Hamburg. Die „geilste Mannschaft der Welt“ und ihr Sponsor – das ist wie eine alte Ehe. Was der dänische Brauerei-Chef jetzt alles plant.
Sport-Sponsoring ist ja im Prinzip ein nüchternes Geschäft. Der eine Partner gibt das Geld, der andere seinen Namen, sein Gesicht, sein Image. Im Idealfall färbt das positiv auf das Produkt des Geldgebers ab. Funktioniert oft gut, manchmal nicht. Dann trennt man sich und sucht sich neue Partner. Bei Astra und dem FC St. Pauli ist so eine Trennung kaum noch vorstellbar. Das Bier und der Fußballclub, das ist wie Yin und Yang, wie eine alte Ehe mit ihren Aufs und Abs.
Gerade geht’s in Höhen, die man lange nicht erklommen hat: Mit dem
Aufstieg in die Fußball-Bundesliga
ist nicht nur der Kiez-Club erstmals seit 13 Jahren wieder erstklassig, sondern das Kiez-Bier bekommt auch erstklassige Werbung: Der erste Freudenschluck des Trainers Fabian Hürzeler, die obligatorische Bierdusche, die Feiern im und rund ums Stadion – die braune Knolle und das Ankerherz-Symbol dominieren auf St. Pauli. Alles hunderttausendfach in die Wohnzimmer gesendet, auf Papier gedruckt und millionenfach im Netz verbreitet. Aus Sponsorensicht: unbezahlbar.
Brauerei-Chef erlebte St. Paulis Aufstieg im Stadion: „Super Erlebnis“
Entsprechend gut gelaunt ist auch Simon Mosegaard Fibiger. Der Däne ist vergangenes Jahr zum Vorstandschef von Carlsberg Deutschland aufgestiegen und durfte jetzt gleich den nächsten Aufstieg feiern. Beim entscheidenden Spiel gegen Osnabrück war er natürlich im Stadion: „Ein super Erlebnis – vor allem, als die Fans nach dem Schlusspfiff den Rasen gestürmt haben“, sagt er. Zum Treffen in der Holsten-Brauerei in Hausbruch hat er zwei Knollen aus der Sonderedition „1. Liga“ mitgebracht, fürs Foto...
Normalerweise sei er bei den Spielen vor allem vor Ort, um Geschäftskunden zu betreuen, erzählt der 39-Jährige. „Aber mittlerweile bin ich selbst ein Fan und gehe auch mal mit der Familie ins Stadion“, so der Vater von vier Kindern, der sich auch gern mit einem Satz zitieren lässt, der eigentlich aus der Carlsberg-PR-Abteilung stammt: „Wir gratulieren der Ersten Liga zur geilsten Mannschaft der Welt!“
Der Erfolg von Astra hängt auch mit den Erfolgen des FC St. Pauli zusammen
Die Euphorie kommt nicht von ungefähr. Denn von den vielen Biermarken, die der Konzern in seiner Brauerei in Hamburg abfüllt, ist Astra die wohl derzeit heißeste Aktie – und das hängt auch mit den Erfolgen des FC St. Pauli zusammen. „Das merken wir sofort“, sagt Mosegaard Fibiger. „Mit zunehmender Aufstiegseuphorie gab es erheblich mehr Bestellungen aus der Hamburger Gastronomie.“
Damit setzt sich ein Trend fort, der schon vor 25 Jahren mit der inzwischen legendären Kampagne „Astra. Was dagegen?“ eingeleitet wurde. Allein in den zurückliegenden sechs Jahren sei die Marke um mehr als 40 Prozent gewachsen und liege nun fast gleichauf mit der einst viel größeren Konkurrenz aus Altona, berichtet der Carlsberg-Chef. Je rund 50 Millionen Liter Holsten und Astra würden pro Jahr in der vor fünf Jahren eröffneten, hochmodernen Brauerei in Hausbruch abgefüllt.
