Hamburg. Mutter sitzt mit zwei kleinen Kindern zwölf Stunden am Flughafen fest. Seit Monaten kämpft sie um Entschädigung – doch ohne Erfolg.

  • Der Start in den Urlaub endete für Sandra S. aus Hamburg und ihre Familie in einem „Fiasko“
  • Die vierköpfige Familie verpasste in München den Anschlussflug und musste zwölf Stunden am Airport verbringen.
  • Die Schuld sieht die Mutter eindeutig bei der Lufthansa.

Ein verspäteter Start, ein verpasster Anschlussflug, das passiert täglich vielen Fluggästen in Deutschland. Oft ohne größere Folgen. Doch für Sandra S. und ihre Familie begann nach einer solchen Verspätung eine lange „Tortur“, wie die Hamburgerin es selbst beschreibt. Die Vorkommnisse auf ihrer Reise von Hamburg nach Krakau im August seien „unerträglich und inakzeptabel“ gewesen. Der Schuldige aus Sicht der Mutter: die Lufthansa.

Sandra S. fühlt sich alleingelassen von der Fluggesellschaft. „Wenn dieses Reisedesaster nur mir als Alleinreisende passiert wäre, wäre das schon äußerst ärgerlich gewesen“, sagt die 39-Jährige. Unverständlich sei aber der Umgang des Lufthansa-Personals mit den Bedürfnissen ihrer Kinder, insbesondere ihres Säuglings gewesen. „Meine Kinder sind sieben Jahre und zehn Monate alt. Kleine Kinder sind besonders schutzbedürftig und nicht in der Lage, mit so einer Ausnahmesituation umzugehen.“

Lufthansa: Hamburger Familie erlebt „Fiasko“ mit Airline

Alle Lösungsvorschläge von Sandra S. und ihrem Mann Daniel seien abgeblockt worden. „Die Lufthansa hat uns jeden erdenklichen Stein in den Weg gelegt und uns und unseren Kindern keinen Ausweg aus der Situation ermöglicht.“ Natürlich hätte die Familie den Flughafen verlassen und auf eigene Kosten weiter- oder zurückreisen können. „Die Kosten, die hierfür angefallen wären, hätten aber unser Budget überstiegen. Abgesehen davon kamen wir auch nicht an unser Gepäck heran“, sagt Sandra S.

Sie habe sich bei der Buchung ganz bewusst für die Lufthansa entschieden, weil sie auf den guten Ruf der Fluggesellschaft vertraut habe. Diesem sei die Lufthansa jedoch nicht gerecht geworden. Das Personal habe sie abgewimmelt, die Familie nicht in der Situation unterstützt. Die Reise habe sie und ihre Familie so aufgewühlt, dass sie umgehend eine Beschwerde an die Lufthansa verfasst habe. Diese blieb bis heute, Monate später, unbeantwortet.

Junge Familie musste zwölf Stunden am Flughafen ausharren

Was war geschehen? Als Sandra S. und ihre Familie an diesem Tag im August um 6 Uhr das Haus verließen, habe sie noch nicht geahnt, welchen Verlauf der Tag nehmen würde, sagt die Mutter. Um 6.40 Uhr sei sie am Hamburger Flughafen angekommen, der Start ihres Fliegers sei für 8.45 Uhr geplant gewesen. Doch der Start nach München sei mehrfach verschoben worden, erst auf 9.15 Uhr, schließlich auf 10 Uhr, erzählt Sandra S.. Zu diesem Zeitpunkt habe der Flieger allerdings schon in der bayerischen Landeshauptstadt ankommen sollen.

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Während des Fluges in die bayerische Landeshauptstadt sei ihr gesagt worden, der Anschluss in München sei zu erreichen. Doch das stellte sich als Fehlinformation heraus. Um kurz nach 11 Uhr landete die Familie in München. Um 11.25 Uhr hob der Flieger nach Krakau planmäßig ab. „Als wir das Gate sieben Minuten nach der Abflugzeit erreichten, war dieses bereits verlassen. Wir wurden automatisch auf einen Flug um 22 Uhr umgebucht“, sagt Sandra S. „Eine Zumutung vor allem für die Kinder.“ Besonders unverständlich findet sie, dass andere Passagiere am Flugzeug abgeholt und direkt zu ihren Gates gebracht wurden.

Hamburgerin: Verhalten des Lufthansa-Personals war „Fiasko“

Es sollte jedoch nur der Anfang von etwas sein, das S. als „Fiasko“ bezeichnet. Fast bis Mitternacht habe sie mit ihren Kindern am Münchner Flughafen ausharren müssen, mehr als zwölf Stunden. Detailliert beschreibt S. in ihrem Schreiben an die Lufthansa, das dem Abendblatt vorliegt, wie der weitere Tag für die junge Familie verlief. Im Fokus immer wieder: das Lufthansa-Personal. „Statt auf Verständnis oder gar Mitgefühl zu stoßen, wurden wir unverschämt und unfreundlich behandelt“, so Sandra S.

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    Ein Mitarbeiter habe sie auf die Warteliste für einen früheren Flug nach Krakau gesetzt. Doch dieser habe, anders als ihr Flug, auf andere verspätete Passagiere gewartet, sodass an Bord kein Platz mehr für sie und ihre Familie gewesen sei. „Unsere verzweifelten Nachfragen wurden vom Lufthansa-Personal nicht ernst genommen“, sagt Sandra S. „Eine Hotelübernachtung in München wurde uns verweigert, die Fortsetzung der Reise per Bahn wurde ausgeschlossen, ein Mietwagen wurde uns nicht zur Verfügung gestellt und selbst die Möglichkeit, die Reise abzubrechen, wurde uns verwehrt“.

