Hamburg. Was aus den Hamburger Kandidaten in der „Höhle der Löwen“ wurde: Saftmacherinnen beliefern jetzt die Frauen-Nationalelf bei Olympia.

  • Obwohl Kale & Me bei der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ keinen Investor gewinnen konnte, führte der Auftritt zu einem enormen Anstieg der Bekanntheit.
  • Das Ziel des Unternehmens ist es, hochwertige Säfte für Saftkuren in Deutschland herzustellen und zu verkaufen. 
  • Heute produziert es eine Vielzahl von Säften und Saft-Shots und bietet auch Fasten-Retreats a

In den Morgenstunden im Alten Land, wo Obstbäume im Sonnenlicht funkeln und vereinzelt Traktoren unterwegs sind, herrscht in der Produktionshalle von Kale & Me bereits reges Treiben. Dort, in Jork (Landkreis Stade), wartet die Saftpresse darauf, Rote Bete, Äpfel, Karotten und Co. zu verarbeiten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen weiße Kittel und Haarnetze, schaffen mit Gabelstaplern die Zutaten heran. Bald darauf fließen die daraus gepressten Säfte in durchsichtige Flaschen.

Annemarie Heyl und Konstantin Timm gründeten Kale & Me vor neun Jahren. Während eines Auslandssemesters im südafrikanischen Kapstadt hatten sie zuvor das Saftfasten kennengelernt. Die Geschäftsidee war und ist bis heute, die Säfte dafür in Deutschland herzustellen und zu verkaufen. Ihre Säfte und ihr Unternehmenskonzept präsentierten sie wenige Jahre später in der TV-Investorenshow „Die Höhle der Löwen“ (Vox). Einen Deal machten Heyl und Timm damals zwar nicht, doch auch ohne Unterstützung eines der prominenten Löwen um Ralf Dümmel, Carsten Maschmeyer und Co. schreibt Kale & Me eine Erfolgsstory.

Hamburger Unternehmen: In der „Höhle der Löwen“ gescheitert – trotzdem eine Erfolgsstory

„In Deutschland wird das Wort „Fasten“ oft mit Verzicht gleichgesetzt, das Positive, wie einen Reset vom Körper hervorzurufen, wird außen vor gelassen“, sagt Annemarie Heyl (37), Co-Gründerin und bis heute Geschäftsführerin. Schon während der fünftägigen Kur damals in Südafrika „haben wir darüber nachgedacht, wie man das Thema mit nach Deutschland bringen kann“. Obwohl sie damals eigentlich ein „gespaltenes Verhältnis zum Unternehmertum“ gehabt habe. Sie sollte nach ihrem BWL-Studium ins Familienunternehmen in der Lebensmittelbranche einsteigen, habe zuvor aber jahrelang den „Niedergang des Unternehmens“ miterlebt. „Das war kein schöner Start ins Berufsleben, aber ein prägender“, so Heyl.

Bei der eigenen Geschäftsidee ging es dann schnell: Annemarie Heyl und Konstantin Timm gründeten 2015 Kale & Me. Beide sind bis heute Teilhaber und Geschäftsführer. Im September 2016 sollte dann mit dem Auftritt bei DHDL Wachstumskapital und die Unterstützung eines erfahrenen Investors gewonnen werden. 200.000 Euro für acht Prozent der Firmenanteile forderten die Gründer. Doch keiner der Juroren investierte – aus unterschiedlichen Gründen, sagt Heyl. „Zum einen konnten sie sich nicht vorstellen, dass ein Frischeprodukt online verkauft wird. Zum anderen wollen die Löwen die Produkte, in die sie investieren, meist in den Einzelhandel bringen. Und da wollten wir nicht hin.“

Auftritt in „Höhle der Löwen“ bescherte der Firma viel Aufmerksamkeit

Doch die Aufmerksamkeit, die die junge Firma erhielt, war riesig: „Wir hatten 130.000 Besucher und Besucherinnen gleichzeitig auf der Website“, sagt Julie Wiemann, die seit einem Jahr Teil der Kale & Me-Geschäftsführung ist. Vor dem TV-Auftritt seien maximal 50 Personen zur selben Zeit auf der Internetseite gewesen.

