Hamburg. Einzelhändler veredelt im Hafen Obst und Gemüse aus Ecuador, Kolumbien und Costa Rica. Warum die Stadt das lange verhinderte.

Alles Banane. Palettenweise kommen jetzt die Südfrüchte an der Dessauer Straße im Hamburger Hafen an, nachdem sie wochenlang auf See geschlafen haben, damit der Reifeprozess unterbunden wurde. Im neuen Fruchtkontor des Lebensmittelkonzerns Edeka werden die Bananen wieder aufgeweckt. Bei 12 bis 13 Grad in Reifekammern langsam herangereift und dann an die einzelnen Einzelhandelsstandorte verteilt, nicht nur im Norden, sondern deutschlandweit.

Nach jahrelangem Streit: Edeka eröffnet modernes Fruchtlager im Hafen

Ausgangspunkt ist ein 37.000 Quadratmeter großes Grundstück auf dem Kleinen Grasbrook. Hier hat Edeka das modernste Obst- und Gemüselager Europas gebaut und am Freitagmorgen nach exakt einem Jahr und zehn Monaten Bauzeit eröffnet. Was der Konzern altmodisch „Fruchtkontor“ nennt, ist nicht weniger als sein bedeutendstes Verteilzentrum für Bananen. Mehr als 11.000 Einzelhändler werden von hier aus mit den krummen Früchten bedient.

Edeka versorgt mehr als 11.000 Einzelhändler mit Obst

Und die gehören im Einzelhandel zu den Kassenschlagern. „Ein Prozent unseres Lebensmittelumsatzes machen wir mit Bananen“, sagte der Vorstandschef der Edeka-Zentrale, Markus Mosa, bei der feierlichen Eröffnung des neuen Lagers.

Neben Bananen, für die 50 Reifekammern bereitstehen, werden hier auch Mangos und Avocados verpackt. Dazu gibt es eine Verpackungsstation und einen Verwaltungsblock. Insgesamt 60 Millionen Euro hat Deutschlands führender Lebensmittelhändler investiert.

Die 60 Millionen Euro hohe Investition lag jahrelang auf Eis

Dass die Summe geflossen und das Fruchtkontor fertiggestellt ist, dürfte als Glücksfall bezeichnet werden. Denn der durchaus raschen Bauzeit ging ein jahrelanges Gezerre voraus, in dem die Hamburger Politik kein Ruhmesblatt abgegeben hat.

Edeka hat seit Jahrzehnten ein Fruchtkontor auf dem Kleinen Grasbrook. Der direkte Zugang zur Elbe ist für den Konzern wichtig, um seine Waren rasch zu erhalten. Doch die Fläche im Hafen wurde zu klein. Edeka hatte Pläne, den jährlichen Warenumschlag von 120.000 auf mehr als 240.000 Paletten zu verdoppeln – und dann kam die Olympia-Bewerbung.

Olympia und Wohnungen sollten Edeka-Lager verdrängen

In der Folge legten viele Unternehmen ihre Investitionspläne auf Eis. Auch Edeka. „Ich schlug damals das Abendblatt auf, sah, dass auf dem kleinen Grasbrook riesige Sportstätten geplant waren, und dachte: Da sitzen wir doch“, erinnerte Mosa in seiner Eröffnungsrede an die schwierige Zeit.

Nachdem die Olympia-Bewerbung durch einen Volksentscheid gestoppt war, ging der Streit aber weiter. Denn nun meldeten der Oberbaudirektor und die Grünen Ansprüche auf die Flächen an, die dort Wohnungen errichten wollten. Neben Edeka war auch die HHLA, die nebenan mit der Reederei Grimaldi das Hafenterminal Unikai betreibt, betroffen.

Neues Edeka-Fruchtzentrum schafft 180 Arbeitsplätze

Erst eine Einigung zwischen der Hafenwirtschaft und dem damaligen Bürgermeister machte eine Lösung möglich. Ein Teil des Kleinen Grasbrooks sollte für einen gewerblichen Riegel für den herannahenden Wohnungsbau geopfert werden. Auf dem Rest mussten die angesiedelten Unternehmen zusammenrücken.