Neue Sorten wie „Kleine Freiheit“ machen Astra bei jungen Leuten beliebt
Dass Astra sich in einem schrumpfenden Biermarkt derart gut behauptet, sei aber auch den vielen Innovationen zu verdanken, betont Mosegaard Fibiger: Neben dem klassischen Urtyp wurden passend zur Inszenierung als Kiez-Bier neue Sorten wie „Rotlicht“, „Rakete“ (mit Vodka-Aroma), „Kiezmische“ (Alsterwasser) und zuletzt „Kleine Freiheit“ (Helles) herausgebracht, die vor allem bei jungen Leuten ankommen. „Junge Menschen sind nicht auf eine Biermarke fixiert, sondern bereit, Neues auszuprobieren und eventuell auch etwas mehr dafür zu bezahlen“, sagt der Brauerei-Chef. „Das ist für uns eine Chance, in dem hart umkämpften deutschen Biermarkt zu wachsen.“
Eine coole Kampagne, neue Sorten und dazu ein perfekter Werbeträger, der gerade von Erfolg zu Erfolg durch die Republik tourt – so wurde aus dem einst als „Maurer-Brause“ verpönten Astra eine auch bundesweit angesagte Biermarke. Die Partnerschaft mit dem FC St. Pauli sei eine in der schnelllebigen Fußballwelt „einzigartige Ehe“, so Mosegaard Fibiger. „Ohne Ende in Sicht.“ Wobei: 2031 läuft der Sponsorenvertrag aus. Wer weiß, was dann ist.
Von „1. Liga“ bis „Aufstiegsrasen“ – Carlsberg nutzt die Gunst der Stunde
Daher nutzen die Carlsberg-Strategen die Gunst der Stunde und brennen jetzt ein Feuerwerk ab wie die „Boys in brown“ über weite Strecken der Saison: Vor dem Kick gegen Osnabrück wurde die Astra-Knolle mit limitiertem „1. Liga“-Sonderetikett präsentiert, nach geglückter Mission wurde „Aufstiegsrasen“ gebraut, ein auf 3000 Liter limitiertes Bier mit 30 Kilogramm Grün vom Millerntor (kein Scherz). Und natürlich „unterstützt“ Astra auch die Feierlichkeiten am Montag mit Empfang im Rathaus und anschließender Party auf dem Kiez.
Selbstverständlich liegen dem ganzen Brimborium handfeste wirtschaftliche Interessen auf beiden Seiten zugrunde. Dennoch hat die Liaison auch so etwas wie einen historischen Kern. Denn Astra wurde jahrzehntelang von der Bavaria-St. Pauli-Brauerei gebraut, nur einen Steinwurf vom Millerntor-Stadion entfernt. Die Nähe von Stadtteil-Bier und Stadtteil-Club war schon da, lange bevor daraus vor 40 Jahren eine offizielle Partnerschaft wurde.
Als der FC St. Pauli fast Pleite war, half Astra – heute profitiert das Bier vom Club
Vielleicht konnte sie nur auf dieser Basis so viele beiderseitige Zumutungen aushalten. Nach dem Höhenflug Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre, als der FC St. Pauli zum bislang einzigen Mal drei Jahre am Stück erstklassig war, musste der Sponsor mit ansehen, wie es nach einigen Aufs und Abs immer weiter runterging und der Kiez-Club schließlich in der dritten Liga um seine Existenz kämpfte. Doch die Partnerschaft hielt: Als 2001 der Trikotsponsor hinwarf, sprang Astra ein. Und 2003 trug die Brauerei mit der Aktion „Astra trinken – St. Pauli retten“ dazu bei, den Verein vor der Pleite zu retten. Heute gehört die Biermarke zum „Herz von St. Pauli“, einer Sponsorengruppe unterhalb des Hauptsponsors Congstar.
Auf der anderen Seite ging es ähnlich lebhaft zu: 1990 wurde die Bavaria-St. Pauli-Brauerei an die Brau und Brunnen AG verkauft, die 1997 beschloss, den Hamburger Standort dichtzumachen. Um das zu verhindern, erwarb die Stadt die Brauerei und reichte sie 1998 an Holsten weiter. Ausgerechnet der damalige HSV-Sponsor wurde damit Eigentümer der Kiez-Marke Astra. Das hatte zwei gravierende Folgen. Die positive war die „Was dagegen?“-Kampagne, die dem Bier das Image verpasste, von dem es bis heute zehrt.
