Hamburg. Trotz EM haben die Deutschen weniger Bier getrunken. Eine Ausnahme war „1. Liga“-Astra zum St.-Pauli-Aufstieg. Was daraus jetzt wird.

Im Mai war eigentlich alles angerichtet: Bombenwetter, halb Hamburg nach dem Aufstieg des FC St. Pauli im Astra-Rausch und die Fußball-Europameisterschaft mit Zehntausenden trinkfesten Fans aus England, Schottland und anderen Ländern noch vor der Tür – das konnte nur ein Super-Jahr für Brauereien werden. „2024 könnte Bier sein Comeback feiern“, sagte Simon Mosegaard Fibiger, Chef von Carlsberg Deutschland, damals im Gespräch mit dem Abendblatt.

Doch während der Bier-Absatz sowohl bundesweit als auch beim dänischen Mutterkonzern der Hamburger Marken Holsten und Astra in den ersten Monaten des Jahres noch zugenommen hatte, brachte die eigentliche Hauptsaison mit dem Sommer und der EM statt des erhofften weiteren Aufschwungs genau das Gegenteil: einen Einbruch des Bierabsatzes.

Biermarkt schrumpft – so läuft es bei Astra, Holsten und Lübzer

„Im Juni dieses Jahres lag der Absatz in Deutschland sogar deutlich unter dem Niveau von 2023“, schreibt das Finanz-Themenportal Blockbuilders in einer Analyse des deutschen Biermarkts. Ein Hauptgrund dürfte das ungewöhnlich nasskalte Wetter gewesen sein, das sogar den Fußballfans die Lust auf ein kühles Blondes nahm.

In der Holsten-Brauerei in Hamburg-Hausbruch wird auch das Bier des dänischen Mutterkonzerns Carlsberg abgefüllt.
In der Holsten-Brauerei in Hamburg-Hausbruch wird auch das Bier des dänischen Mutterkonzerns Carlsberg abgefüllt. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Da machte die Holsten-Brauerei in Hausbruch keine Ausnahme: „Der Sommer war dieses Jahr – vor allem zu Beginn – recht launisch, weshalb wir wie andere Brauereien auch leider keinen messbaren EM-Effekt verzeichnen konnten“, sagte Linda Hasselmann, Sprecherin von Carlsberg Deutschland, auf Abendblatt-Anfrage. „So waren die Märkte, auch wetterbedingt, sowohl im Juni als auch im Juli im Vergleich zur Vorjahresperiode rückläufig.“ Mit anderen Worten: Statt mehr wurde weniger Bier verkauft.

Neues Bier „1664 Blanc“ verkauft sich in Großstädten gut

Immerhin: „Seit August sehen wir aber wieder einen klaren Aufwind“, sagte Hasselmann. Zu diesem tragen zum einen neue Marken wie „1664 Blanc“ bei. Dieses Bier der französischen Brauerei Kronenbourg hat außer einem auffallenden Design – blaue Flasche mit einem weißen Hals und weißem Kronkorken – eine ungewöhnliche Citrus-Note zu bieten, die Pils-Liebhaber als gewöhnungsbedürftig wahrnehmen dürften.

Die Kunden sind aber offensichtlich auf den Geschmack gekommen, denn bei Carslberg ist man mit dem Deutschland-Start des Produkts, das seit Anfang des Jahres bei Holsten in Hamburg abgefüllt wird, „sehr zufrieden“, so Hasselman. „Erwartungsgemäß findet dieses besondere Bier vor allem in Großstädten, in denen Konsumentinnen und Konsumenten besonders offen für Trends und Innovationen sind, sehr großen Anklang“, so die Carlsberg-Sprecherin.

Holsten-Brauerei: Trend zu alkoholfreiem Bier hält weiter an

Dementsprechend plane man bereits die nächsten Schritte, so Hasselmann. Carlsberg-Chef Simon Mosegaard Fibiger hatte auf diesen Effekt gehofft: „Junge Menschen sind nicht auf eine Biermarke fixiert, sondern bereit, Neues auszuprobieren und eventuell auch etwas mehr dafür zu bezahlen“, hatte er im Abendblatt-Gespräch gesagt.

Optisch ein Hingucker: Die blauen Flaschen der Marke „1664 blanc“ sind das Erkennungsmerkmal der Lifestyle-Marke, in die Carlsberg-Deutschland-Chef Simon Mosegaard Fibiger große Hoffnungen setzt.
Optisch ein Hingucker: Die blauen Flaschen der Marke „1664 blanc“ sind das Erkennungsmerkmal der Lifestyle-Marke, in die Carlsberg-Deutschland-Chef Simon Mosegaard Fibiger große Hoffnungen setzt. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Der zweite Trend, von dem auch die Holsten-Brauerei und ihre dänische Mutter profitieren, ist der zu alkoholfreiem Bier. Laut der Blockbuilders-Analyse wurde 2023 in der EU zwar fünf Prozent weniger traditionelles Bier gebraut als im Vorjahr, doch gleichzeitig sei der Absatz von alkoholfreiem Bier um 13,5 Prozent angestiegen.

