Hamburg. Die Bürgerschaft votierte mit Mehrheit für den Teilverkauf des wichtigsten Hamburger Hafenkonzerns an die Schweizer Reederei.
Der Teilverkauf des Hamburger Hafenkonzerns HHLA an die Schweizer Reederei MSC ist aus Hamburger Sicht perfekt. Ein letzter verzweifelter Versuch der Opposition, SPD und Grüne nach einer fast einjährigen Auseinandersetzung in einer letzten Debatte quasi auf der Schlussgeraden von ihrem Vorhaben abzubringen, ist gescheitert. Mit der Regierungsmehrheit von SPD und Grünen machte die Bürgerschaft am Mittwochabend den Weg für den Deal endgültig frei. Es gab 72 Ja- und 33-Nein-Stimmen.
CDU, Linksfraktion, AfD und FDP-Abgeordnete votierten bei der namentlichen Abstimmung geschlossen gegen den Senatsplan, ebenso drei Abgeordnete von SPD und Grünen: Dies waren Mathias Petersen (SPD) sowie Gudrun Schittek und Filiz Demirel (beide Grüne). Auffällig war, dass einige Abgeordnete der Debatte fernblieben.
Mehrheit in der Bürgerschaft: MSC darf groß bei der HHLA einsteigen
Zuvor hatte es noch einmal einen munteren Schlagabtausch gegeben, dem es nicht an politischer Schärfe fehlte. Der Hafenexperte der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, bezichtigte beispielsweise Bürgermeister Peter Tschentscher direkt der Lüge. „Bürgermeister Tschentscher holt die seltsamsten Geschichten raus, um diesen unseligen Deal zu rechtfertigen“, sagte er. Handelskammer und Wirtschaftsexperten hätten den Verkauf an MSC sehr begrüßt? „Haben sie nicht“, so Hackbusch. „Die Handelskammer hat sich einer Bewertung enthalten und Experten haben sich positiv zu Terminalbeteiligungen von MSC geäußert, aber keiner sprach sich für einen Einstieg bei der HHLA aus.“
Der Bürgermeister habe auch gesagt, die HHLA sei in der Verlustzone, was nicht stimme. „Der Bürgermeister lügt, um diesen Deal zu rechtfertigen“, rief Hackbusch. Der Deal sei keine Kooperation, sondern der Ausverkauf der HHLA an einen fremden Reeder. Er erhielt viel Beifall für seine Rede.
Der Angegriffene reagierte nicht. Bürgermeister Tschentscher hatte die Bürgerschaftssitzung lange vor der HHLA-Debatte verlassen.
MSC darf 49,9 Prozent der HHLA erwerben
„Mit diesem Deal sendet Rot-Grün ein Signal der Schwäche in die maritime Welt. Der Senat löst mit dem Deal nicht die Probleme, die er durch langes Nichtstun im Hafen selbst geschaffen hat“, sagte Götz Wiese von der CDU-Fraktion. Der angestrebte Verkauf führe zu einem großen Schaden für Hamburg und verändere den Hafen für Jahrzehnte.
Der Senat habe es in 13 Jahren nicht geschafft, den Hafen voranzubringen. „Wo geht es mit dem Hafen hin? Vielleicht führt die Antwort nach Genf. Es fehlt ein Zukunftsplan des Senats für die HHLA und für den Hafen. Zynisch könnte man sagen: Damit hat der Senat ja jetzt MSC beauftragt.“
Bürgermeister Tschentscher bleibt Debatte fern
Der FDP-Abgeordnete Sami Musa sagte: „Ich appelliere heute an jeden einzelnen Mandatsträger von SPD und Grünen: Sie sind als Abgeordnete Ihrem Gewissen verpflichtet. Sie sollen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt vertreten. Genau das wird mit dem MSC-Deal nicht getan.“
Johannes Müller (Grüne) verteidigte den Deal als „zukunftweisende“ Entscheidung und verwies auf die Betriebsvereinbarungen zum Wohle der Arbeitnehmer.
Von einem „puren Akt der Verzweiflung sprach Krzystof Walczak von der AfD. Wir hoffen, dass das nicht der Todesstoß für den Hafen ist, denn das haben die Beschäftigten nicht verdient.“
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) rief die Abgeordneten noch einmal zur Zustimmung auf. „Die strategische Partnerschaft ist eine Zukunftsoption für den Hafen, in einem Weltmarkt, der sich in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich verändert hat.“ Zudem verdeutlichte sie, dass der Kaufpreis, den MSC entrichte, der HHLA zugutekomme, die damit auf die Kapitalaufnahme bei Banken verzichten könne.
Bis zum Schluss bestand bei der Polizei die Sorge, dass es im Umfeld der Debatte Proteste von Hafenarbeitern wegen eines spontan ausgerufenen Warnstreiks bei der HHLA geben könnte. So wurde der Innenhof des Rathauses gesperrt. Auch vor dem Rathaus war ein größeres Polizeiaufgebot zusammengezogen worden.
Unterdessen ruhte im Hafen die Arbeit. Die Gewerkschaft Ver.di hatte die HHLA-Beschäftigten zu dem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Nicht aus Protest gegen die Entscheidung der Bürgerschaft, sondern weil die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag bei der HHLA nicht vorankommen.
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Besonders betroffen waren die Containerterminals. „Der Betrieb an den Terminals wird bis zum Ende der Nachtschicht weitestgehend streikbedingt ruhen, zur Frühschicht wie gewohnt wieder hochgefahren“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Ein Notdienst vor Ort sei sichergestellt. Die HHLA habe ihre Kunden und Partnerunternehmen entsprechend informiert. „Wir bemühen uns, Verzögerungen in der Abfertigung zeitnah zu kompensieren und werden die Kapazitäten an den Terminals in den nächsten Tagen entsprechend erhöhen.“
Wie bereits berichtet, verhandelt Ver.di mit der HHLA über Regelungen zum Schutz der gewerblichen, technischen und kaufmännischen Beschäftigten vor den Folgen des geplanten Konzernumbaus. Dieser unter dem Kürzel CTX firmierende Umbau sieht nicht nur eine weitgehende Automatisierung vor, sondern auch eine neue Struktur. So sollen zum Beispiel die Hafenarbeiter in einer Organisationseinheit „Umschlag“ zusammengefasst werden.
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Die Beschäftigten befürchten, dass dieser weitreichende Umbau unmittelbar zum Abbau von Arbeitsplätzen führt, sich zudem in Zukunft die Einsatzorte ständig ändern und die Arbeitsbelastung deutlich ansteigt. Ziele eines Tarifvertrages sind deshalb die Vermeidung betriebsbedingter Änderungs- und Beendigungskündigungen sowie Schutzregelungen für den Einsatz an wechselnden Orten und bei erhöhter Arbeitsbelastung.
Mit der Zustimmung der Bürgerschaft ist der MSC-Deal aus Hamburger Sicht abgeschlossen. Nun gilt es noch, das Ergebnis des Fusionskontrollverfahrens der EU abzuwarten, das allerdings als Formsache gilt. Des Weiteren liegen aber bei der EU-Kommission noch Beschwerden von zwei Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten und mehreren Kleinaktionären gegen den Teilverkauf vor. Sie kritisieren vor allem den aus ihrer Sicht zu geringen Kaufpreis sowie den Verzicht auf eine Ausschreibung. Wirtschaftssenatorin Leonhard sagte dem Abendblatt am Mittwochabend, sie rechne damit, den Deal insgesamt bis Jahresende unter Dach und Fach zu haben.