Hamburg. Neue Maschinen, mehr Personal: Halbleiter-Hersteller investiert kräftig in Hamburger Fabrik. Was Nexperia gegen Fachkräftemangel tut.

Die Kaffeemaschine, das Smartphone, elektrische Fensterheber im Auto – für die meisten Menschen in Hamburg beginnt der Tag bereits mit einem Nexperia-Produkt. Denn das Unternehmen fertigt in seiner Fabrik in Hamburg Halbleiter, Dioden und Transistoren, die in nahezu allen technischen und elektrischen Geräten verbaut sind. Nach eigener Aussage ist Nexperia einer der größten Chip-Hersteller der Welt.

Wir produzieren hier in Hamburg etwa 100 Milliarden Produkte pro Jahr“, sagt Stefan Tilger, Deutschlandgeschäftsführer und Finanzvorstand von Nexperia. „Das sind etwa 3000 in der Sekunde.“ Der Konzern fertige in Hamburg und Manchester ein Viertel der weltweiten Produktion. Der wichtigste Markt für Nexperia ist der Automarkt, 60 Prozent der Produkte gehen in diesen Bereich. Die Entwicklung hin zu immer mehr Elektronik, auch durch E-Mobilität, ist ein Bedarfstreiber für die Halbleiterindustrie.

Nexperia: Hamburger Chip-Riese stärkt den Standort mit Millioneninvestition

Die restlichen 40 Prozent der Nexperia-Produkte werden in Anwendungen wie Datencenter und Solaranlagen, in der Industrie, in Laptops, Smartphones und klassischen Verbraucherprodukten wie Fernsehern und Haushaltsgeräten verbaut. „Alles, was einen Motor oder Stecker hat, hat auch irgendwo mindestens einen Halbleiter“, sagt Tilger. Rund 15.000 unterschiedliche Produkte habe Nexperia im Portfolio.

Von der Fabrik für Radioröhren unter dem Namen Valvo bis zum Nexperia-Werk heute war es ein langer Weg. 100 Jahre gibt es den Standort an der Stresemannallee. 1927 übernahm der niederländische Elektronikriese Philips die Firma. Seit den 1950er-Jahren werden in Lokstedt Halbleiter gefertigt, bis 2006 unter dem Namen Philips Semiconductors, danach als NXP. 2017 wurde Nexperia ausgegliedert, 2019 von chinesischen Unternehmen Wingtech Technology, einem an der Shanghaier Börse notierten Unternehmen, übernommen, das zu gewissen Teilen (17 Prozent) im Besitz unterschiedlicher kommunaler chinesischer Investmentfonds ist.

184 Millionen Euro für Hamburger Nexperia-Standort bis 2026

Mit der Ausgliederung von Nexperia 2017 begann in Hamburg eine Investitionsoffensive, mehr als 105 Millionen Euro flossen 2022/2023 in den Standort. Im Sommer, zum 100-jährigen Bestehen, wurden noch einmal Investitionen von etwa 184 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren angekündigt. Allerdings sorgte der neue Besitzer auch für negative Schlagzeilen. Nexperia ging 2023 bei der Vergabe von EU-Fördermitteln leer aus – laut Medienberichten wegen des chinesischen Eigentümers.

Nexperia: Hinter den Kulissen von Hamburgs größter Chipfabrik

Nexperia Hamburg
Diese Wafer, Scheiben aus Silizium, bilden die Grundlage für die Chipproduktion in Lokstedt. Darauf werden die winzigen Halbleiter, Dioden und Transistoren aufgebracht, das ist die erkennbare Maserung. Auf einem Wafer finden bis zu 500.000 Teile Platz. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
In der Fabrik gelten große Sicherheitsstandards und Hygienevorgaben. So darf die Wafer-Fabrik nur in Schutzausrüstung betreten werden. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
1964 war das noch anders, wie dieses historische Foto zeigt. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Die Wafer werden in einem Brennofen mit bis zu 1200 Grad Celsius erhitzt. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Die Maschinen im Nexperia-Werk befinden sich in sogenannten Grauräumen. Die Beschäftigten arbeiten auf der anderen Seite der Wand und interagieren nur mit der Vorderseite der Maschinen. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Nicht nur die Hygienestandards haben sich weiterentwickelt, auch die Technik: So sah die Prüfung der Chips im Reinraum in den 1980er-Jahren aus. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Das Chip-Design erfolgte früher am Zeichenboard. Heutzutage werden neue Bauteile am Computer entwickelt. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Die Fabrik in Lokstedt hat eine lange Geschichte. Den Anfang nahm er mit der Valvo-Radioröhren-Fabrik. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Ab 1924 wurden an der Stresemannallee Radioröhren gefertigt. Dafür musste das Glas aufwendig geblasen werden. © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
Der Werkseingang der heutigen Nexperia-Fabrik im Wandel der Zeit: Hier in den 1960er-Jahren... © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
... unter dem Namen Philips Semiconductors in den 1990er-Jahren... © Nexperia | Nexperia
Nexperia Hamburg
... und 2017 nach der Ausgründung von Nexperia. © Nexperia | Nexperia
1/12