Alkoholfreies Bier ist das am stärksten wachsende Segment

Das beobachtet man auch bei Carlsberg: Der Trend zu alkoholfreien Bieren habe sich 2024 sogar noch verstärkt, allein von Januar bis August sei der Absatz in der Branche um 9,8 Prozent gewachsen, berichtete die Sprecherin. Damit seien die in der Regel an blauen Etiketten zu erkennenden Sorten „das am stärksten wachsende Segment im deutschen Biermarkt“, so Hasselmann. „Bei Carlsberg machen alkoholfreie Produkte inzwischen schon mehr als fünf Prozent des Gesamtabsatzes aus – Tendenz steigend.“

Besonders Lübzer als größte Marke im Carlsberg-Portfolio profitiere von diesem Trend. Kein Wunder: Von dem Bier aus Mecklenburg-Vorpommern gibt es allein vier alkoholfreie Varianten, darunter drei Naturradler mit den Geschmacksrichtungen Grapefruit, Rhabarber und Zitrone. Auch die Marken Carlsberg, Holsten und Wernesgrüner haben jeweils eine Variante ohne Alkohol im Angebot.

Bier Hamburg: Astra setzt auf Alkohol und den FC St. Pauli

Beim Astra-Anhang kam das hingegen nicht an, dort geht der Trend eher in die andere Richtung. Während der 2022 gestartete Versuch, mit „Astra Granate Energy 0,0“ erstmals eine alkoholfreie Version des Kiezbieres zu etablieren, Anfang dieses Jahres wieder beendet wurde, behaupten sich die Starkbier-Varianten „Rotlicht“ und „Rakete“ seit Jahren. Zudem kam vor einigen Monaten „Kleine Freiheit“ dazu: ein Helles von Astra mit 5,1 Prozent Alkohol, minimal mehr als das klassische Urtyp (4,9 Prozent).

Carlsberg-Deutschland-Chef Simon Mosegaard Fibiger an der Abfüllung des Bieres „1664 Blanc“ in der Holsten-Brauerei in Hausbruch. Er ist mit dem Start des neuen Produkts zufrieden.
Carlsberg-Deutschland-Chef Simon Mosegaard Fibiger an der Abfüllung des Bieres „1664 Blanc“ in der Holsten-Brauerei in Hausbruch. Er ist mit dem Start des neuen Produkts zufrieden. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Der Renner war zuletzt ohnehin eine andere Variante: Nach dem Aufstieg des von Astra gesponserten FC St. Pauli hatten die Carlsberg-Strategen die klassische Urtyp-Knolle mit dem Etikett „1. Liga. Was dagegen?“ überklebt. Die eigentlich auf 3000 Stück limitierte Edition erfreute sich aber so großer Beliebtheit, dass seit Mitte August alle Urtyp-Flaschen und 0,5-Liter-Dosen mit diesem Etikett ausgestattet wurden.

Bier Hamburg: Astra „1. Liga. Was dagegen?“ läuft bald aus

„Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit der Aktion, die viele begeisterte Reaktionen und Käufe hervorgerufen hat“, sagte Linda Hasselmann. Konkrete Verkaufszahlen könne man dazu zwar nicht nennen, da die Aktion noch laufe. Aber nun sei man „in den letzten Produktionszügen“, so die Carlsberg-Sprecherin. Bald werde es Astra wieder mit dem „normalen“ Etikett geben – das allerdings auch vom Totenkopf-Logo des FC St. Pauli inspiriert ist.

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Trotz solcher Highlights haben es die Brauereien bei Anlegern derzeit schwer. Der Blockbuilders-Analyse zufolge bleibt die Bierbranche deutlich hinter den positiven Entwicklungen der Aktienmärkte zurück. Während diese zulegten, habe ein Korb aus neun globalen Bierunternehmen seit Jahresbeginn sieben Prozent an Wert eingebüßt. Die Aktie von Carlsberg, dem weltweit viertgrößten Brauereikonzern, gab sogar noch deutlicher nach.

Bierbranche leidet unter hohen Kosten und Rohstoffknappheit

„Verschiedene Faktoren belasten die Bierbranche“, heißt es in der Analyse. „Zum einen steigen die Produktionskosten aufgrund von Rohstoffknappheit und Problemen in den Lieferketten. Zum anderen ändert sich das Verbraucherverhalten: Die Konsumenten wenden sich von Massenbiermarken ab und greifen verstärkt zu alternativen Getränken wie Cocktails.“ Der Trend zu alkoholfreiem Bier sei dagegen „ein Lichtblick für die Brauer, der Umsatzverluste abfedern könnte“.