Hamburg. Bis zu acht Stunden Wartezeit. Weil sich die Abfertigung an den Terminals häufig verzögert, wandern Fuhrunternehmen in andere Häfen ab.

  • Spediteure alarmiert: Hamburgs Hafen zu langsam
  • Hafen verliert Spediteure an die Konkurrenz
  • Hamburger Hafen: Abläufe dauern zu lange

Ein Bürogebäude an der Wendenstraße. Im Konferenzraum im zweiten Stock blickt man nur in ernste Gesichter. Der Vorsitzende des Vereins Hamburger Spediteure, Axel Plaß, und der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Bremer Spediteure, Holger Schulz, reden über die Zukunft des Hamburger Hafens.

„Um die muss es schon besonders schlecht stehen, wenn beide Verbände gemeinsam auftreten“, sagt Plaß, der zusammen mit Schulz das Abendblatt zu einem Exklusivgespräch gebeten hat. Beide warnen davor, dass der Hafen dabei ist, einen seiner wichtigsten Gewerbezweige zu verlieren: die Speditionen. Grund seien massive Verzögerungen bei den Abfertigungen an den Terminals, die dazu führten, dass man Lkw und Güterbahnen im Nahverkehr des Hafens kaum mehr wirtschaftlich betreiben könne.

Spediteure kehren dem Hamburger Hafen den Rücken

„Wir haben immer gewarnt, dass die Terminals im Hamburger Hafen zu langsam sind und dass das nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Jetzt ist es geschehen. Ladung wandert massiv in andere Häfen ab. Der Exodus in Hamburg hat begonnen“, sagt Plaß, der sich bei einer Vorstandssitzung zuvor die Freigabe eingeholt hat, um das Abendblatt zu informieren.

Die Wartezeiten für die Anlieferung oder Abholung eines Containers an den Hafenterminals , dauerten viel zu lange und würden 2 bis vier Stunden betragen. Bei Zügen seien es bis zu acht Stunden. „Das ist zu viel bei nur 24 Stunden, die der Tag hat, um einen Lkw zu betreiben“, sagt Plaß. Weniger als 100 Euro bekomme man für eine Umfuhr.

Früher habe ein Lkw je nach Stausituation zwischen vier und sieben Umfuhren am Tag geschafft. „Man konnte also im Schnitt mit Einnahmen zwischen 500 und 600 Euro pro Fahrzeug rechnen. Das ist jetzt vorbei, weil die Fahrzeuge die meiste Zeit kein Geld verdienen, sondern mit Warten verbringen“, sagt Schulz, der zugleich Geschäftsführer der EKB Container Logistik mit Sitz in Bremen und Hamburg ist.

Spditeure: „Der Exodus im Hafen hat begonnen“

Der Vorwurf der Spediteure, die Terminals von Eurogate und HHLA würden ihre eigenen Probleme bei der Ladungsabfertigung auf die Spediteure abladen. „Wir sind Problemlöser. Das ist unser Job“, sagt Schulz. „Aber das geht nicht mehr.“

Vorn an der Kaikante bemühten sich die Betriebe, möglichst pünktlich die Schiffe zu beladen und zu löschen. „Die Terminals haben mit den Reedern feste Verträge. Und sie wissen, dass sie Strafzahlungen erwarten, wenn es zu Verzögerungen kommt.“

Spediteure
Sie sorgen sich um die Zukunft der Spediteure im Hafen: Holger Schulz, stellvertretender Vorsitzender des Vereins Bremer Spediteure, und Axel Plaß (l.), Vorsitzender des Vereins Hamburger Spediteure. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Im weiteren Ladungsverkehr mit Lkw und Bahn sei das anders, so Schulz. Dort komme es immer wieder zu Verzögerungen, etwa wegen Personalmangel oder aus anderen betriebsinternen Gründen. Und die Terminalbetreiber würden dabei keinen Cent verlieren. „Wenn die Container bei denen stehen bleiben, erhöhen sich die Erlöse für die Lagergelder, die die Firmen erheben. Die Bummelei bringt anderen Geld. Zahlen müssen wir das und unsere Kunden“, sagt Plaß.

Hafen: 2024 war an 23 Tagen gar keine Abfertigung möglich

Zwar haben HHLA und Eurogate in der Vergangenheit immer wieder mal auf Abfertigungsverzögerungen hingewiesen, diese aber als Einzelfälle abgetan. „Nur haben sich die Einzelfälle in den letzten Monaten so verdichtet, dass man von einem Dauerzustand sprechen muss“, so Plaß.

