Barsbüttel/Reinbek. Einsatz in Katastrophengebieten vorerst beendet. Emotionaler Empfang an der Autobahn. Zwei Reinbeker DRK-Mitglieder erzählen.

Auf den Brücken über der Autobahn 1 im Süden Stormarns hatten sie sich am späten Freitagabend postiert: zahlreiche Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, von Rettungsdienst, Technischem Hilfswerk und den Rettungsschwimmern der DLRG. Sie wollten da sein, wenn ihre Kameraden nach dem aufreibenden Hilfseinsatz im Hochwasserkatastrophengebiet heimkehren. Sie wollten ihnen einen gebührenden Empfang bereiten.

Und das ist ihnen mit eindrucksvollen Bildern gelungen. Ein blau leuchtender Schriftzug „Danke“ mischte sich mit den zuckenden Blaulichtern der auf den Brücken postierten Fahrzeuge, als sich die Kolonne mit den Rückkehrern näherte. Das Begrüßungskomitee applaudierte und winkte in den Nachthimmel. Zu dem Lichtspiel ertönten nun auch noch die Martinshörner auf und unter den Brücken in dem kilometerlangen Konvoi von Einsatzfahrzeugen.

DRK bildet Schnelleinsatzgruppe (SEG) „Betreuung“

Kay-Peter Wiese (l.) und Stefan Behrens vom DRK in Reinbek.
Kay-Peter Wiese (l.) und Stefan Behrens vom DRK in Reinbek. © DRK Reinbek | DRK Reinbek

Das, was aussah und sich anhörte wie eine notfallmäßige Fahrt zu einem Großeinsatz, war in Wahrheit das Ende eines solchen Großeinsatzes – und zwar eines ebenso ungewöhnlichen wie anstrengenden. Rund zwei Wochen lang waren Helfer aus ganz Stormarn in den vom verheerenden Hochwasser betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Sie haben geholfen, wo Hilfe dringend nötig war. Sie haben mit Unwägbarkeiten eines solchen Einsatzes zu kämpfen gehabt. Und sie haben viele Dinge machen müssen – und gern gemacht – die normalerweise nicht zu ihren Aufgaben gehören.

Mit der Aufgabe, die 2. Brandschutzbereitschaft aus Stormarn im Krisengebiet autark zu versorgen, haben sich auch Kay-Peter Wiese und Stefan Behrens vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Reinbek gemeinsam mit 18 weiteren DRK-Helfern aus Stormarn auf den Weg nach Rheinland-Pfalz gemacht. Gemeinsam bildeten sie die Schnelleinsatzgruppe (SEG) „Betreuung“, die nochmals in vier Gruppen aufgeteilt war. Wiese und Behrens stellten mit fünf weiteren Betreuungshelfern die 1. Gruppe.

Direkt nach der Ankunft in Windhagen, wo die Einsatzbasis der Stormarner Einsatzkräfte lag, begann die Arbeit. Spezifisch bedeutete dies: die Einsatzbereitschaft herstellen, damit Getränke und eine kalte Mahlzeit ausgegeben werden konnten. „Für eine Strecke, die man sonst in etwa sechs Stunden bewältigen kann, haben wir 14 Stunden benötigt“, berichtet Bereitschaftsleiter Kay-Peter Wiese. „Danach waren die Kameraden hungrig.“ Die rund 600 Einsatzkräfte aus dem Norden waren in einer Schule mit Sporthalle stationiert. „Häuslichen Luxus kann keiner erwarten. Das beginnt beim Schlafplatz und endet beim WC und den Duschen“, erzählt Stefan Behrens. Die beiden berichten, dass anfangs viel improvisiert werden musste, „aber wenn man müde ist, schläft man auch im oder vorm Auto“.

Viele Bilder werden den Helfern im Kopf bleiben

Nachdem relativ schnell klar war, dass im sogenannten Bereitstellungsraum, dem Basislager, genügend Betreuungskräfte vorhanden waren, wurde auch der Aufgabenbereich der SEG rund um Kay-Peter Wiese und Stefan Behrens angepasst. Statt weiterhin nur die Einsatzkräfte zu versorgen, sollten sie jeden Tag etwa 1000 Frühstücks- und Lunchpaketen im Schadensgebiet Bad Neuenahr-Ahrweiler für Betroffene der Flutkatastrophe produzieren und verteilen. Und abends wurden auch noch warme Mahlzeiten für Einsatzkräfte und Betroffene ausgegeben.

