Hamburg. Hafenunternehmen fühlen sich von der Stadt getäuscht. Verband droht, Grundsatzvereinbarung mit Senat aufzukündigen.
Die Einigung galt als historisch. Als der Senat im vergangenen Jahr eine Vereinbarung mit der Hafenwirtschaft über die künftige Nutzung des Grasbrooks präsentierte, schien ein jahrzehntelanger Streit über eine der zentralen Flächen im Hamburger Hafen endlich überwunden zu sein. Den Städtebauplanern wurde der nördliche Teil des Grasbrooks für den Bau eines neuen Stadtteils namens „Moldauhafen“ mit 3000 Wohnungen eingeräumt. Die Hafenfirmen sollten das restliche Gelände behalten und erhielten dafür Planungs- und Investitionssicherheit. Zwischen den Wohnungen und den Grundstücken der Hafenbetriebe wurde ein Wall von Bürogebäuden geplant, als Lärmschutzriegel. Doch der 2017 geschlossene Frieden zwischen Politik und Wirtschaft ist bereits wieder brüchig.
Die Hafenfirmen werfen den Behörden vor, sich nicht an die schriftlich in einem sogenannten Letter of Intent (LoI) fixierte Übereinkunft zu halten. Die Grundsatzvereinbarung schreibt vor, dass kein in dem betroffenen Gebiet ansässiges Unternehmen in seiner Entwicklung behindert werden darf. Doch nun zeichnet sich bei den konkreter werdenden Planungen ab, dass die Abstandsregelungen und Lärmschutzmaßnahmen nicht ausreichen. Die Hafenfirmen drohen inzwischen sogar mit einer Aufkündigung der schriftlichen Grundsatzvereinbarung.
Verstimmung ist groß
Bei der Auseinadersetzung geht es derzeit insbesondere um das große Edeka-Lager, das dem Moldauhafen am nächsten liegt. Der Einzelhandelskonzern will das Lager zu einem großen Fruchtzentrum ausbauen. Doch an dem bisherigen Standort geht das nicht. Das Kühllager käme dem geplanten Wohnungsbau in die Quere.
Streit gibt es zudem über den Mietvertrag des HHLA-Unternehmens Unikai, der laut Vereinbarung verlängert werden müsste. Doch die zuständige Hamburg Port Authority (HPA) will den Mietpreis anheben und die Mietdauer verkürzen. Dabei hatte die Grundsatzvereinbarung Mietverträge mit einer Laufzeit von 30 Jahren vorgesehen.
Bei den Interessenvertretern des Hafens ist die Verstimmung groß. Seit Wochen laufen Gespräche zwischen der Unikai-Mutter HHLA und der Stadt, ohne Erfolg. „Die Zielsetzung der Vereinbarung wird offenbar nicht von allen Behörden und Institutionen mitgetragen“, sagt der Geschäftsführer des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Norman Zurke. „Wir erwarten aber, dass sich der Senat und alle Behörden an den mit dem Bürgermeister verabredeten und von Wirtschaftssenator Frank Horch unterzeichneten Letter of Intent halten.“
Planerische Herausforderung
Der Staatsrat der Wirtschaftsbehörde, Torsten Sevecke, ist um einen Ausgleich bemüht. Den Vorwurf, dass die Vereinbarung durch die städtischen Planungen gebrochen werde, weist er zurück. „Es gibt eine mit allen Unternehmen und Behörden abgestimmte planerische Absicht, die eine konfliktfreie Lösung im Sinne des Letters of Intent vorsieht“, sagte er dem Abendblatt. „Uns ist wichtig, dass der LoI den Unternehmen vor Ort eine langfristige Standortperspektive und neue Entwicklungsmöglichkeiten bietet.“ Dies sei mit allen Betrieben auf dem Kleinen Grasbrook diskutiert worden. „Allerdings bedeutet die neue künftige Grenze zwischen Stadt und Hafen auch eine planerische Herausforderung, die nur im engen Austausch zwischen allen Beteiligten gemeistert werden kann“, so Staatsrat Sevecke.
Zumindest im Falle von Edeka zeichnet sich eine Lösung ab. Diese ist aber mit Komplikationen verbunden. Da das große Fruchtzentrum dem neuen Wohnquartier in die Quere käme, muss dafür ein ganz neuer Standort gefunden werden. Nach Informationen des Abendblatts ist eine Verlagerung ans südliche Ufer des Kleinen Grasbrooks geplant, direkt neben das HHLA-eigene Fruchtzentrum. Über die Übernahme der Verlagerungskosten wird noch gestritten.
Strittig ist auch noch der Pachtvertrag mit Unikai, den die HHLA schnell unterschrieben haben möchte. Der Hafenkonzern steht nämlich bei seinem Partner im Wort, der italienischen Reederei Grimaldi, der 49 Prozent von Unikai gehören. Die Unternehmen hatten darauf gehofft, dass die Unsicherheit über die Zukunft des Standorts und die Gefahr einer möglichen Umsiedelung mit der Grundsatzvereinbarung vorüber sind.
Konflikte um die Hafenflächen gibt es bereits seit 13 Jahren
Beides besteht bereits seit mehr als einem Jahrzehnt. Schon 2005 hatte es einen Interessenkonflikt zwischen dem damaligen Oberbaudirektor Jörn Walter und dem damaligen Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) gegeben, der zum Teil in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde.
Der oberste Stadtplaner wollte den Moldauhafen und den Kleinen Grasbrook im Zuge des „Sprungs über die Elbe“ mit Wohnungen bebauen lassen, der Wirtschaftssenator wollte die Hafenflächen für die Wirtschaft sichern. Einige Jahre später drohte der HHLA und Grimaldi wiederum eine Zwangsverlagerung: Hamburgs letztlich gescheiterte Olympiabewerbung sah vor, dass die gesamten von Unikai genutzten Flächen im östlichen Hafengebiet für die Spiele benötigt werden. „Wir wollen jetzt endlich Planungssicherheit haben“, heißt es aus dem Unternehmen. Noch aber wird gestritten.