Hamburg. Zwangsversteigerungen locken in Harvestehude, Niendorf und Lokstedt mit unschlagbaren Preisen. Soll man bieten? Was die Verbraucherzentrale rät.
- Häuser zum halben Preis? Das klingt vielversprechend! Doch die Hürden sind groß.
- Keine vollständige Besichtigung vorab und kurze Zahlungsfristen können zum Verhängnis werden.
- Die Verbraucherzentrale rät: besser kein zu großes Risiko eingehen. Und sie hat noch mehr Tipps auf Lager.
Auf den ersten Blick wirkt das alles sehr vielversprechend: Das Einfamilienhaus, Baujahr 1939 mit 135 Quadratmetern Wohnfläche und Schwimmbecken auf dem 1100-Quadratmeter-Grundstück, steht in Lokstedt. Es gibt da durchaus Renovierungs- und Instandhaltungsbedarf. Doch der Preis ist unschlagbar niedrig für ein Eigenheim an einer Nebenstraße, nicht allzu weit entfernt vom Niendorfer Gehege. Im Idealfall lässt sich diese Immobilie bereits für knapp unter 400.000 Euro erstehen. Gemessen an den üblichen Preisen für Einfamilienhäuser in der Hansestadt ist es ein geradezu sensationelles Schnäppchen.
Immobilien kaufen in Hamburg: Hier werden Häuser zum halben Preis angeboten
Ob das Haus einen neuen Eigentümer findet und zu welchem Preis, das wird sich am 29. Oktober ab 9.30 Uhr im Sitzungssaal 224 des Amtsgerichts Hamburg-Mitte an der Caffamacherreihe 20 erweisen. Das ist der Termin, zu dem die Zwangsversteigerung angesetzt ist. Der von einem Gutachter ermittelte Verkehrswert des leer stehenden Hauses beträgt 790.000 Euro. Doch bei Zwangsversteigerungen können Immobilien durchaus zum halben Preis erworben werden. Beim Haus in Lokstedt beträgt das Mindestgebot 397.500 Euro.
Das Auktionshaus NDGA versteigert in der Hansestadt regelmäßig Immobilien, deren Eigentümer sich davon einen hohen Preis versprechen. Zwangsversteigerungen von Immobilien (und von Schiffen) dagegen finden in Hamburg regelmäßig bei den sieben Amtsgerichten statt. Fünf davon haben derzeit Termine bis zum Jahresende veröffentlicht, bei denen eine Reihe von Objekten zwangsversteigert werden, die auch für Privatkäufer infrage kommen dürften. Weitere Termine noch in diesem Jahr dürften folgen.
Immobilien Hamburg: Diese Woche kommen Wohnungen in Sasel und Osdorf unter den Hammer
Noch in dieser Woche finden zwei Zwangsversteigerungen statt (siehe Tabelle): Am Donnerstag geht es im Amtsgericht Barmbek um eine 89 Quadratmeter große Eigentumswohnung in Sasel (Mindestgebot 205.000 Euro). Am Freitag kommt im Amtsgericht Blankenese eine 79-Quadratmeter-Wohnung in Osdorf zum Mindestgebot von 170.000 Euro unter den Hammer. Beide sind laut Gutachten das Doppelte wert.
Doch ist es für Hamburgerinnen und Hamburger auf der Suche nach einem Eigenheim in der Stadt wirklich sinnvoll, dabei auch Zwangsversteigerungsobjekte mit einem verführerisch niedrigen Mindestpreis in den Blick zu nehmen? Dirk Scobel, der Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, sieht eine ganze Reihe von Hürden und Fallstricken.
„Das fängt schon damit an, dass man das Objekt in vielen Fällen nicht vorab vollständig und auch nicht von innen besichtigen kann“, sagt Scobel. Insbesondere dann, wenn ein Versteigerungsobjekt noch bewohnt ist oder wenn die Eigentümer keine Lust haben, Haus oder Wohnung, die sie zwangsweise verkaufen müssen, den Interessenten in jedem Detail zu zeigen, ist die Immobilie für die Ersteigerer eine Art Katze im Sack – und es drohen böse Überraschungen. „Die größte Gefahr ist, dass massive Anschlussprobleme auftauchen, die vor der Versteigerung nicht absehbar waren“, sagt Scobel.
Dabei gibt es für jedes Objekt ein meist Dutzende Seiten dickes Wertermittlungsgutachten. Dieses Gutachten kann vorab im jeweiligen Amtsgericht eingesehen werden. Oder im Zwangsversteigerungsportal ZVG.com, bei dem die Hamburger Gerichte ihre Versteigerungstermine und Unterlagen zu jedem Objekt veröffentlichten.
Haus in Harvestehude ist 3,9 Millionen wert – Mindestgebot: 1,95 Millionen
Zu finden ist da zum Beispiel ein Objekt, das besonders großes Interesse auf sich ziehen dürfte: ein entkerntes Gründerzeit-Stadthaus an der Hochallee, das am 19. November ebenfalls an der Caffamacherreihe unter den Hammer kommt. Marktwert: 3,91 Millionen, Mindestgebot: 1,955 Millionen Euro. Interessant wohl nur für sehr, sehr solvente Privatkäufer und absehbar heiß begehrt. „Man wird in der Regel gegen Profis bieten, gegen Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, bei Zwangsversteigerungen zu kaufen, zu sanieren und dann wieder zu verkaufen“, so Scobel.
Ob man mit etwas Glück zum Mindestpreis zum Immobilieneigentümer werden kann, hängt zudem davon ab, ob es der erste oder zweite Versteigerungstermin ist. Geht ein Haus beim ersten Termin zum halben Wert oder für bis zu 20 Prozent mehr weg, kann derjenige, der die Zwangsversteigerung veranlasst hat – eine Bank etwa –, darauf bestehen, dass es einen weiteren Termin gibt. Erst bei diesem kann man – mit Glück und vielleicht – zum halben Preis zuschlagen.
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Hat man den Zuschlag erhalten, warten nach Einschätzung von Verbraucherschützer Scobel weitere erhebliche Herausforderungen. „Zehn Prozent des Preises sind sofort fällig, der Rest binnen sechs bis acht Wochen. Zumeist werden Banken nicht bereit sein, eine Finanzierung für ein Objekt vorab zuzusagen, das nicht vollständig besichtigt werden konnte“, sagt er. Und ein Finanzkonzept binnen kurzer Zeit auf die Beine zu stellen, könnte für Käufer sehr schwierig werden und berge das Risiko des Scheiterns, so der Baufinanzierungsexperte. In der Regel würden Baufinanzierer wohl nur mit Käufern einen Vertrag abschließen, die einen hohen Anteil Eigenkapital mitbringen. Und womöglich seien die Institute nur bereit, den Wert des Grundstücks zu finanzieren. Dann sind sie auf der sicheren Seite.
Immobilien kaufen in Hamburg: Zwangsversteigerung „keine gute Lösung“
Sein Fazit und sein Rat lauten: „Eine Wohnimmobilie in Hamburg bei einer Zwangsversteigerung zu erwerben dürfte für die allermeisten Privatkäufer keine gute Lösung sein.“ Anders sehe das aus, wenn man – etwa in Mecklenburg – einen Zweitwohn- oder Alterssitz auf dem Land für 20.000 oder 30.000 Euro ersteigern könne. Scobel: „Wenn sich dann im Nachhinein herausstellt, dass eine Sanierung viel zu teuer wäre, bleibt wenigstens der Verlust in einigermaßen überschaubaren Grenzen.“