Mittlerweile wird Astra bei Holsten gebraut, das wiederum zu Carlsberg gehört
Die negative: 2003 schloss die Brauerei den Standort auf St. Pauli und gab ihn zum Abriss frei. Seitdem stehen dort drei Hochhäuser, und Astra wird bei Holsten gebraut, das 2004 seinerseits vom dänischen Konzern Carlsberg übernommen wurde und sein Gelände später ebenfalls räumen musste. 2019 zog man von Altona in die neue Brauerei in Hausbruch um.
Auch für den FC St. Pauli hätte es also einige Anlässe gegeben, die Partnerschaft zu beenden – doch man blieb sich treu. Heute ist das Verhältnis inniger denn je. Längst hat das Totenkopf-Logo des Fußballvereins die Etiketten der Knolle geentert, und mancher fragt sich womöglich, wer hier wen sponsert. „Astra und den FC St. Pauli verbindet der gleiche Wertekanon: Echter Kiez statt purer Kommerz sowie Herz und Herzanker am richtigen, nicht rechten Fleck“, heißt es politisch korrekt aus der Carlsberg-Zentrale.
Mixgetränke sowie leichtes und alkoholfreies Bier sind auf dem Vormarsch
Dabei passt das typisch norddeutsche Bier mit seinem leicht herben Geschmack eigentlich gar nicht mehr in die Zeit. Der Absatz solcher Biersorten geht bundesweit zurück, stattdessen sind leichte Marken, Mixgetränke und alkoholfreies Bier auf dem Vormarsch – auch daher hat Carlsberg der Marke Astra Urtyp Sorten wie „Kiezmische“, „Rakete“ und „Kleine Freiheit“ zur Seite gestellt. Sie machen inzwischen rund 50 Prozent des Marken-Umsatzes aus.
Seit einigen Wochen wird diese Strategie um eine weitere Neuheit erweitert: „1664 Blanc“ rattert an diesem Freitag in Hausbruch kistenweise über das Band. Ein französisches Bier, noch dazu in blauen Flaschen und einem geradezu aristokratisch-weißen Etikett, abgefüllt in einer Hamburger Brauerei, deren Umpackanlagen (für Six-Packs) nach den lokalen Fußballgrößen „Uwe“ und „Stani“ benannt sind – wie kam es dazu?
Von Hamburg soll „1664 Blanc“ als Lifestyle-Bier Deutschland erobern
Ganz einfach: „1664 Blanc“ kommt aus der französischen Brauerei Kronenbourg, die wiederum zu Carlsberg gehört. Und da die Dänen diese Biersorte in vielen Ländern erfolgreich als besonders „stylish“ positioniert haben, wollen sie das Konzept nun auch auf Deutschland ausdehnen – von Hamburg aus. „,1664 Blanc‘ ist ein Lifestyle-Bier, welches wie eine Modemarke vermarktet wird“, heißt es dazu.
Ob „der milde Geschmack mit erfrischendem Citrus-Twist“ sich hierzulande durchsetzt, bleibt abzuwarten. Simon Mosegaard Fibiger ist jedenfalls optimistisch für den Biermarkt: „2024 könnte Bier sein Comeback feiern. In den ersten Monaten hat der Absatz schon zugenommen, und die Hauptsaison mit der Europameisterschaft kommt ja erst noch“, sagt der Carlsberg-Chef. „Aber wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir auch weiter mit Innovationen auf den Markt kommen und uns neue Zielgruppen erschließen.“
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Für Astra und den FC St. Pauli sind ja noch etliche Neuerungen denkbar – von „Klassenerhalt“ bis „Champions League“. Vor dem letzten Saisonspiel am Sonntag bleibt es aber bei der aktuellen Sonderedition „1. Liga“. Der „Aufstiegsrasen“ ist schon ausverkauft.