Glinde. Mitglied postet Videos mit verfassungsfeindlichen Inhalten. Warum der Wehrführer den Mann nicht hinauswerfen kann.
Die Freiwillige Feuerwehr in Glinde hat ein Problem: Es geht um Rechtsextremismus und Sexismus. Über einen längeren Zeitraum verschickte ein männliches Mitglied Videos mit solchen Inhalten in einer privaten WhatsApp-Gruppe, der nicht nur ehrenamtliche Rettungskräfte angehören. Die Sache flog auf. Wehrführer Michael Weidemann wollte Konsequenzen ziehen, den Übeltäter rausschmeißen. Dafür fehlt ihm jedoch die nötige Unterstützung.
Feuerwehrsprecher Tom Reher will sich nicht zur Identität der betroffenen Person äußern. Nach Information dieser Redaktion handelt es sich um einen unter 30-Jährigen.
Wehrführung hat seit Herbst 2020 Kenntnis von den Vorgängen
Rückblick: Im Herbst vergangenen Jahres erlangte die Wehrführung Kenntnis von den Aktivitäten des Mannes. Sie reagierte sofort, erstattete Anzeige und beurlaubte ihn vom Übungs- und Einsatzdienst. Parallel wurde ein Ausschlussverfahren eingeleitet. Entscheidend dafür ist das Votum der Mitgliederversammlung. Wegen der Corona-Pandemie gab es keine Präsenzveranstaltung. Die 84 Mitglieder, Jugend- und Kinderabteilung zählen nicht dazu, wurden stattdessen angeschrieben. Sie hatten laut Tom Reher die Möglichkeit, den Abstimmungsbogen im Briefkasten der Wache am Oher Weg einzuwerfen oder per E-Mail zu antworten.
Für den Ausschluss ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Diese wurde nicht erreicht. Konkret bedeutet das: Mehr als ein Drittel der Abstimmenden duldet das Verhalten des Kollegen und sieht von Sanktionen ab. Der Mann hatte zuvor eine Stellungnahme abgegeben. Über den Inhalt schweigt sich die Feuerwehr aus. Reher sagt über die allgemeine Stimmungslage im Team nach dem Bekanntwerden der Verfehlungen: „Kameraden waren erschrocken.“
Der Mann ist weiterhin im Dienst der Feuerwehr
Die Beurlaubung musste aufgehoben werden, der Mann ist weiterhin im aktiven Dienst und fährt Einsätze. „Nach meiner Kenntnis ist auch das Strafverfahren eingestellt worden“, so Reher. Nach dem Gesetz gebe es für die Wehr nun keine weiteren Möglichkeiten, dieses Mitglied dauerhaft auszuschließen. Der Fall wurde erst jetzt öffentlich durch eine gemeinsame Stellungnahme der vier im Stadtparlament vertretenen Parteien sowie von Wehrführer Weidemann und Bürgermeister Rainhard Zug.
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In dem Schreiben heißt es unter anderem: „Diese Vorgänge sind der Versuch, die Wehr mit rechtsextremistischen Gedanken und einer menschenverachtenden Haltung zu unterwandern.“ Solchen Handlungen würden mit Nachdruck abgelehnt und ihnen werde aktiv entgegengetreten. Der junge Mann wird aufgefordert, die Feuerwehr freiwillig zu verlassen. Mit Unterstützung der Parteien und der Stadtverwaltung habe eine Aufarbeitung des Vorfalls mit externer Unterstützung begonnen.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Dr. Rainer Neumann, erklärt: „Aus meiner Sicht ist es ein Bildungsproblem, es mangelt an geschichtlichem Bewusstsein.“ Ein Coaching für die Feuerwehrleute sei ein wichtiger Schritt, um dies zu ändern, da sind sich alle Parteien eins. „Finanzielle Mittel stellen die Stadtvertreter bereit“, so Neumann. „Wir haben eine gut funktionierende Feuerwehr und eine sehr gute Jugendfeuerwehr. Wir wollen all das nicht gefährden.“
Rechtsextremistische Fälle auch in Hamburg
Petra Grüner, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, nennt einen Grund, weshalb die Feuerwehr aus ihrer Sicht so attraktiv ist bezüglich einer Unterwanderung: „Wir haben eine große Jugend- sowie eine Kinderabteilung, nehmen die Situation sehr ernst.“ Über jene, die einen Ausschluss nicht zugestimmt haben, sagt die Politikerin: „Ich bin erschüttert über mangelndes Geschichtsbewusstsein.“
Für die Fraktion der Freien Demokraten fordert der Vorsitzende Thomas Kopsch eine Änderung des Landesbrandschutzgesetztes. Dort sollte seiner Meinung nach geregelt sein, in Fällen wie diesen disziplinarische Maßnahmen anzuordnen. Auch SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach positioniert sich klar: „Wir wollen kein rechtes Gedankengut – weder in der Feuerwehr noch sonstwo.“
Zuletzt erschütterten rechtsextremistische Verdachtsfälle die Hamburger Feuerwehr. Aktuell wird gegen einen Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr Hamburg wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Bei den Anfang April bekannt gewordenen Fällen wurde ein Beamter vom Dienst suspendiert, gegen fünf Berufsfeuerwehrleute sind Disziplinarverfahren eingeleitet worden.