Lübeck/Barsbüttel. Die Angeklagten sollen Drogen im Wert von mehr als 400.000 Euro verkauft haben – beide wollen sich zu den Vorwürfen äußern.

Es ist gerade erst etwas mehr als einen Monat her, dass ein 32-Jähriger und ein 47-Jähriger vor dem Lübecker Landgericht wegen Drogengeschäften in Barsbüttel zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Sie waren bei dem Versuch ertappt worden, Marihuana im Wert von mehr als 500.000 Euro aus Spanien einzuführen.

Nun sitzen erneut zwei Männer wegen Handelns mit Betäubungsmitteln in der Gemeinde im Süden Stormarns auf der Anklagebank. Und auch diesmal geht es um erhebliche Mengen: Die Staatsanwaltschaft wirft dem 28 Jahre alten Hauptangeklagten Milad K. (Namen geändert) und seinem Komplizen Klaas N. vor, mit Drogen im Wert von rund 400.000 Euro gehandelt zu haben.

Encrochat: Dealer sollen kiloweise Drogen verkauft haben

Zwischen Dezember 2019 und Ende Mai 2020 sollen die beiden Hamburger rund 47 Kilogramm Marihuana, elf Kilogramm Kokain sowie kleinere Mengen Ecstasy und Amphetamin gekauft haben, um die Rauschmittel anschließend gewinnbringend weiterzuveräußern. Die Anklagebehörde legt Milad K. insgesamt 21 Taten zur Last, an zwölf davon soll Klaas N. beteiligt gewesen sein.

„Der Hauptangeklagte hat die Drogen beschafft, während dem Mitbeschuldigten die Rolle als Vertrauensperson für die Abnehmer zukam“, sagt Staatsanwalt Kevin Suhr. In den meisten Fällen habe Klaas N. eine vermittelnde Funktion zwischen dem 28-Jährigen und den Kunden eingenommen und diesen zu den Übergaben begleitet. In einigen Fällen habe N. die Geschäfte aber auch selbst organisiert und durchgeführt.

Encrochat brachte Ermittler auf die Spur der Hamburger

Woher K. die Drogen bezog, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. „Dazu kann ich aus taktischen Gründen nichts sagen“, so Suhr. Treffpunkt für die Übergaben soll meist der Parkplatz eines großen Möbelhauses an der Autobahn 1 in Barsbüttel gewesen sein. Einige Male sollen sich die Angeklagten aber auch in Oststeinbek und Hamburg mit ihren Kunden getroffen haben.

Bei den Ermittlungen spielte, wie schon bei dem anderen Barsbütteler Fall, das Netzwerk Encrochat eine entscheidende Rolle. Die verschlüsselte Kommunikationsplattform galt lange Zeit als nicht zu knacken und wurde deshalb von zahlreichen Kriminellen genutzt. Im vergangenen Jahr war es niederländischen und französischen Behörden aber doch gelungen, Zugriff auf das Netzwerk zu erhalten. Seitdem beschäftigt die Auswertung der Daten die Ermittlungsbehörden und Gerichte.

Angeklagte sitzen seit Jahresbeginn in U-Haft

Auf die beiden Hamburger wurde die Staatsanwaltschaft durch Zufall aufmerksam. Laut Suhr hatte die Behörde zunächst einen Vater und seinen Sohn aus dem Lübecker Raum im Visier. „In dem Ermittlungsverfahren konnten die Angeklagten als ihre Zulieferer identifiziert werden“, sagt Suhr. Bereits Mitte 2020 seien die beiden Männer daraufhin festgenommen worden, zunächst jedoch wieder frei gekommen.

„Als die Encrochat-Daten von den Handys der beiden eintrafen, bot sich ein ganz neues Bild der Dimension, in der die Angeklagten mit Betäubungsmitteln gehandelt haben“, so Suhr. Zu Jahresbeginn seien Milad K. und Klaas N. deshalb erneut festgenommen worden. Seitdem sitzen beide in der Justizvollzugsanstalt Lübeck in Untersuchungshaft.

Gericht und Staatsanwaltschaft bieten den Angeklagten Deal an

Der Prozess war am Mittwoch vor zwei Wochen gestartet, allerdings war zunächst nur die Anklage verlesen worden. Gericht und Staatsanwaltschaft hatten den Hamburgern anschließend einen Deal angeboten. Beide Männer sollten ein umfassendes Geständnis der angeklagten Taten ablegen, im Gegenzug würden die Richter ein zuvor vereinbartes Strafmaß nicht überschreiten.

Das Angebot sah zwischen sieben Jahren und drei Monaten und sieben Jahren und neun Monaten Haft für den Hauptangeklagten sowie zwischen drei Jahren und zehn Monaten und vier Jahren und vier Monaten für seinen Komplizen vor. „Dieser Strafrahmen scheint dem Gericht angemessen“, sagte der Vorsitzende der IX. Großen Strafkammer, Klaus Grammann. Bis zum gestrigen zweiten Verhandlungstag hatten die Angeklagten Bedenkzeit bekommen.

Hauptangeklagter will Geständnis ablegen

Milad K. willigte nun ein. „Mein Mandant wird umfassende Angaben zu den Vorwürfen machen und auch Nachfragen beantworten“, sagte dessen Verteidiger Aslan Taheri. Der 28-Jährige wolle „dazu beitragen, in diesem Verfahren voranzukommen“. Gleichzeitig betonte Taheri, dass ein Geständnis für seinen Mandanten „eine erhebliche innere Überwindung“ bedeute. Die Aussage ist für den nächsten Verhandlungstermin am Dienstag, 30. November, geplant.

Klaas N. erklärte hingegen über seinen Anwalt, den Deal auszuschlagen. „Mein Mandant wird sich zwar zu der Sache äußern, aber nicht alle angeklagten Tatvorwürfe einräumen“, sagte der Verteidiger des 39-Jährigen, Andreas Beurskens. Dabei geht es vor allem um ein Geschäft, das die Staatsanwaltschaft auf den 9. Mai 2020 datiert.

Urteil wird im Januar erwartet

Aus den ausgewerteten Chatdaten geht hervor, dass sich N. bei einem Zulieferer nach dem Preis für ein Kilogramm Kokain erkundigte. Dieses wolle er an einen Abnehmer aus Augsburg weiterverkaufen. N. beteuert allerdings, dass es nie zu dem Geschäft gekommen sei. „Der Augsburger war erfunden“, sagte er. Er habe nur den Preis drücken wollen, indem er einen Abnehmer präsentierte.

Die Staatsanwaltschaft bezweifelt diese Darstellung. Ob es zu dem Handel kam, ist entscheidend für die Zumessung der Strafe für den 39-Jährigen, weil es sich, sollte das Geschäft erfolgt sein, um eine deutlich größere Menge Drogen handelt, als in den restlichen Fällen, an denen N. seine Beteiligung einräumte. An den kommenden Terminen sollen vier Zeugen aussagen, darunter Abnehmer, die Drogen von den beiden Hamburgern gekauft hatten. Insgesamt hat das Gericht sechs Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird für Anfang Januar erwartet.