Hamburg. Nach schwierigen Jahren ist Wilhelmsburgs „Kulturbrauerei“ wieder auf Erfolgskurs. Was zum runden Geburtstag am Wochenende geplant ist.

Es zischt, brummt und klirrt in der großen Halle, die das Wildwuchs Brauwerk sein Zuhause nennt. In der Brauerei herrscht geschäftiges Treiben: Ein Mitarbeiter füllt Flaschen in Kisten, ein anderer klebt Kartons zu. Das Wildwuchs-Team hat dieser Tage viel zu tun, denn am Wochenende soll in den Räumlichkeiten in einem Wilhelmsburger Industriegebiet zwischen den großen Edelstahltanks gefeiert werden.

Der Anlass: zehn Jahre Wildwuchs Brauwerk. Zehn Jahre, in denen die Brauerei sich stetig vergrößert hat, in denen die Braumeister um Gründer Friedrich Carl Richard, genannt Fiete, Matthies sich immer neue Bierkreationen ausgedacht haben. 22 Sorten umfasst das Sortiment der Bio-Brauerei mittlerweile. Alles wird vor Ort in Wilhelmsburg gemacht, möglichst nachhaltig. Die Zutaten sind regional und bio. Das Brauwerk ist Bioland-Partner, die Produkte tragen das Bio-Siegel der EU.

Hamburger Brauerei: Wildwuchs aus Wilhelmsburg feiert zehn Jahre

In Wilhelmsburg hat das Brauwerk eine Heimat gefunden, die zum Unternehmen passt. „Wilhelmsburg ist ein bunter, kreativer Stadtteil, deshalb sind wir hier genau richtig“, sagt Jule Matthies, Ehefrau des Gründers und zuständig für Veranstaltungen und Marketing. „Wir wollten immer eine Brauerei zum Anfassen sein, das haben wir geschafft.“ Das Brauwerk sei eine „Kulturbrauerei“ geworden, sagt sie. Es gibt Konzerte, Hoffeste, sogar Yoga auf dem Gelände.

„Wir wollten immer eine Brauerei zum Anfassen sein.“

Jule Matthies
Wildwuchs Brauwerk

Bis dahin war es ein weiter Weg. „Bei der Gründung 2014 hatten wir noch gar keine eigene Brauerei“, erzählt Fiete Matthies. „Wir haben in einem Gasthaus in Bleckede angefangen zu brauen, erst mit einem Biertank, dann mit vier.“ Der Platz wurde knapp. Nach einer Station in Dänemark und jahrelanger Suche nach einem geeigneten Standort war schließlich der Platz am Jaffe-Davids-Kanal gefunden.

Corona- und Ukraine-Krise machten der kleinen Brauerei zu schaffen

2019 wurde offiziell Eröffnung gefeiert. „Das passt alles. Zehn Jahre Wildwuchs, fünf Jahre Wilhelmsburg“, sagt Fiete Matthies. Im Vorraum der großen Brauhalle richtete das Team der „ersten Bio-Brauerei Hamburgs“ einen Schankraum ein, rustikal in Holz gehalten, liebevoll dekoriert. Doch dieser musste schon ein Jahr später wieder geschlossen werden – Corona.

In den Tanks in der Wilhelmsburger Wildwuchs Brauerei entstehen Sorten wie das Fastmoker Pils, das Schlanke Lager, aber auch ungewöhnliche Biere beispielsweise mit Brot, Kräutern oder Kaffee.
In den Tanks in der Wilhelmsburger Wildwuchs Brauerei entstehen Sorten wie das Fastmoker Pils, das Schlanke Lager, aber auch ungewöhnliche Biere beispielsweise mit Brot, Kräutern oder Kaffee. © Mark Sandten | Mark Sandten

Auf Krise folgte Krise. Der Ukraine-Krieg, die gestiegenen Kosten und die hohen Energiepreise machten dem kleinen Familienbetrieb zu schaffen. Aber: Es geht bergauf. Der Schankraum ist wieder offen. Und: „Dieses Jahr läuft zum ersten Mal ohne größere Probleme“, sagt Matthies. 2000 Hektoliter Bier dürfte das Wildwuchs Brauwerk dieses Jahr ausliefern, das sind rund 500 Hektoliter mehr als 2022. Der Überschuss, den das Unternehmen erwirtschafte, werde wieder in die Brauerei gesteckt, so der Gründer.

