Hamburg. Cremen statt kratzen: Gründer von Itchy Monsters wollen Familien mit einer App entlasten. Was ihre Idee mit Pokémon zu tun hat.

Die Haut juckt und brennt – Neurodermitis ist für die Betroffenen, oft Kinder und Säuglinge, extrem unangenehm. Um den Juckreiz zu lindern, hilft oft schon ein regelmäßiges Eincremen mit einer ganz normalen Pflegecreme. „Für Kinder ist das langweilig und sie verstehen nicht, warum das Eincremen wichtig ist. Für Eltern wird es so zu einer echten Herausforderung“, sagt Lisanne Drerup, Hautärztin aus Hamburg.

Gemeinsam mit Daniel Voigt und David Dickopf hat die 33-Jährige deshalb eine App entwickelt, die Kinder mit Neurodermitis und ihren Eltern im Alltag helfen soll. Die Idee: „Wir wollen etwas Sinnvolles mit Spaß verbinden“, sagt Drerup. Mit ihrer App Itchy Monsters soll das tägliche Eincremen für die Kinder von der lästigen Pflicht zu einem spaßigen Erlebnis werden.

Hamburger Gründer entwickeln App, um Kindern mit Neurodermitis zu helfen

Laut der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft leiden mehr als zehn Prozent aller Kinder unter Neurodermitits. Es ist eine der häufigsten Hautkrankheiten in Deutschland. „Bei Neurodermitis ist die Hautbarriere gestört. Die Haut trocknet aus, ist gereizt, juckt, schuppt und entzündet sich leicht, vor allem wenn die Betroffenen kratzen“, sagt Drerup. „Die Haut ist wie eine Mauer, bei der der Mörtel fehlt. Sie kann ihre Schutzfunktion nicht erfüllen und ist nur schlecht gegen äußere Einflüsse geschützt.“

Durch bestimmte Faktoren könnten Schübe ausgelöst werden, die zu verstärktem Juckreiz führten, sagt die Hautärztin. Meist gehen die Beschwerden mit dem Erwachsenwerden zurück, teilweise verschwinden sie sogar völlig. Nur bei einem Drittel der Betroffenen bildet sich auch im Erwachsenenalter noch das sogenannte atopische Ekzem aus.

Gründer bringen medizinische Expertise und Gründererfahrung mit

Nicht nur für die betroffenen Kinder ist Neurodermitis eine Belastung. „Das tägliche Eincremen kann für Eltern sehr stressig werden, wenn die Kinder nicht mitmachen“, sagt Drerup. Aus ihren Erfahrungen aus der Praxis sei die Idee entstanden, Kindern das Thema spielerisch näherzubringen und sie so zu motivieren.

Mit Daniel Voigt hat die Gründerin und ärztliche Leiterin Verstärkung im Team. Voigt ist Geschäftsführer des jungen Unternehmens MonsterShack, das hinter der App steckt, hat sich im Berufsleben bereits mit Motivationsprozessen beschäftigt und bringt zudem einige Gründungserfahrungen mit. Dritter im Bunde ist David Dickopf, verantwortlich für die technische Umsetzung.

Cremen statt kratzen: App soll gesundheitsbewusstes Verhalten fördern

Ziel des Teams sei es, gesundheitsbewusstes Verhalten von Kindern zu fördern, sagt Voigt. Geplant sei etwa eine Variante der App, die Kinder motivieren soll, Sonnenschutzcreme zu nutzen. „Die Anwendungsmöglichkeiten für das Grundkonzept sind vielfältig, beispielsweise Zähneputzen, gesunde Ernährung, Bewegung“, so Voigt.

Aber wie soll sie denn nun funktionieren, die Itchy-Monsters-App? „Am Anfang sucht sich jedes Kind ein Monster-Ei aus, aus dem dann eines von aktuell elf Monstern schlüpft“, sagt Voigt. „Wenn die Kinder sich und die Monster in der App eingecremt haben und dies in der App durch die Eltern bestätigt wurde, wird als Belohnung eine kurze Videosequenz mit der Weiterentwicklung des Monsters abgespielt.“ Pro Monster gibt es derzeit sieben Entwicklungsstufen.

Wie Pokémon und Tamagotchi: Sammeln als Motivation fürs Eincremen

Die Ähnlichkeit zu Sammelkarten wie Pokémon und digitalen Spielzeugen wie dem Tamagotchi ist kein Zufall. „Wir sind mit diesen Sachen aufgewachsen, deshalb war das unser Anknüpfungspunkt. Denn solche Sammelobjekte sind bei Kindern nach wie vor beliebt“, sagt Voigt. Ziel sei es, die App nach und nach zu einem Abenteuerspiel auszubauen. Die App soll am Montag, dem 14. Oktober, in den App-Stores hochgeladen werden und nach wenigen Tagen zum Herunterladen verfügbar sein.

Für die Eltern ist eine Tagebuch-Funktion in der App geplant. „Bei Neurodermitis geht es immer um die Frage, woher die Schübe kommen“, sagt Lisanne Drerup. „Die Antwort liegt häufig in bestimmten Nahrungsmitteln, Infekten, bestimmten Kleidungsstücken und Umwelteinflüssen.“ In dem Tagebuch könnten die Eltern die Erkrankung ihrer Kinder dokumentieren.

Neurodermitis: Hamburger App soll Kindern und Eltern helfen

Aus den Einträgen über Hautzustand, Juckreiz und Beeinträchtigung im Alltag werde ein Punktestand errechnet, der die Informationen über die Neurodermitis bündele, sodass Ärzte ein besseres Bild vom Krankheitsverlauf erhalten. „Auf Grundlage dieser Informationen können die Hautärzte dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Therapieempfehlung geben“, sagt Drerup. Sensible Daten würden aber nicht gesammelt, versichern die Gründer.

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Ziel sei es, die App als digitale Gesundheitsanwendung zertifizieren zu lassen. Auch, weil etwaige Kosten für die Nutzer der Anwendung dann von den Krankenkassen getragen würden, so Voigt. Außerdem seien Kooperationen mit Patientenverbänden und Krankenkassen geplant. Zu Anfang solle die App aber für alle kostenlos sein. „Wir überlegen, irgendwann eine Art Abo-Modell einzuführen, für 5 oder 6 Euro im Monat.“ Denkbar seien auch Kooperationen mit Herstellern von Pflegecremes.

Neurodermitis-App Itchy Monsters: Hamburger Gründer haben viele Pläne

40.000 Euro seien bisher in die technische Entwicklung des Produktes geflossen, sagt Voigt. Die Gründer finanzieren das Produkt nach eigenen Angaben selbst und würden durch das InnoFounder-Programm der Hamburgischen Investitions- und Förderbank IFB gefödert. Ein Ausbau der Funktionen der App, etwa durch eine KI-Erweiterung und Augmented-Reality-Elemente, bei denen die Monster auf dem Bildschirm Teil der echten Welt werden, werde deutlich mehr Kapital benötigen, sagt Voigt.

„Im ersten Schritt geht es darum, zu schauen, ob wir alle Bedürfnisse der Nutzer abdecken. Wir wollen wissen: Was gefällt euch, was fehlt euch und wie können wir die Anwendung weiter verbessern“, sagt der Gründer. Mitte oder Ende 2025 solle dann die Entwicklung des Abenteuerspiels abgeschlossen sein. Dann können die Kinder das ganze „Itchyversum“ erkunden.