In diesem Jahr sei es bereits an 60 Tagen zu massiven Verzögerungen wegen Betriebsversammlungen oder Streiks gekommen. An 23 Tagen sei wegen Streiks gar keine Anlieferung möglich gewesen. Allein das habe beim Bahnumschlag zu Umsatzeinbußen von drei Millionen Euro geführt. Hinzu komme ein starker Personalmangel an den Terminals. „Und wenn man eine neue Betriebssoftware an einem Montagmorgen einsetzt, wenn schon abzusehen ist, dass diese nicht auf Anhieb reibungslos funktioniert, dann ist das auch nicht kundenfreundlich.“

Abfertigungssituation weiter angespannt? HHLA widerspricht

Geschehen ist dies Mitte September, als die Hafenbehörde Hamburg Port Authority ein neues Bahnverkehrsmanagementsystem in Betrieb nahm, woraufhin der Bahnverkehr im Hafen für mehrere Tage komplett zum Erliegen kam. Auch Tage nach der Behebung der Panne verzögerte sich der Bahnverkehr im Hafen noch um bis zu 19 Stunden.

Hamburg, Deutschland, Sattelschlepper warten vor dem Eurogate Containerterminal
Lkw warten vor dem Eurogate-Containerterminal im Hamburger Hafen. © picture alliance / Caro | Muhs

Auch jetzt sei die Abfertigungssituation an den Terminals wegen des hohen Aufkommens an Containern und Zügen angespannt, sagt Plaß, der hauptberuflich Geschäftsführer der Spedition Konrad Zippel ist.

Hamburger Hafen: Auch nachts gibt es lange Wartezeiten

Zwar wurde bereits 2017 ein sogenanntes Slotbuchungssystem eingeführt. Demzufolge erhalten Lkw ein festes Zeitfenster, einen Termin, zu dem sie ihre Container abholen oder bringen können. Doch häufig seien keine Slots zu erhalten. Der Verdacht der Spediteure: „Die Terminals richten die Ausgabe der Slots nicht an den Transportmengen aus, sondern an ihrer Personalstärke. Und da wird gespart. Deshalb gibt es häufig kaum Slots.“

Den Vorwurf der Terminals, diese würden 24 Stunden am Tag arbeiten, die Trucker aber nur tagsüber, will der Bremer Vereinsvorstand Schulz nicht gelten lassen: „Wir haben auch schon versucht, nachts um 3 Uhr einen Container abzuliefern, und mussten drei Stunden warten.“ In Bremerhaven gebe es ab und an auch Probleme, aber nicht so gehäuft wie in Hamburg.

Zahlreiche Unternehmen ziehen sich aus Hamburg zurück

Deshalb würden immer mehr Fuhrunternehmen den Hamburger Hafen meiden und auf Bremerhaven, Rotterdam und Antwerpen ausweichen oder ihr Geschäft in Hamburg reduzieren bzw. ganz aufgeben. Die Liste der Unternehmen ist lang. Die Firma Sitra hat sich mit etwa 100 Lastwagen aus dem Containergeschäft zurückgezogen. Gleiches gilt für ACL, ILF, Coil, Voigt – alles Unternehmen, die im Hamburger Hafen sogenannte Containerumfuhren geleistet haben. Dabei dürften noch einmal 130 Lkw weggefallen sein.

Die Firma Liermann hat ihr Geschäft komplett aufgegeben, das sind weitere 50 Lkw weniger. Die Spedition Zippel hat zudem 50 Laster aus dem Nahverkehr in den Fernverkehr umgeleitet. Plaß: „Der Aderlass ist jetzt schon gravierend.“

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Zippel ist auch im Bahntransport im Hamburger Hafen stark vertreten. Auch hier führen die Verzögerungen zu erheblichen Mehrkosten. „Entweder wir verzichten auf verspätete Ladung, weil wir unsere gebuchte Bahntrasse einhalten wollen, oder wir warten auf die letzten Wagen, kommen verspätet weg und müssen zu überhöhten Preisen völlig neue Trassen buchen“, so Plaß.

Auch die Spedition Zippel hat inzwischen reagiert und die Zahl ihrer Bahntragwagen um 100 reduziert. Die HHLA sieht das anders. Derzeit laufe alles normal, heißt es. „Die Lkw-Abfertigung an den HHLA-Containerterminals in Hamburg läuft ohne Einschränkungen. Es werden aktuell zudem mehr Slots angeboten, als vom Markt abgefordert“, sagte eine Sprecherin. Die durchschnittliche Durchlaufzeit der Lkw habe von Januar bis Oktober bei 25 bis 40 Minuten je nach Terminal betragen.

Dennoch räumt die HHLA-Sprecherin ein, dass es zu Wartezeiten kommen kann: „Sollte es in der Bahnabfertigung an den Terminals durch eine erhöhte Lagerauslastung dennoch zu Verzögerungen kommen, werden diese durch entsprechende Maßnahmen wie Sonderschichten innerhalb weniger Tage aufgearbeitet.“ Grundsätzlich stünden die HHLA-Terminals im engen Austausch mit den Unternehmen und hielten diese über die aktuellen Entwicklungen transparent auf dem Laufenden.