Hamburg. Geschäftsidee von Elke Jensen aus Hamburg füllt die Lücke zwischen Hackenporsche und Rollator. Was die Ü70-Gründerin nach der Show macht.
Zweimal hat Elke Jensen abgesagt. „Ich dachte, mein CityCaddy passt nicht ins Portfolio“, sagt sie. Bei der dritten Anfrage der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ schickte die 74-jährige Hamburgerin schließlich doch eine Bewerbung ab und kämpfte kurz darauf vor laufenden Kameras um einen Deal für ihren neuartigen Alltagsbegleiter, eine Mischung aus Hackenporsche und Rollator. Es sei schon eine sehr spezielle Welt gewesen, in die sie eingetaucht sei, sagt sie.
Anfang Februar war ihre Präsentation vor fünf Investoren in einem Kölner Fernsehstudio aufgezeichnet worden, zu der sie gemeinsam mit ihrer PR-Beraterin Ulrike Mann und mehreren Modellen ihres CityCaddys angereist war. „Eine tolle Erfahrung.“ War sie aufgeregt? „Dafür bin ich zu alt.“ Nur, dass sie auf den Bühnenaufbau keinen Einfluss hatte, habe sie etwas gewurmt, so die Produktdesignerin und langjährige Designprofessorin mit gewinnendem Lachen. „Das hätte ich anders gemacht.“
Die Höhle der Löwen: Viel Lob für CityCaddy von Hamburger Ü70-Gründerin – aber kein Deal
Wie es der Ü70-Gründerin und Erfinderin des „Prada-Rollators“, wie sie ihr Produkt am Anfang genannt hat, in der Show erging, konnten Millionen Zuschauer am Montagabend im TV-Sender Vox verfolgen. 300.000 Euro für 15 Prozent der Firmenanteile, lautete ihr Angebot. Es gab viel Lob und Anerkennung. Danach kamen die Absagen von Carsten Maschmeyer, Dagmar Wöhrl, Nils Glagau, Tillman Schulz und Tijen Onaran. Sie ging also ohne Deal aus der Sendung. „Es ist ein Luxusprodukt mit einer sehr spitzen Zielgruppe“, begründete Maschmeyer, weshalb er nicht einsteigen wollte. Wöhrl und Onaran sahen trotz aller Begeisterung für die Unternehmerin und ihre Erfindung nicht, wie sie diese mit ihren Firmen unterstützen könnten.
Jensen nimmt es gelassen. „Ich hätte mir einen Deal gewünscht, hatte aber keine großen Erwartungen. Die Chancen standen 50:50.“ Wichtiger ist ihr ihre Botschaft, die auch Antrieb für ihre Produktentwicklung ist. „Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. Wir sollten alle einen anderen Blick auf das Alter bekommen. Das Alter ist nicht nur etwas Hartes, sondern hat auch sehr schöne Seiten.“
Die Höhle der Löwen: Anfragen für Hamburger Edel-Rollator „CityCaddy“ aus Japan
Ihr CityCaddy, da ist die begeisterte Geherin mit täglich 10.000 Schritten sicher, könne helfen, stilvoll und sicher in Bewegung zu bleiben und damit nicht nur den Alltag besser zu meistern, sondern auch die mentale Gesundheit zu fördern. Und auch das ist wichtig bei ihrem Premiumprodukt: „Nur weil man älter ist, verliert man ja nicht den Geschmack.“
Sieben Monate nach der Aufzeichnung sitzt Elke Jensen an ihrem Schreibtisch in einem Gemeinschaftsbüro in Eimsbüttel, das sie sich mit mehreren – deutlich jüngeren – Kreativen teilt. Im Regal hinter ihrem Arbeitsplatz stehen unterschiedliche Modelle des CityCaddys, Materialmuster, Skizzen und was sonst noch bei der Entwicklung neuer Ideen hilft. Auch ohne Investor hat sie viele Pläne, tüftelt an Verbesserungen der komplexen Produktion, knüpft Kontakte ins Ausland bis nach Japan. Gerade ist eine neue Sonderedition fertig.
