Hamburg. Mit ihrem Fintech Rubarb meldeten Fabian und Jakob Scholz Insolvenz an. Nun wollen beide mit einer neuen Geschäftsidee durchstarten.
Es war länger still um Fabian und Jakob Scholz. Nach der Insolvenz ihres Start-ups Rubarb hatten die Hamburger Gründer mit dem bekannten Nachnamen sich praktisch aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Aber die Neffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) waren keineswegs untätig. Unter dem Radar haben sie ein neues Unternehmen gegründet und auf den Weg gebracht: die WTE-Gruppe.
Die Abkürzung steht für Welcome To Europe. „Das erschien uns im Sprachgebrauch aber zu umständlich“, sagt Fabian Scholz. WTE ist eine Personalvermittlung, der Schwerpunkt liegt auf der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. „Wir vermitteln nicht nur, sondern wir bilden in den Herkunftsländern auch aus“, so der 34-Jährige zu dem Konzept, mit dem sich WTE von Konkurrenten absetzen will. Er ist allein zum Gespräch mit dem Abendblatt gekommen. Sein Bruder Jakob ist für mehrere Monate im indischen Mysore, um das Geschäft dort zusammen mit einer Partnerfirma aufzubauen.
Neffen von Bundeskanzler Olaf Scholz gründen neues Unternehmen in Hamburg
„Die Idee ist praktisch am Küchentisch entstanden“, sagt Fabian Scholz. Dazu muss man wissen, dass der Vater der Gründerbrüder Jens Scholz ist, ein promovierter Anästhesist und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Das Thema Fachkräftemangel in der Pflege ist bei Familie Scholz praktisch ein Dauerbrenner. Dabei geht es auch um passgenaue Lösungsmöglichkeiten und die komplizierte Anwerbung ausländischer Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen. „Da kam unser Unternehmergeist, und wir haben gesagt: Versuchen wir, es besser zu machen.“
Im Februar 2023, nur wenige Monate nach der Insolvenz von Rubarb, gründeten die Brüder WTE. Nach Daten des Statistischen Bundesamts werden infolge der Alterung der Gesellschaft in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen. „Uns war von Anfang an klar, dass der Knackpunkt die Sprache ist.“ Viele gut ausgebildete Menschen wollten nach Deutschland kommen, scheiterten aber an den Deutschkenntnissen. Dazu kommen trotz einiger Vereinfachungen in den vergangenen Monaten die bürokratischen Hürden für Fachkräfte, wenn sie aus einem Land außerhalb der EU einen Job hierzulande annehmen wollen.
Schon 300 Inder pauken Deutsch in der WTE-Sprachschule der Scholz-Neffen
Konkret baut WTE gerade eine Sprachschule im Internatsbetrieb in Mysore auf, in der monatlich 100 neue Bewerber ihre Kurse beginnen sollen. Die ersten 300 Inder und Inderinnen pauken inzwischen Deutsch bei Muttersprachlern. Dabei arbeiten die Hamburger mit dem indischen Partner Charkos Global zusammen, der schon länger im Recruiting von Indien ins englischsprachige Ausland wie Großbritannien, den USA oder Australien arbeitet.
Nach einer Testphase kann WTE erste Vermittlungen im Pflegebereich vermelden. Mittelfristig sollen auch andere Berufsgruppen dazukommen. „In der heutigen Welt ist der Arbeitsmarkt global. Wir suchen und finden passende Lösungen“, sagt Fabian Scholz selbstbewusst.
Start-up der Kanzlerneffen ging 2022 pleite
Er hat an der Bucerius Law School einen Bachelor gemacht, dann einen Management-Master in London drangehängt und einige Zeit bei einem sogenannten Company Builder gearbeitet, bevor er 2016 mit dem Personaldienstleister Paltron sein erstes und 2019 verkauftes Unternehmen gründete. Jakob Scholz hat ein Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen absolviert und als Investmentbanker gearbeitet.
Zusammen haben sie Rubarb aufgebaut. Via App konnten Kunden des Finanz-Start-ups unter anderem in börsennotierte Indexfonds (ETFs) investieren. Das lief erfolgreich, brachte aber kaum Geld, weil der Service kostenlos war. Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit meldete Rubarb, das sechs Millionen Euro Kapital von Investoren für das Unternehmen eingesammelt und zuletzt ein Team von 40 Beschäftigten hatte, im Sommer 2022 Insolvenz an.
