Hamburg. Die Investition im Hafen markiert das Ende eines jahrelangen politischen Streits über den Grasbrook. Und die Pläne sind spektakulär.

Der Grasbrook im Hamburger Hafen. Eine 36.500 Quadratmeter große, planierte Brache empfängt die Besucher am Beginn der Dessauer Straße, gleich neben dem Kühllager der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), der Finanz- und Personalvorstand von Edeka, Martin Scholvin, sowie der Geschäftsführer der Hamburger Port Authority (HPA), Friedrich Stuhrmann, stapfen mit Spaten ausgestattet durch die industrielle Ödnis, die von mehreren aufgeschütteten, unterschiedlich hohen Sandhügeln verziert wird.

An einem dieser Hügel bleiben sie stehen, nehmen eine Schippe voll Sand und zählen. Auf drei fliegt der Aushub im Bogen davon. Fotografen halten den Vorgang im Bild fest – denn er hat Bedeutung.

Edeka investiert 60 Millionen Euro in Fruchtzentrum

Es ist der erste symbolische Spatenstich für den Neubau eines modernen Fruchtzentrums, das Edeka im Hamburger Hafen errichtet. Hier soll künftig Obst und Gemüse aus der ganzen Welt, gereift, verpackt und für den Versand in die rund 11.000 Edeka-Märkte in Deutschland fertig gemacht werden. Mehr als 60 Millionen Euro investiert der Handelskonzern. Bemerkenswert sei das Investment angesichts der wirtschaftlichen Lage, sagt Scholvin, nachdem er den Spaten weggelegt hat. „Wir schaffen hier unser eigenes Konjunkturprogramm für Hamburg.“

Etwas Neues entsteht auf dem Grasbrook. Zugleich markiert der symbolische Spatenstich aber auch ein Ende, nämlich das eines jahrelang tobenden politischen Streits über die Zukunft des Grasbrooks und der Firmen darauf. Diesen Zwist haben Westhagemann und Scholvin jetzt zusammen mit Stuhrmann unter einer Schippe Sand begraben.

Seit 2006 betreibt Edeka ein kleineres Fruchtkontor an diesem östlichen Zipfel des Hafens, auf dem Gelände der Unikai, einem großen Umschlagterminal der HHLA. Und weil es wirtschaftlich gut lief, wollte der Einzelhandelskonzern eine größere logistische Drehscheibe für seinen Obst- und Gemüsehandel errichten. Doch mehr als ein Jahrzehnt war dieses nicht möglich.

Hafenbetriebe rücken für Wohnungsbau zusammen

Erst bedrohte die Olympia-Bewerbung den Fortbestand des östlichen Hafenzipfels, in deren Zuge der ganze Grasbrook zu einer riesigen Sportstätte umgewandelt werden sollte. Nach dem Aus für Olympia war es der näherrückende Wohnungsbau, der bis ans Nordufer des Moldauhafens heranwachsen wird. Zu nah für die Hafenindustrie, die die Elbinsel komplett hätte räumen sollen.

Am Schluss stand eine Übereinkunft zwischen dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und der Hafenwirtschaft, die einen Kompromiss vorsieht: die Hafenbetriebe rücken am südlichen Ufer des Grasbrooks zusammen, während am nördlichen Ende ein Riegel durch Bürohäuser den Wohnungsbau vor dem Hafenlärm schützen soll. Die Einigung entstand 2017. Und auch danach dauerte es noch einmal fünf Jahre bis der Edeka-Konzern seine fertigen Investitionspläne für ein größeres Fruchtkontor aus der Schublade ziehen und umsetzen konnte.

Edeka behält direkten Zugang zur Elbe

Angesichts des politischen Gezerres, in dem sich der lange schwelende Streit zwischen den Interessen der Stadtentwicklung und denen der Hafenwirtschaft manifestiert hat, ist die Erleichterung bei allen Anwesenden zu spüren, dass es nun endlich losgeht. „Nach einer längeren politischen Anlaufphase und dreieinhalb Jahren Planung kann nun endlich begonnen werden“, sagt Scholvin. Und Westhagemann, der 2019 das endgültige Ok für die Umbauten des Grasbrooks herbeigeführt hat, ergänzt: „Das war ein langer Prozess, bei dem viel Überzeugungsarbeit geleistet werden musste. Um so mehr freue ich mich heute, dass Edeka mit seiner Investition ein klares Bekenntnis zum Standort Hamburg abgibt.“

Andererseits muss Edeka mit seinem Fruchtumschlag nicht irgendwo auf eine grüne Wiese ziehen, sondern behält den direkten Zugang zur Elbe, was für die Beschaffung seiner Frischeprodukte, die der Konzern aus rund 80 Ländern erhält, besonders wichtig ist. Der Chef der Hafenverwaltung HPA, Stuhrmann, fasst das so zusammen: „Edeka und der Hamburger Hafen – das passt."

61.000 Tonnen Bananen, Avocados und Mangos

Was Deutschlands größter Lebensmittelhändler nur wenige 100 Meter Luftlinie südlich seines derzeitigen Kühllagers bis Ende 2024 aufbauen will, klingt zudem imposant. Mit den neuen Umschlagsmöglichkeiten soll das jährliche Aufkommen von aktuell 105.000 Paletten mit frischem Obst und Gemüse auf bis zu 160.000 Paletten gesteigert werden.

Erweitert werden auch die Kapazitäten der Bananenreiferei: in 58 Reifekammern sollen künftig bis zu 61.000 Tonnen Bananen, Avocados und Mangos verzehrfertig reifen und anschließend für den Einzelhandel verpackt werden. Das neue Fruchtkontor wird Arbeitsplatz für mehr als 200 Mitarbeiter. „Wir legen mit dem Neubau eine Schippe drauf und werden die Versorgung unserer Edeka-Kaufleute und deren Kunden in diesem Warensegment deutschlandweit langfristig absichern“, sagt Scholvin.

Edeka-Chef Mosa Opfer des Eurowings-Streiks

Und noch etwas hebt der Edeka-Finanzvorstand besonders hervor: Mit dem neuen Fruchtkontor macht sich Edeka ein Stückweit unabhängiger vom Gas. Die neuen Hallen werden über eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach mit Strom versorgt und über die Abwärme der Kälteanlage beheizt. „Fossile Energieträger wie Erdgas entfallen komplett“, so Scholvin.

Zurzeit errichte Edeka zudem mit seinem Partner, dem Lebensmittel-Lieferdienst Picnic, einen Online-Supermarkt am Reiherstieg in Wilhelmsburg. Im Internet bestellte Produkte sollen von hier aus durch Elektrolieferwagen ausgeliefert werden.

Nach einem letzten Blick über die Sandhügel beginnt in einem Festzelt die eigentliche Feier. Einer fehlt an diesem Tag: Edeka-Vorstandschef Markus Mosa, musste seine Teilnahme kurzfristig absagen. Er ist Opfer des Eurowings-Pilotenstreiks geworden und hängt auf irgendeinem Flughafen fest.