Hamburger Wildwuchs Brauwerk will weiterwachsen

Denn: Man wolle weiterwachsen. „Nicht so sehr, was die Kapazität angeht, eher in Sachen Effizienz“, sagt Fiete Matthies. „Wir wollen schauen, dass wir unsere Spezialsorten schneller abverkauft kriegen.“ Abnehmer findet die Wilhelmsburger Brauerei vor allem in der Gastronomie. Partner sind zum Beispiel die Hobenköök, das Cloud 1, das Zollenspieker Fährhaus.

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Etwa 50 Prozent des Absatzes ist Fassbier, der Rest wird als Flaschen verkauft, in lokalen Super- und Biomärkten oder über den Online-Shop. „Der Anteil ist aber eher gering. Den Shop haben wir in der Corona-Zeit aufgebaut. Zu dem Zeitpunkt war das eine echte Hilfe“, sagt Matthias. Zwischen 1,99 und 2,49 Euro kosten die Biere dort, eine Kiste gibt es für 47,50 bis 59,50 Euro.

Hamburger Bier mit Ingwer, Brot und Koriandersamen

Trotz der großen Sortenvielfalt, einige besondere Biere gibt es nicht das ganze Jahr. „Die Saisonbiere sind immer sehr beliebt, da warten die Leute richtig drauf“, sagt Jule Matthies. Bestseller der Handwerksbrauerei sind das Fastmoker Pils und das Schlanke Lager.

Drei von 22 Biersorten des Wildwuchs Brauwerkes: Fastmoker Pils, das India Pale Ale Mucki Hop und das Schlanke Lager.
Drei von 22 Biersorten des Wildwuchs Brauwerkes: Fastmoker Pils, das India Pale Ale Mucki Hop und das Schlanke Lager. © Mark Sandten | Mark Sandten

Besonders hervortun kann sich Wildwuchs aber durch die besonderen Sorten. „Wir haben zum Beispiel ein Brotbier, das Broid New England IPA, in dem wir Brotreste der Bäckerei Bahde verarbeiten“, erklärt der Braumeister. „Unser Frau Knolle Helles brauen wir mit Ingwer vom Hof Wurzelreich.“ Auch ein „würziges Witbier“ mit Orangenschale und Koriandersamen, ein ganzjähriges Bockbier (Orange Bock) und Wilde Holle, ein Mischgetränk mit Holunderblüten, hat das Brauwerk im Angebot.

Wildwuchs Brauwerk verzichtet auf Klärung des Bieres mit Plastik

Fällt das alles noch unter das oft beschworene deutsche Reinheitsgebot? Darf in Bier etwas anderes als Gerste, Malz und Hopfen? „In einigen Fällen, wie bei der Wilden Holle, müssen wir das als Mischgetränk deklarieren“, sagt Braumeister Matthies. „Für andere Biere, bei denen wir im Brauprozess Zutaten hinzufügen, braucht es eine Sondergenehmigung.“ Die sei meist leicht zu bekommen, koste aber Geld.

Alle Wildwuchs-Biere sind naturtrüb. Denn das Brauwerk verzichtet auf die Filtrierung, wie sie in Großbrauereien angewandt wird. Die nutzen Polyvinylpyrrolidon, abgekürzt PVPP, ein Kunststoffgranulat, um die Biere zu klären. Plastik im Bier? Für die Bio-Brauerei kein Thema.

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Zum zehnjährigen Bestehen gibt es ein Jubiläumsbier, das auf den Namen „Löppt“ getauft wurde. „Zum zehnten Geburtstag haben wir ein kaltgehopftes Session Indian Pale Ale gebraut, mit relativ wenig Alkohol, nur 3,9 Prozent.“ Das Jubiläumsbier gibt es ab dem offiziellen Fassanstich am Sonnabend, 7. September, um 14.30 Uhr an der Jaffestraße 8.

Außerdem haben die Brauer des Hauses ein paar ganz besondere Sude gebraut, die es nur in begrenzten Mengen gibt. Auf dem Programm steht zudem Livemusik und später am Abend einen DJ für Partystimmung. Die Hobenköök, Food for Friends und die Fritten Freunde sorgen für kulinarische Verpflegung. Für Kinder gibt es einen Extra-Bereich, dort können sie sich beispielsweise schminken lassen. Start ist um 12, Ende um 24 Uhr. Wichtig: Die Gäste sollten möglichst mit dem Fahrrad anreisen, denn Parkplätze sind knapp.