Vor dem Neustart Reise durch Patagonien
„Scheitern ist nie schön“, sagt Fabian Scholz heute. Auch durch den bekannten Namen habe der wirtschaftliche Schiffbruch für viel Aufmerksamkeit gesorgt. „Binnen Stunden war klar, dass eine Restrukturierung nicht möglich sein würde.“ Gemeinsam reisten die Brüder nach der Abwicklung des Unternehmens zwei Monate durch Patagonien, „um den Kopf freizubekommen“. Das Ergebnis: Die Entscheidung, dass sie als Unternehmer weitermachen wollen. „Wir haben ja nicht alles falsch gemacht und lernen aus unseren Fehlern“, sagt der ältere der Brüder.
Schwerpunkt der WTE-Gründer ist aktuell der Aufbau der Anwerbung und Ausbildung in Indien, wo außer der Sprachschule künftig auch eine inhaltliche Vorbereitung für die fachliche Anerkennung in Deutschland stattfinden soll. „Im Idealfall können sich die Bewerber schon in der Heimat komplett vorbereiten und nach ihrer Ankunft in Deutschland schnell die Prüfungen absolvieren und direkt am Arbeitsplatz einsteigen.“
Fünfstellige Summe für die erfolgreiche Vermittlung einer Pflegekraft
Parallel läuft der Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern hierzulande, im Blick vor allem Uni-Krankenhäuser und große Klinikketten. Der Bedarf an Fachkräften wachse stetig, das Interesse an ihrem Service sei groß, sagt Fabian Scholz. Und den Unternehmen ist es offenbar einiges wert. Für eine erfolgreiche Vermittlung werden nach seinen Angaben Summen in niedriger fünfstelliger Höhe gezahlt.
Bis die ersten Einnahmen kommen, kalkulieren die Scholz-Neffen mit Anlaufkosten in Höhe von bis zu etwa einer Million Euro. Anders als bei Rubarb wollen sie ohne Investoren starten, planen die Kosten über Bankkredite zu finanzieren. Um sich selbst zu finanzieren, haben sie in den vergangenen beiden Jahren mit Personalvermittlung von IT-Experten und Ingenieuren innerhalb Deutschlands Geld in die Kasse geholt. Gleichzeitig halten sie die Kosten im Blick. In Hamburg gibt es weder ein Büro noch weitere Beschäftigte. Fabian Scholz arbeitet in seiner Uhlenhorster Wohnung im Homeoffice. Jakob pendelt zwischen Hamburg, der Schweiz und Indien.
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Dort sind inzwischen die ersten zehn Sprachlehrer engagiert, bis Jahresende sollen es 20 sein. Im April ist geplant, dass die ersten 100 Absolventen ihren Sprachkurs mit Niveau B2 abgeschlossen haben. Danach rechnet Scholz mit weiteren drei Monaten für die Einreiseabwicklung mit den Behörden und noch mal so lange für die Anerkennungsverfahren. Das ist sehr optimistisch, aktuell dauert es oft viel länger, bis alle Voraussetzungen erfüllt sind.
Kanzler-Neffen suchen für Münchener Kliniken Personal
Fabian und Jakob Scholz kümmern sich auch um die Wohnungssuche und unterstützen die Fachkräfte beim Ankommen in Deutschland. Einen ersten größeren Kunden haben sie schon gefunden: Bei der kommunalen München-Klinik mit fünf Standorten in der bayrischen Landeshauptstadt ist WTE bei einer großen Ausschreibung für mehr als 1000 Pflegekräfte mit dabei. „Die ersten Pflegekräfte sind bereits vor Ort. Das Feedback ist positiv.“
Ist der prominente Nachname bei Geschäftskontakten eher Fluch oder Segen? „Mal so, mal so. Inhaltlich macht es keinen Unterschied“, sagt Fabian Scholz. Sicher würde man manchmal schneller ins Gespräch kommen, „aber wir müssen trotzdem abliefern wie andere auch.“ Insiderinformationen über den bekannten Onkel sind sowieso tabu.