeug unterwegs, um als Marschführer den Überblick zu behalten und leichter agieren zu können.
Organisator investiert Urlaub für Planung
Anspruchsvoll ist auch die Zusammenstellung der Strecke, die Grotepaß – wie auch alle anderen Vorbereitungen – in seiner Freizeit vornimmt. „Ich versuche, verschiedene Elemente mit einzubauen wie eine Städtefahrt, bei der ein gewisser Druck aufgebaut wird, und Teile auf Landstraße und Autobahn.“ Mit einer Kolonne brauche man für dieselbe Strecke dreimal so lange wie mit dem Auto. Alle zwei, drei Stunden müssten kurze Rasten eingeplant werden. Dafür müsse eine Toilette in der Nähe sein und ausreichend Parkplätze zur Verfügung stehen. Bei einem technischen Halt würden zusätzlich technische Funktionen überprüft und getankt.
Wie groß Grotepaß’ Engagement für die Sache ist, zeigt, dass er gerade eine Woche Urlaub dafür investiert hat. Und er führt ein Novum ein: Denn Marschbefehle, Routenführung, Anschreiben und Bescheinigungen verbrauchen etwa 750 Seiten Papier. Das will er aus Umweltschutzgründen einsparen, stellt daher Unterlagen und Bescheinigungen erstmals digital über einen QR-Code zur Verfügung. „Die Nachhaltigkeit liegt uns am Herzen“, sagt Grotepaß. „Wenn wir durch Einsparen von Papier einen ersten Schritt in diese Richtung tun können, machen wir dies sehr gern.“
Zu den Einsätzen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz habe er sich einige Videos von Kolonnenfahrten angesehen. „Dabei haben sich mir teilweise die Nackenhaare aufgestellt“, berichtet Grotepaß. Eine Kolonne sei beispielsweise nur mit Fahnenkennzeichnung durch die Nacht gefahren. „Bei Dunkelheit ist Blaulicht angesagt.“ Gut, dass die Stormarner Helfer dank Grotepaß’ Einsatz besser vorbereitet sind.