Hamburg. Altenpflegerin war Fatu Manneas Traumberuf. Trotzdem geht sie wieder zurück nach Portugal. Die Hintergründe stimmen nachdenklich.

Fatu Mannea sitzt in einem Café in der Nähe ihrer Wohnung in Hamburg-Stellingen. Mit der Hoffnung auf eine erfülltes Arbeitsleben kam sie vor sieben Jahren nach Hamburg, in der Altenpflege zu arbeiten war mal ihr Traumberuf.

Nun sind ihre Koffer gepackt, die Wohnung hat sie gekündigt. Anfang August wird die 46-Jährige in ihr Heimatland Portugal zurückkehren – „mit sehr gemischten Gefühlen“, wie sie erzählt. „Es hat sich hier nicht so entwickelt, wie erhofft“, sagt sie tapfer, „Das ist eben so.“

Altenheim: Traum geplatzt – enttäuschte Pflegekraft verlässt Hamburg

Zum Gespräch mit dem Abendblatt wird Fatu Mannea von ihrer Hamburger Freundin und ehemaligen Arbeitskollegin Sabine Gül begleitet. Die zwei haben einen gemeinsamen Hausarzt, den Blankeneser Mediziner Stefan Bick, der ebenfalls an dem Gespräch teilnimmt. Beide unterstützten die alleinerziehende Mutter in den vergangenen Monaten nach Kräften, motiviert halfen sie mit der Alltagsbürokratie. Doch alle Versuche, die Portugiesin zum Bleiben zu bewegen, sind gescheitert.

35 Stunden wöchentlich hat Fatu Mannea als Pflegehilfskraft gearbeitet und dafür nach ihren Angaben knapp 2300 Euro brutto erhalten. Das ist der Tariflohn, der in zahlreichen Hamburger Pflegeeinrichtungen gezahlt wird, erläutert Arnold Rekittke, stellvertretender Landesfachbereichsleiter bei Ver.di.

Wohnen in Hamburg: Ex-Pflegerin zahlt für Zweizimmerwohnung 800 Euro Kaltmiete

Fatu Manneas letzter Arbeitgeber, der Katharinenhof an der Mühlenau in Stellingen, hat sie also nach Tarif bezahlt. Seit dem vergangenen Jahr bekam die Pflegehilfskraft auch Weihnachtsgeld. Rund 1800 Euro blieben ihr netto übrig, sagt Fatu Mannea. Hinzu kamen monatlich 250 Euro Kindergeld für ihre Tochter

800 Euro Kaltmiete zahlt sie für eine Zweizimmerwohnung, die sie mit ihrer zehn Jahre alten Tochter Norma teilt. Aus ihrer vorherigen – günstigeren – Wohnung habe sie kurzfristig ausziehen müssen, als das Haus abgerissen wurde, danach sei auch nach langer Suche nichts Günstigeres zu bekommen gewesen.

Geld knapp: Pflegekraft übernahm noch zusätzlich einen Minijob

Man kann nun stundenlang darüber debattieren, ob das Gehalt für eine Hilfskraft angemessen ist, wie Fatu Mannea vielleicht doch eine preiswertere Wohnung hätte finden können oder wie viel Geld man zum Leben braucht. Fakt ist vor allem eines, nämlich dass die Portugiesin auf die hohen Lebenshaltungskosten für sie und ihr Kind in Hamburg, die bekanntlich laufend weiter steigen, nicht vorbereitet war.

Das übrig bleibende Geld reichte für ihren Alltag und den ihrer Tochter jedenfalls nicht aus, so Mannea. Obwohl sie in ihrem Job stark eingespannt war und sich zum Beispiel auch um demente Patientinnen kümmerte, nahm sie schließlich noch einen Minijob an, um sich etwas dazu zu verdienen. Irgendwann wurde ihr das alles zu viel und die Idee reifte, ihrer Wahlheimat den Rücken zu kehren.

Wie konnte es soweit kommen?

Altenpflegerin Fatu Mannea: Warum reichte das Geld nicht für ihren Alltag?

Ex-Pflegerin Fatu Mannea ist nach Darstellung von Sabine Gül eine ehrliche Frau. Sie scheue sich, anderen auf der Tasche zu liegen, sei wohl auch zu stolz, um irgendwelche Hilfsprogramme in Anspruch zu nehmen. Eine gewisse Schüchternheit mag hinzukommen, wohl auch eine durch den anstrengenden Alltag bedingte Antriebsschwäche.

Gül und Bick schätzen die Zuverlässigkeit und Gradlinigkeit ihrer Freundin und finden deutliche Worte, die nicht alle gerne hören. „Wir kennen andere, die nur die Hand aufhalten und damit deutlich komfortabler durchs Leben kommen“, kritisieren sie. „Das kann‘s ja wohl auch nicht sein.“

Kritik an der Politik: Anwerben sei „moderner Kolonialismus“

„Unsere Politiker reisen durch die Welt und versuchen, Pflegekräfte aus anderen Ländern für Deutschland zu rekrutieren“, sagt Stefan Bick. „Nach meinem Eindruck sind die Verhältnisse hier aber nicht so paradiesisch, wie es vermittelt wird.“ Laut Bick seien den Zuziehenden die vergleichsweise hohen Kosten in einer Stadt wie Hamburg und Probleme wie Wohnungsmangel vorher gar nicht klar vermittelt worden.

„Das Ganze mag ja gut gemeint sein“, so Bick, „aber mir kommt das manchmal vor wie moderner Kolonialismus.“ Bick berichtet von immer mehr Patientinnen und Patienten, die im Alter noch arbeiten müssten, um sich etwas zur Rente hinzu zu verdienen. Auch das hänge „ganz eindeutig“ mit den hohen Kosten in einer Stadt wie Hamburg zusammen.

Tarifverhandlungen: Gewerkschaft Ver.di fordert mehr Geld für Hilfspflegekräfte

„Wertschätzung in der Pflege drückt sich auch durch das Gehalt aus“, sagt Arnold Rekittke. „Es muss möglich sein, von dem Gehalt in diesem systemrelevanten Beruf in Hamburg leben zu können.“ Das Thema sei entsprechend auch bei kommenden Tarifverhandlungen auf der Agenda. Für Pflegehelferinnen und -helfer setze sich Ver.di konkret für Einstiegsgehälter von 3000 Euro, für Pflegefachkräfte von mindestens 3500 Euro ein.

Pflegekraft Fatu Mannea: Der Traum von Hamburg ist zu Ende

Fatu Mannea berichtet, dass ihr der Abschied von denjenigen, die sie zuletzt betreut hat, sehr schwer gefallen sei. „Als Frau mit afrikanischen Wurzeln ehre ich alte Menschen“, sagt sie, „das haben wir verinnerlicht.“ Zwei alte Frauen hätten sogar geweint, und sie habe dann auch weinen müssen. „Manche werden es kaum glauben können, aber ich habe diesen Pflegeberuf trotz allem sehr gerne gemacht“, sagt sie.

In Portugal wird Fatu Mannea bei ihrer verwitweten Mutter wohnen. Dass sie in ihrem Heimatland wieder in einem Pflegeberuf arbeiten wird, hält sie für unwahrscheinlich. Sicher ist für sie etwas anderes: „Der Traum vom Leben in Hamburg ist für mich zu Ende.“