Hamburg. Aus der Garage zur globalen Marke: Travelite verkauft Millionen Koffer, Taschen und Rucksäcke und will mehr in Deutschland produzieren.

Koffer packen? Die einen lieben es – die anderen eher nicht so. Da ist es vielleicht eine gute Idee, Profis zu fragen, was einen perfekten Koffer ausmacht. „Stabilität, Funktion – und die Inneneinteilung muss praktisch sein“, sagt Jan-Oliver Nannen (50). Der Mann muss es wissen. Vor 25 Jahren ist er ins Koffergeschäft seiner Familie eingestiegen. Jetzt führt er gemeinsam mit Alfred und Oliver Gruber das Hamburger Unternehmen Travelite.

1,5 Millionen Koffer verkauft Travelite im Jahr – Hartschale, Weichgepäck, Aluminium. Zählt man Reisetaschen, Beautycases und Rucksäcke dazu, sind es 2,5 Millionen Teile. Die Firma mit Sitz in Rahlstedt gehört zu den Marktführern in der Branche. Schon mal am Bahnhof oder Flughafen auf die Kofferlogos geguckt? Da haben sehr viele das Signet mit stilisierten Wellen und Bergen, das die Hamburger Gründerfamilie Nannen und die bayrische Familie Gruber symbolisieren soll.

Reisegepäck: Hamburger Koffer für Lufthansa, BMW und Fußballprofis

Im vergangenen Jahr hat Travelite mit 100 Beschäftigen 80 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, ein Plus von 60 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. 2024 will das vor 75 Jahren gegründete Unternehmen mit seinen drei Marken Travelite, Titan und Impackt die 100-Millionen-Marke knacken. Es läuft für die Hamburger. „Es gibt nach Corona einen großen Nachholbedarf beim Reisen. Das zeigt sich auch bei uns“, sagt Oliver Gruber (27), der unter anderem für die Produktentwicklung zuständig ist. Zu den Stammkunden gehören unter anderem die Fußballprofis der Bundesliga-Erstligaklubs Borussia Dortmund und VfL Wolfsburg.

Die Travelite-Serie Next aus Aluminium gibt es seit 2019. Sie ist einer der wichtigsten Umsatzbringer des Hamburger Unternehmens.
Die Travelite-Serie Next aus Aluminium gibt es seit 2019. Sie ist einer der wichtigsten Umsatzbringer des Hamburger Unternehmens. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Dass der große deutsche Kofferhersteller und der einzige Familienbetrieb in der Branche überhaupt in einem unscheinbaren Gewerbegebiet am Stadtrand von Hamburg seine Zentrale hat, wissen wohl nur die wenigsten, die mit dem Reisegepäck durch die Welt jetten. Das hanseatische Unternehmen ist sehr zurückhaltend. Jetzt sitzen Jan-Oliver Nannen, übrigens Enkel von „Stern“-Gründer Henri Nannen, und Oliver Gruber beim Termin mit dem Abendblatt im Travelite-Showroom. In den Regalen stehen Modelle der aktuellen Kollektionen.

Travelite-Koffer aus Alu gibt es seit 2019

Besonders stolz sind die Unternehmer auf die Produktlinie Next mit Alu-Koffern, die Travelite seit 2019 im Programm hat. Die Koffer gibt es in drei Größen, in Silber und Schwarz, mit und ohne Vortasche. „Das ist eine Erfolgsstory. Next ist einer der Hauptumsatzbringer“, sagt Jan-Oliver Nannen. Mit der Serie sei man in ein Vakuum gestoßen, das der bekannte Marktführer für Aluminiumgepäck nach dem Abzug aus dem Fachhandel und nach deutlichen Preiserhöhungen geschaffen habe. Der Preis für Next-Modelle liegt je nach Größe zwischen 340 und 420 Euro.

Eine weitere Innovation ist die Marke Impackt, die seit 2022 auf dem Markt ist und zu großen Anteilen aus recycelten Materialien produziert wird. „Damit wollen wir vor allem jüngere Kunden ansprechen“, sagt Oliver Gruber. Die Koffer haben knallige Farben und abgerundete Ecken und sind individualisierbar. Ein großer Reisekoffer der Marke mit 100 Liter Fassungsvermögen kostet im Schnitt 160 Euro. Im hochpreisigen Segment ist die Premium-Marke Titan angesiedelt, die die Hamburger 2012 aus der Insolvenz gekauft und ins Sortiment integriert hatten. Diese Modelle schlagen mit 300 bis 450 Euro zu Buche.