Schon seit 2015 arbeitet die gebürtige Schleswig-Holsteinerin, die an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und in Würzburg studiert, lange als Produktdesignerin gearbeitet und an der Akademie für Mode und Design (AMD) als Professorin gelehrt hat, an ihrer Geschäftsidee. Mit knapp 70 Jahren, wenn andere längst in Rente gehen, ist sie noch mal Unternehmerin geworden. Seit 2021 verkauft sie ihre CityCaddys. „Es ist eine neue Produktkategorie und ausdrücklich kein medizinisches Produkt.“
Mit dem Alltagsbegleiter, wie sie ihre Erfindung beschreibt, lassen sich mit einem einfachen Wechsel der Position vom Schieben zum Ziehen Stufen leicht überwinden und Rolltreppen problemlos nutzen. Er ist stufenlos höhenverstellbar, einfach zusammenklappbar, und der Wegrollstopper sorgt dafür, dass er nicht wegdriftet. Für die richtige Nutzung des CityCaddys, der schon mehrere Design-Auszeichnungen bekommen hat, wird eine zwölfseitige Gebrauchsanweisung mitgeliefert.
Die Höhle der Löwen: CityCaddy von Hamburger Gründerin kostet ab 1495 Euro
Das, was optisch den Unterschied macht, ist die abnehmbare Tasche aus Leder oder aus waschbarem Papier. Seit neuestem gibt es auch eine nachhaltige Edition mit sogenanntem Mesch-Material aus alten Werbebannern, für die Jensen mit dem Hamburger Label Fyksin zusammenarbeitet. Die Taschen haben ein Volumen von etwa 30 Litern und eine Tragkraft von 15 Kilogramm.
Bislang wurde der CityCaddy etwa 400-mal verkauft. „Der Engpass ist die Produktion“, sagt Jensen. 61 Arbeitsschritte sind nötig, bis der Edel-Hackenporsche fertig ist. Produziert wird ausschließlich in Deutschland, hauptsächlich in Thüringen. Nachdem es zuletzt bei einem ihrer Haupthersteller Probleme gab, hat sie die Fertigung jetzt in mehrere Arbeitsprozesse unterteilt. Die Endmontage findet im Betrieb ihres Bruders im schleswig-holsteinischen Neumünster statt.
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Zu den Kosten sagt sie: „Es ist ein komplexes Produkt, das nicht vom Band läuft. Es ist Manufakturware.“ Seit dem Start vor drei Jahren hat sich der Preis für den schicken Trolley um knapp ein Drittel erhöht. Und liegt jetzt je nach Modell zwischen 1495 Euro (Mesch) und 1695 Euro (Leder). Sowohl die Material- als auch die Fertigungskosten sind gestiegen, sagt die Unternehmerin über ihre Eine-Frau-Firma.
Alle Modelle sind nur auf Bestellung und mit einer mehrwöchigen Lieferfrist erhältlich. Wer sich selbst ein Bild machen und einen CityCaddy ausprobieren möchte, findet die Modelle im Laden P36 in der Papenhuder Straße 36 auf der Uhlenhorst.
Gründerin tüftelt: So geht es mit dem CityCaddy weiter
Klar ist, auch mit dem Schub aus der „Höhle der Löwen“ sollen die Verkaufszahlen in den nächsten Monaten steigen. „Das Ziel sind schwarze Zahlen“, sagt die Gründerin, die im Moment schon wieder an einer nächsten Idee bastelt. Einen Reisekoffer, der auf ihren Caddy passt und auch bei Flugreisen einsetzbar ist. Auch eine Nachfolgereglung hat sie schon in petto, falls sie ausfallen sollte. Ihre Nichte, die auch in der Firma ihres Bruders mitarbeitet, hat ihre Bachelor-Arbeit über den CityCaddy geschrieben.