Hamburg. Dehoga-Vorstand Jens Stacklies schlägt Alarm. Was aus seiner Sicht auf die Gäste zukommt und wie die Branche gerettet werden könnte.
Essen gehen ist teuer in Deutschland. Die Preise in Restaurants sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts kostete eine Hauptspeise im August dieses Jahres im Schnitt 30 Prozent mehr als im Vergleichsmonat des Corona-Jahres 2020. Bei Fastfood ist der Preisabstand mit mehr als 31 Prozent sogar noch etwas höher. Auch wenn die Inflation sich langsam abschwächt, kennt die Kurve bei Gastronomiepreisen nur eine Richtung: nach oben.
Gerade hat der Hamburger Steakhaus-Betreiber Eugen Block die Debatte neu befeuert, nachdem er im Abendblatt keine weiteren Preiserhöhungen ankündigte und zudem versprach, bei einigen Gerichten auf der neuen Speisekarte seiner Block-House-Restaurants die Preise – minimal – zu senken. Block hatte, wie die meisten anderen Betriebe, mit der Wiedereinführung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent Anfang des Jahres aber noch mal ordentlich an der Preisschraube gedreht.
Gastrosterben: 30 Prozent der Restaurants werden es nicht schaffen
Kommt jetzt die Trendwende? Jens Stacklies, Vize-Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Hamburg, sagt: „Grundsätzlich gibt es in der aktuellen Situation keinen Spielraum, Preise in Restaurants zu senken.“ Die Gründe sind nach seinen Angaben vielfältig: steigende Kosten für Personal, Lebensmittel, Energie, Transport und vor allem der höhere Mehrwertsteuersatz.
Mehr noch: Der Gastronom, der mit seiner Familie die Gröninger Privatbrauerei, die Fischauktionshalle und die Restaurants Schönes Leben in der Speicherstadt und im schleswig-holsteinischen Neuendeich betreibt, sieht die Zukunft der Branche äußerst düster. „Die Situation in der Gastronomie ist dramatisch. 30 Prozent der Betriebe in Hamburg werden es nicht schaffen“, lautet seine Prognose. In Hamburg stünden schon jetzt mindestens 80 bis 100 Restaurants auf der Kippe. Betroffen sind vor allem inhabergeführte, mittelständische Unternehmen. „Wir verlieren die Gastgeber des Landes.“
Teure Preise, weniger Gäste: Wirte klagen über Gewinneinbruch
Das Problem: Die Menschen gehen – auch wegen der hohen Preise – seltener essen oder bestellen bei einem Restaurantbesuch weniger. Laut einer Dehoga-Umfrage setzten Hoteliers und Gastronomen im ersten Halbjahr 2024 nominal 10,9 Prozent weniger um als im Vorjahreszeitraum. Noch dramatischer sind die Gewinne zurückgegangen. Von Januar bis Juni betrug das Minus 22,2 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023. Für viele Betreiber eine Zwickmühle.
„Die Mehrwertsteuer auf Speisen muss wieder runter auf sieben Prozent“, fordert Branchenfunktionär Stacklies. Die unterschiedlichen Sätze, 19 Prozent in Restaurants und sieben Prozent in Imbissen, seien ungerecht. Schon Ende des vergangenen Jahres hatte die Politik den Appellen der Gastronomen, auch angesichts der klammen Haushaltslage, eine Absage erteilt. Jetzt hofft Stacklies auf einen Stimmungsumschwung vor den Bundestagswahlen im nächsten Jahr.
Steuerberater rechnet neue Preise auf der Speisekarte aus
Auch der 62-Jährige, der nach einer Kochausbildung und verschiedenen Stationen im Gastgewerbe 1995 seine Unternehmensgruppe gründete, spürt die Kostensteigerungen deutlich in der Kasse. Anfang des Jahres hatte er die Preise in seinen Lokalen deshalb noch mal merklich angehoben.
Ein Wiener Kalbsschnitzel etwa kostet im gediegenen Lokal Schönes Leben am Alten Wandrahm heute 33,50 Euro. Vor zwei Jahren waren es noch 29,50 Euro. Die neuen Preise habe er von seinem Steuerberater ausrechnen lassen, „ganz emotionslos“. „Es kann ja nicht sein, dass ich als Unternehmer die Kunden subventioniere. Wir machen das alles mit großer Leidenschaft, aber wir müssen davon auch leben können.“
Restaurants verkleinern die Karte und streichen Mittagsangebote
Die aktuelle Entwicklung werde die deutsche Gastronomielandschaft verändern. „Um der Kostenspirale etwas entgegenzusetzen, kann man an der Ware sparen, Portionsgrößen verkleinern, die Auswahl auf der Speisekarte verringern.“ Die ersten Betriebe machten das bereits, beobachtet Stacklies. Zudem würden Öffnungszeiten verringert, Mittagsangebote gestrichen und die Zahl der Ruhetage erhöht. Auch das Schöne Leben in der Speicherstadt mit 100 Plätzen im Innenbereich und noch mal so vielen draußen ist jetzt am Montag und Dienstag geschlossen.
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Ein weiterer Faktor ist der Personalmangel. Überall werden Fachkräfte wie Köche und Beschäftigte im Service gesucht. Auch das sei ein Grund, warum immer mehr Restaurantbetreiber ans Aufgeben denken würden. „Die Gastronomie stirbt leise und die Vielfalt schwindet“, sagt Stacklies. Schon jetzt zeichne sich ab, dass mehr Ketten und Systemgastronomen in Hamburg eröffneten. Diese Unternehmen könnten durch ihre Größe anders wirtschaften und oft günstigere Preise anbieten. Dazu kommt: Ein Restaurantsterben verringert auch die Zahl der Ausbildungsbetriebe. „Ich mache mir Sorgen um den Nachwuchs.“
Gastrosterben: Neue Ideen sollen Restaurantvielfalt retten
Der Hamburger Dehoga-Vorstand, der die Gastronomiebetriebe im Verband vertritt, will die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Branche mit neuen Ideen das Ruder noch mal herumreißen kann. Markthallen mit unterschiedlichen Angeboten wie in Lissabon seien international sehr erfolgreich und auch eine Chance für Hamburg.
Dass neue Restaurants sich im Markt positionieren können, habe in Hamburg zuletzt auch die Edel-Pizzeria Edmondo an den Hohen Bleichen gezeigt. „Essen gehen ist mehr als Versorgung. Wenn das nicht mehr möglich ist, geht Lebenskultur verloren.“