Trotzdem investiert der Konzern kräftig. „Hamburg ist einer der wichtigsten Standorte“, sagt Stefan Tilger. „2022 konnten wir die Produktion um 20 Prozent erhöhen. Die Arbeiten zum Ausbau des Werkes haben schon begonnen“, so Tilger. Die Zahl der Angestellten in Hamburg wurde seit 2017 von 948 auf 1600 erhöht, weitere sollen folgen. Das Geld fließt in neue Produktionslinien, mit denen die Chips der Zukunft hergestellt werden, aus modernen Materialien wie Siliziumkarbid und Galliumnitrid. „Diese Chips sind ein wichtiger Faktor in der Energiewende und die Zukunft der Halbleiterproduktion“, sagt Tilger.

Chip-Riese Nexperia erwirtschaftete 2023 etwa 1,9 Milliarden Euro

Leisten kann es sich der Konzern allemal. 2023 machte der Gesamtkonzern Nexperia, der seinen Sitz in Nijmegen in den Niederlanden hat, laut Tilger einen Umsatz von 2,1 Milliarden US-Dollar, das entspricht etwa 1,9 Milliarden Euro. Die Nexperia Germany GmbH, die deutsche Tochterfirma, verzeichnete laut Northdata 2023 einen Umsatz von 389 Millionen Euro und einen Gewinn von 11,8 Millionen Euro. Hierbei handelt sich allerdings um firmeninterne Umsätze.

„Wir haben in unserem Zielmarkt einen Marktanteil von 9,4 Prozent. In vielen Bereichen, etwa bei Kleinsignal-Dioden und -Transistoren sind wir Weltmarktführer“, sagt Tilger. Mit den hochkomplexen Computerchips anderer Hersteller wie Nvidia oder Intel seien die Produkte von Nexperia nicht zu vergleichen. „Wir bauen passive Bauteile, Dioden und Transistoren, sogenannte diskrete bzw. essenzielle Halbleiter ohne irgendwelche Software. Unser Fokus liegt auf der Effizienz und Robustheit der Produkte“, sagt Tilger. Die Teile seien die „Schrauben und Muttern“ der Elektronik.

Nexperia: Was Hamburger Chip-Hersteller gegen Fachkräftemangel unternimmt

Der Standort Hamburg spiele auch bei der Gewinnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine große Rolle. „Die Attraktivität der Großstadt ist ein wichtiger Faktor. Denn auch wir sind vom Fachkräftemangel betroffen“, sagt Tilger. Deshalb sei Hamburg mit Forschungseinrichtungen wie DESY und den Universitäten ein idealer Standort für Nexperia. Der Konzern biete eine Vielzahl von Jobprofilen für Menschen mit und ohne Studienabschluss. „Wir wollen wettbewerbsfähig bleiben, und dafür brauchen wir gutes Personal“, sagt Tilger.

Mehr zum Thema

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bemühe man sich um ausländische Arbeitskräfte und setze sich für eine Stärkung des Bildungsstandorts Hamburg ein. „Die Unis müssen mit zeitgemäßer Technik ausgestattet werden. Da wünschen wir uns mehr Investitionsunterstützung durch den Staat“, sagt Tilger. „Wir gehen mit gutem Beispiel voran, stiften eine Professur an der TU Hamburg.“ Außerdem sei es wichtig, die Standortsichtbarkeit Hamburgs zu steigern. „Wir haben hier einen sehr innovativen Technologie-Sektor, was Hard- und Software angeht. Das muss auch nach außen stärker deutlich werden“, fordert Tilger.