Die Koffer der Marke Impackt sind zu großen Teilen aus recyceltem Material hergestellt.
Die Koffer der Marke Impackt sind zu großen Teilen aus recyceltem Material hergestellt. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Da wirkt das, was das Hauptgeschäft der Hamburger Reisegepäck-Experten ausmacht, fast schon ein bisschen langweilig. Die Marke Travelite mit 15 Serien liegt im mittleren Preissegment zwischen 100 und 200 Euro für einen großen Koffer. Einer der absoluten Bestseller ist das Modell Crosslite. „Crosslite gibt es inzwischen in der vierten Generation“, sagt Jan-Oliver Nannen.

Sohn von Henri Nannen entschied sich für Koffer statt Medien

Das passt zur Geschichte des Unternehmens, das Nannens Großeltern mütterlicherseits 1949 in einer Garage in Wandsbek als Gerhard Winkler & Co. gegründet hatten. In die Firma, die anfangs noch Einkaufstaschen und -netze herstellte, waren in den 1960er-Jahren Christian Nannen und seine Ehefrau Gisela eingestiegen. Der Sohn des bekannten Journalisten Henri Nannen hatte sich bewusst gegen eine Karriere im Medienbereich entschieden und mit der Marke Travelite als einer der Ersten auf leichtes Reisegepäck gesetzt. „Damit hat Travelite das Reisegepäck revolutioniert“, sagt sein Sohn Jan-Oliver Nannen.

Rucksäcke gehören ebenfalls zum Sortiment von Travelite. Verkauft werden im Jahr etwa 150.000 Stück.
Rucksäcke gehören ebenfalls zum Sortiment von Travelite. Verkauft werden im Jahr etwa 150.000 Stück. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Nach dem Einstieg von Alfred Gruber vor gut 20 Jahren fokussierte sich das Hamburger Unternehmen auf das Segment Koffer und setzte verstärkt auf ein gutes Preisleistungsverhältnis. „Wir haben den Umsatz seitdem vervielfacht“, sagt Oliver Gruber. Das lief gut bis 2020 und dem Beginn der Corona-Pandemie. „Fast zwei Jahre konnte man nicht reisen. Das hat auch bei uns für Umsatzeinbrüche von 80 Prozent gesorgt.“ Dass der Mittelständler aus Hamburg die Krise so gut wegstecken konnte, erklärt Nannen mit der „soliden Finanzierung des Betriebs“. „Wir haben damals bei unseren Lieferanten alle Bestellungen abgenommen, waren damit ein fairer Partner und gut gerüstet für den Ansturm, der nach dem Ende des Reisestopps kam.“ Europaweit 1000 Fachhändler sind Travelite-Kunden. Auch für Lufthansa oder BMW stellt Travelite Koffer her.

Mehr Wirtschaftsthemen

Seitdem wurde die Produktion – der Hauptteil kommt aus China – noch mal massiv hochgefahren. Und auch in der eigenen Entwicklungsabteilung in Hamburg, in der acht Designer an Produktinnovationen und dem Koffer der Zukunft arbeiten, ist viel zu tun. „Die Themen sind Gewicht, Funktionalität und Langlebigkeit der Teile“, sagt Juniorchef Oliver Gruber. Motto: eher Evolution als Revolution. Trends wie smarte Koffer mit eingebauten GPS-Trackern, digitalen Kofferwaagen oder Lademöglichkeiten für Smartphones hätten sich nicht durchgesetzt. „Die Menschen erwarten von einem Koffer, dass darin das Gepäck sicher transportiert wird.“ Nicht mehr und nicht weniger.

Koffer aus Hamburg für die Welt: Expansion nach Südeuropa

Auch deshalb setzen die Travelite-Manager jetzt verstärkt auf die Marke Titan, die ausschließlich in Hartschale erhältlich ist. „Wir produzieren die hochwertigen Modelle in unserer Kofferfabrik in der Nähe von Passau, sind damit komplett ,Made in Germany‘“, sagt Jan-Oliver Nannen. „Das ist für uns ein strategisches Zukunftsprojekt.“ Gerade haben die Hamburger weitere Produktionsgebäude gekauft, um die Mengen zu erhöhen. Das soll auch auf den Expansionskurs von Travelite einzahlen. „Wir sind inzwischen in 47 Ländern auf dem Markt“, so der Travelite-Chef.