Dass das am Ende klappte, kostete 120 Millionen Euro Steuergelder. Mit der Summe wurden die Umzüge der Hafenfirmen und der Bau eines riesigen Parkhauses bezahlt, das derzeit auf dem Kleinen Grasbrook entsteht. Damit konnten die flächenintensiven Parkplätze des Autoumschlags bei Unikai zugunsten des Fruchtkontors entfallen.

Edeka versendet jährlich 2,8 Millionen Kartons mit Bananen

Volkswirtschaftlich hat sich die Einigung gelohnt. 180 Mitarbeiter haben einen Arbeitsplatz und sorgen im neuen Fruchtkontor dafür, dass hier jährlich rund 2,8 Millionen Kartons Bananen und weitere Südfrüchte verzehrfertig an den Einzelhandel geliefert werden.

Neues Edeka Fruchtkontor Nord
Ein Gabelstapler fährt auf dem Kleinen Grasbrook im neuen Edeka-Fruchtkontor durch das Lager. © DPA Images | Daniel Bockwoldt

„Die Zahlen verdeutlichen noch mal, welche Bedeutung der Hafen für Deutschland hat“, sagte der Geschäftsführer der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), Jens Meier, dem Abendblatt.

Bürgermeister: „Sprung in eine neue Zeit“

Das musste auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) anerkennen, der sich die feierliche Eröffnung des Obstzentrums nicht entgehen lassen wollte. Er dankte Edeka für dessen erneutes Bekenntnis zum Hamburger Hafen und sprach von „einem wichtigen Schritt in der neuen Entwicklung des Kleinen Grasbrooks“, die auch der Stadt mehr Möglichkeiten einräume.

Zudem bezeichnete Tschentscher das Fruchtkontor als „Sprung in eine neue Zeit“, denn der Bau sei „supernachhaltig“ und komme ohne fossile Energie aus. Ökologisch eröffne der Logistikkomplex damit neue Perspektiven.

Jahrelang verhindert: Fruchtkontor von Edeka

Auf dem Dach des Hauses liefert eine Photovoltaikanlage die notwendige Energie zum Betrieb der Kälteanlagen. Sie erzeugt dazu so viel Strom, dass man damit auch 200 Einfamilienhäuser versorgen könnte.

Die Abwärme, die bei der Kühlung entsteht, nutzt Edeka wiederum dazu, um den Bürotrakt zu heizen. Eine moderne Lade-Infrastruktur macht E-Mobilität am Standort möglich. Das ist wichtig, denn das Fruchtkontor liefert so viel Obst und Gemüse, dass damit 8600 Lkw beladen werden können. An der neuen Packstation werde der Materialverbrauch auf ein Minimum reduziert, verspricht Edeka.

Mehr zum Grasbrook

Mosa betonte, dass das Edeka-Fruchtkontor anders als andere Lieferanten seine Ware nicht über Exporteure oder Zwischenhändler beziehe, sondern von den Anbauern selbst. „Wir kennen alle 1200 Anbauer persönlich, dadurch können wir Einfluss auf eine nachhaltige Produktion nehmen.“

Nach jahrelangem Streit: Edeka eröffnet modernes Fruchtlager

Dann durchtrennten Tschentscher und Mosa symbolisch ein Band, um die Inbetriebnahme des neuen Fruchtkontors zu verdeutlichen. Tatsächlich wird es bereits seit 20. Oktober mit Waren beliefert. So steht es jedenfalls auf einem Schild am alten Edeka-Fruchtkontor nur rund 100 Meter die Dessauer Straße hinauf.

Edeka erzielte 2023 mit den rund 11.000 Märkten seines Verbunds und rund 410.700 Mitarbeitern einen Umsatz von 70,7 Milliarden Euro. Mit mehr als 19.200 Auszubildenden ist Edeka einer der führenden Ausbilder in Deutschland.