Die Reinbeker DRK-Mitglieder versorgten Einsatzkräfte und die Bevölkerung.
Die Reinbeker DRK-Mitglieder versorgten Einsatzkräfte und die Bevölkerung. © DRK Reinbek | DRK Reinbek

Die Tage der Helfer waren lang. Um 4.30 Uhr klingelten die Wecker, um 5 Uhr begannen sie mit den Vorbereitungen für das Frühstück. Nachdem um kurz vor sieben Uhr der Lkw beladen war, startete die Einsatzgruppe ins Schadensgebiet. „Die 100 Kilometer lange Anfahrt war zeitfressend“, erzählt Wiese. „Insbesondere die zerstörte Infrastruktur machte die Fahrt kompliziert.“ Dennoch sei der Bereitstellungsraum gut gewählt: „So wurde vermieden, dass die Einsatzfahrzeuge einen Stau bilden. Außerdem war es so leichter, Lebensmittel zu beschaffen.“

Bei der ersten Ankunft im Ort Schuld, der besonders stark von den Wassermassen zerstört wurde, sei den Kameraden die Bestürzung im Gesicht anzusehen gewesen. „Wenn dann ein 80 Jahre alter Mann auf dich zukommt und sagt, dass er nicht wisse, wo er übernachten kann, dann geht einem das sehr nahe. Das vergisst man auch nicht“, sagt Stefan Behrens. Auch andere Szenen bleiben den Helfern im Gedächtnis: „Bei starkem Regen hörten wir Lautsprecherdurchsagen, die dazu aufforderten, den Bereich um den Fluss Ahr unverzüglich zu verlassen. Diese Situation war schon sehr beklemmend“, erinnert sich Kay-Peter Wiese. Für den Fall, dass es für den einen oder anderen zu viel wurde, konnten die Einsatzkräfte auch rund um die Uhr psychologische Hilfe von Fachkräften in Anspruch nehmen.

Kein Abschalten vor Ort ob der langen Arbeitszeiten

Wenn die Verpflegungspakte verteilt waren, ging es zurück zum Bereitstellungsraum, wo von der Spätschicht bereits das Abendessen vorbereitet wurde, welches dann um 18 Uhr im Schadensgebiet ausgeteilt wurde. Bis nach Mitternacht waren die Betreuungskräfte danach mit der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft beschäftigt. „Durch diese langen Arbeitszeiten war ein Abschalten vor Ort kaum möglich“, meint der Bereitschaftsleiter. „Erst hier zu Hause konnten wir wieder durchatmen.“

Die Reinbeker Helfer waren von früh morgens bis spät abends im Einatz.
Die Reinbeker Helfer waren von früh morgens bis spät abends im Einatz. © DRK Reinbek | DRK Reinbek

Besonders bemerkenswert fand Stefan Behrens das hohe Maß an Selbstorganisation, welches sie in den Dörfern beobachten konnten: „Die Betroffenen waren für unsere Hilfe sehr dankbar, das hat man immer wieder gesehen. Aber die Menschen haben sich untereinander viel geholfen.“ Damit spielt er auch auf die Geld- und Sachspenden aus ganz Deutschland und dem Ausland an. „Die grundsätzliche Versorgung an Lebensmitteln, Bekleidung oder Schaufeln war in Schuld bereits vorhanden“, fügt Kay-Peter Wiese hinzu.

Auf die Frage, ob sie noch mal ins Krisengebiet fahren würden, antworten sie sofort: „Bei einer erneuten Anforderung sind wir jederzeit bereit, dort wieder zu helfen.“ Einen kleinen Aufruf kann sich Kay-Peter Wiese dazu nicht verkneifen: Das Deutsche Rote Kreuz Stormarn suche immer Helfer. „Wir brauchen Euch, weil alle uns brauchen.“