    Windeln und abgekochtes Wasser wurde knapp

    Aufgrund der unvorhergesehenen Verspätung seien Windeln und abgekochtes Wasser zur Zubereitung von Babynahrung knapp geworden. Außerdem habe es zunächst keinen Ort gegeben, an dem die Familie die Milchfläschchen hätte reinigen und sterilisieren können. „Das zeugt von einer erschütternden Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen der Passagiere, insbesondere, wenn Kinder oder Säuglinge betroffen sind.“

    Ein Anruf bei der Lufthansa-Hotline habe nichts gebracht. „Wir wurden abgewimmelt und an das Bodenpersonal verwiesen.“ Erst gegen 17 Uhr, mehr als fünf Stunden nach der Landung in München, habe die Familie die Möglichkeit bekommen, einen Raum zu betreten, der für allein reisende Kinder und Menschen mit körperlichen Einschränkungen gedacht ist. Doch dieser Raum sei von Lufthansa-Angestellten als Pausenraum genutzt worden. Dass dort nun eine Familie mit Kindern anwesend war, habe wohl vielen missfallen, so Sandra S. „Wir mussten uns mehrmals vor sehr unfreundlichem Personal rechtfertigen. Von einer Mitarbeiterin wurden wir lautstark und aggressiv angegangen.“

    Hamburger Familie erreichte ihr Urlaubsziel erst um 2 Uhr morgens

    Um 20 Uhr habe die Familie den Raum verlassen müssen, weil dieser geschlossen werden sollte. Die zwei Stunden bis zum geplanten Abflug musste die Familie wieder im Trubel des Flughafens verbringen. „Wir versuchten verzweifelt, den total übermüdeten Siebenjährigen bei Laune zu halten und uns die persönlichen Anstrengungen und die Strapazen nicht anmerken zu lassen“, sagt Sandra S.

    Wissenswertes zum Hamburger Flughafen

    • Der Hamburger Flughafen hat zwei Terminals und liegt nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt
    • Er wurde 1911 angelegt und ist der älteste durchgängig an einem Ort betriebene Flughafen in Deutschland
    • Das Gelände des Flughafens umfasst inzwischen eine Fläche von 570 Hektar
    • Seit 2008 kann man mit der S-Bahn zum Flughafen fahren: Dafür wurde eine eigene Teilstrecke gebaut, die von der S1 bedient wird. Die Züge werden an der Station Ohlsdorf geteilt – ein Teil der S-Bahn fährt weiter zum Airport, der andere weiter nach Poppenbüttel
    • Seit 2016 heißt der Flughaften offiziell Hamburg Airport Helmut Schmidt
    • 2019 flogen 71 Fluggesellschaften von und nach Hamburg, 127 Flughäfen gehörten zum Streckennetz
    • Vor dem Ausbruch des Coronavirus flogen jährlich mehr als 17 Millionen Passagiere vom Hamburger Flughafen ab oder kamen dort an
    • Der IATA-Code für Hamburg lautet HAM

    Der Abflug nach Krakau sei dann auch noch von 22 auf 23.30 Uhr verschoben worden, erst gegen 2 Uhr morgens habe die Familie ihre Unterkunft in Polen erreicht. „Wir waren körperlich und emotional völlig am Ende“, sagt Sandra S. Die Erlebnisse hätten den gesamten Aufenthalt in Krakau überschattet. Auch der Rückflug sei nicht frei von Pannen gewesen. Unter anderem sei der Buggy der Familie während des Fluges beschädigt worden.

    Lufthansa: Hamburger fordert Entschädigung – Airline reagiert nicht

    In ihrer Beschwerde an die Lufthansa forderte die junge Mutter eine Wiedergutmachung: eine Entschädigung für die Flugverspätung, die Erstattung der Flugpreise, Geld für die am Flughafen München entstandenen Kosten sowie für Ausgaben, die infolge der verspäteten Ankunft in Krakau entstanden seien – und eine Erstattung für den beschädigten Buggy: insgesamt rund 3000 Euro.

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    Die Rechte von Fluggästen sind in der EU-Verordnung 261/2004 festgehalten. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes können Fluggäste, die ihr Ziel mit mehr als drei Stunden Verspätung erreichen, eine pauschale Ausgleichszahlung erhalten, bemessen nach der Strecke zwischen Start und Ziel der Reise. Laut der Schlichtungsstelle Reise & Verkehr, die in Fällen wie dem von Sandra S. als Vermittlerin auftritt, beträgt diese Pauschale für Reisen mit einer Flugdistanz von bis zu 1500 Kilometern 250 Euro pro Person. Für die vierköpfige Familie entspräche dies also zumindest einer Summe von 1000 Euro.

    Das Abendblatt hat die Lufthansa mit den Vorwürfen von Sandra S. und ihrem konkreten Fall konfrontiert. Unter anderem wollten wir wissen, warum Sandra S. nicht erlaubt wurde, die Reise abzubrechen und auf Kosten der Lufthansa nach Hamburg zurückzureisen, ein Hotel zu nehmen oder per Bahn oder Mietwagen weiterzureisen. Auch stellten wir die Frage, warum bis heute nicht auf die Beschwerde von Sandra S. reagiert wurde und weshalb einige Flüge auf verspätete Passagiere warten, andere aber nicht.

    Trotz mehrfacher Nachfrage über einen Zeitraum von 14 Tagen antwortete die Fluggesellschaft auf Abendblatt-Anfrage nicht. Auch Sandra S. wartet weiterhin auf eine Reaktion der Lufthansa. Das ärgere sie besonders, sagt sie.