Hamburg. Auch bei SPD und Grünen verweigerten Abgeordnete dem Teilverkauf des Konzerns ihre Stimme oder blieben der Abstimmung fern. Ihre Gründe.

Fast ein Jahr ist es nun her, dass der Senat die Bombe platzen ließ: Am frühen Morgen des 13. September 2023, noch vor Öffnung der Börsen, verkündeten Bürgermeister Peter Tschentscher, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (alle SPD) im Rathaus, dass die Stadt Teile des Hafenkonzerns HHLA an die Reederei MSC verkaufen wolle. Knapp ein Jahr später, am Abend des 4. September 2024, wurde dieser Deal nun von der Bürgerschaft endgültig genehmigt.

Ob dies nach fast zwölf Monaten des zum Teil erbittert geführten Streits nun ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende war, liegt im Auge des Betrachters. Einerseits: Bei 72 Ja- und 33 Neinstimmen stand die rot-grüne Mehrheit sicher, und das parlamentarische Verfahren zum Verkauf von rund 20 Prozent der HHLA-Anteile ist damit abgeschlossen.

Drei Abgeordnete von SPD und Grünen stimmten gegen den HHLA-MSC-Deal

Andererseits bleibt ein schaler Beigeschmack: Denn mit Mathias Petersen (SPD), Gudrun Schittek und Filiz Demirel (beide Grüne) stimmten am Ende auch drei Abgeordnete aus dem Regierungslager in namentlicher Abstimmung gegen die Pläne des rot-grünen Senats – so etwas kommt sehr selten vor. Und: Elf der insgesamt 86 Parlamentarier von SPD (53) und Grünen (33) blieben der Sitzung fern oder waren zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht mehr da, auch das ist eine ungewöhnliche hohe Zahl.

Die Interpretationen darüber gehen aber auseinander: Einige Beobachter mutmaßten, dass mindestens ein Teil dieser Abgeordneten sich nur abgemeldet habe, um nicht an der Abstimmung teilnehmen zu müssen. Dies war jedoch offensichtlich nur bei Miriam Block (Grüne) der Fall, die als „abwesend“ gemeldet wurde. Alle anderen zehn waren offiziell „entschuldigt“ und hatten sich nach Auskunft von Fraktionssprechern von SPD und Grünen ordnungsgemäß abgemeldet, zum Teil aus sehr persönlichen Motiven wie einem Todesfall in der engeren Familie.

Viele Abgeordnete fehlten bei der Abstimmung im Rathaus

Hinzu kam: Mehrere Mitglieder der Bürgerschaft mussten am späten Nachmittag das Rathaus verlassen, um an einer Delegationsreise nach Kroatien teilzunehmen – unter anderem aus diesem Grund fehlten auch aus den Reihen der Opposition sieben Abgeordnete. So gab es bei 37 Oppositionsabgeordneten trotz der drei Abweichler bei Rot-Grün nur 33 Nein-Stimmen.

Wer bei der Abstimmung welches Motiv verfolgte, blieb daher zum Teil Spekulation. Lediglich Mathias Petersen hatte schon im Juni öffentlich erklärt, dass er gegen das Geschäft stimmen werde. „Der Deal ist schlecht für Hamburg“, hatte er betont. Die Stadt könne dann die Entwicklung im Hafen nicht mehr allein bestimmen, sondern sei von der Zustimmung der weltgrößten Reederei abhängig.

Mathias Petersen (SPD): „Der Deal ist schlecht für Hamburg“

Der Arzt aus Altona genießt innerhalb der SPD allerdings eine gewisse Narrenfreiheit, seit er 2007 als damaliger Landesvorsitzender nur durch einen internen Stimmenklau um die Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl gebracht worden war. Bürgermeister Olaf Scholz bot ihm später einen Posten im Senat an, den Petersen jedoch ablehnte, da ihm seine Freiheiten als Abgeordneter und seine Hausarztpraxis wichtiger waren. Aufgrund seiner besonderen Stellung bleibt so ein Alleingang für ihn wohl folgenlos.

Auch aus der Grünen-Fraktion hieß es, dass die beiden Abweichlerinnen keine Konsequenzen zu befürchten hätten. Auf Anfragen des Abendblatts zu den Gründen für ihr Stimmverhalten wollten Filiz Demirel und Gudrun Schittek sich nicht äußern. Allerdings hatte Demirel schon vor einem Jahr in einer der ersten Debatten über den MSC-Einstieg bei der HHLA ihre Bedenken angemeldet: „Ich kann die Ängste der Hafenarbeiter verstehen“, sagte die Arbeitsmarktexpertin damals in der Bürgerschaft. Sie stehe dem Deal skeptisch gegenüber.

HHLA-MSC-Deal: Senat hofft auf mehr Ladung für den Hafen

Diese und andere Argumente wurden am Mittwochabend noch einmal ausführlich ausgetauscht, ohne dass dabei Neues zur Sprache kam. Daher ging die Abstimmung letztlich in etwa so aus wie alle vorherigen zu dem Thema: Die rot-grüne Zweidrittel-Mehrheit setzte sich durch. Mit dem Beschluss der Bürgerschaft kann die Stadt, die bislang rund 70 Prozent an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) hält, ihren Anteil auf 50,1 Prozent reduzieren.

Mehr zum Thema

Dafür verkauft sie knapp 20 Prozent der HHLA direkt an die Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in Genf. Die restlichen Anteile kauft die Reederei bereits seit Monaten an der Börse auf, sodass sie am Ende bis zu 49,9 Prozent an der HHLA halten wird. Im Gegenzug verspricht das Unternehmen, hinter dem die italienische Familie Aponte steht, mehr Ladung nach Hamburg zu bringen und seine Deutschlandzentrale in der HafenCity zu errichten.