„Es war unfassbar, das Telefon hat den ganzen Tag geklingelt, wir haben Tausende E-Mails erhalten, unsere Followerzahl bei Instagram ist gestiegen“

Annemarie Heyl
Gründerin und Geschäftsführerin Kale & Me

„Es war unfassbar, das Telefon hat den ganzen Tag geklingelt, wir haben Tausende E-Mails erhalten, unsere Followerzahl bei Instagram ist von 500 auf 15.000 gestiegen“, sagt Heyl. Während und nach der Ausstrahlung seien 12.500 Bestellungen eingegangen. „Wir waren innerhalb weniger Stunden restlos ausverkauft.“

Altes Land: Die Äpfel für den Saft wachsen gleich vor der Tür

Zu Beginn hatte Kale & Me ein Büro auf St. Pauli, ließ in der Lüneburger Heide produzieren. Seit 2018 sei das Unternehmen stetig effizienter geworden: So wurden zuvor 15.000 Flaschen in der Woche produziert, heute sind es im Schnitt 45.000. Am Anfang standen Heyl und Co. selbst an den Anlagen, weil sie lernen wollten, wie man Saft produziert – und weil Geld für ein Produktionsteam fehlte.

Obst- und Gemüsesäfte produziert Kale & Me in Jork im Alten Land. Das Unternehmen bezieht dieses zum größten Teil von regionalen Erzeugern.
Obst- und Gemüsesäfte produziert Kale & Me in Jork im Alten Land. Das Unternehmen bezieht dieses zum größten Teil von regionalen Erzeugern. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Heute beschäftigt die Firma 35 Mitarbeiter, in der Produktion im Alten Land arbeiten sieben. Der Älteste im Team ist der 83 Jahre alte Stefan Moje, der Geschäftsführer von Elbe-Obst. Von der Erzeugergemeinschaft beziehen die Saftmacherinnen Äpfel und haben mit ihr das Tochterunternehmen Nordsaft GmbH gegründet.

Kale & Me Saft mit Hochdruck behandelt: Keime werden zerquetscht

Das meiste Obst und Gemüse liefern regionale Erzeuger, die Äpfel wachsen in den Plantagen gleich hinter der 400 Quadratmeter großen Produktionshalle. „Zitronen, Ananas und Avocado, wo wir nicht selbst wissen, wie der Anbau betrieben wird, beziehen wir in Bioqualität“, sagt Heyl. Die Reststoffe aus der Saftpresse werden zu Futtermitteln oder für andere Kale & Me-Produkte weiterverarbeitet, die inzwischen auf dem Markt sind – etwa zu einer salzreduzierten Gemüsebrühe.

„Höhle der Löwen“: Kale & Me auch ohne Investor eine Erfolgsstory

Das Hamburger Unternehmen Kale & Me stellt Obst- und Gemüsesäfte im Alten Land in Jork her. Die Zutaten werden von regionalen Erzeugern bezogen.
Das Hamburger Unternehmen Kale & Me stellt Obst- und Gemüsesäfte im Alten Land in Jork her. Die Zutaten werden von regionalen Erzeugern bezogen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia
An drei bis vier Tagen produzieren sieben Mitarbeiter frisch gepresste Säfte. Die Zutaten werden dafür zunächst geschreddert und anschließend mittels Walzen gepresst.
An drei bis vier Tagen produzieren sieben Mitarbeiter frisch gepresste Säfte. Die Zutaten werden dafür zunächst geschreddert und anschließend mittels Walzen gepresst. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia
Geschäftsführerin Julie Wiemann (32, l.) und Gründerin und Geschäftsführerin, Annemarie Heyl (37), statten der Produktionsstätte im Alten Land einen Besuch ab.
Geschäftsführerin Julie Wiemann (32, l.) und Gründerin und Geschäftsführerin, Annemarie Heyl (37), statten der Produktionsstätte im Alten Land einen Besuch ab. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia
Die Reststoffe, sogenannte Trester, werden weiterverarbeitet – entweder zu Futtermitteln oder zu salzreduzierter Gemüsebrühe von Kale & Me.
Die Reststoffe, sogenannte Trester, werden weiterverarbeitet – entweder zu Futtermitteln oder zu salzreduzierter Gemüsebrühe von Kale & Me. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia
In der Halle in Jork werden pro Tag bis zu 14.000 Säfte produziert, abgefüllt und etikettiert.
In der Halle in Jork werden pro Tag bis zu 14.000 Säfte produziert, abgefüllt und etikettiert. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia
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In großen Edelstahlbehältern wird der Saft gemischt, anschließend in PET-Pfandflaschen abgefüllt und etikettiert. Um ihn bis zu 16 Wochen haltbar zu machen, wird der Saft mit Hochdruck behandelt. „Keime und Bakterien sind druckempfindlich, Vitamine eben nicht“, sagt Heyl.

Kein Deal bei DHDL – doch bei Olympia trinken Deutschlands Fußballfrauen den Saft

Mittlerweile beliefert Kale & Me mehrere Vereine in der Fußballbundesliga. Und seit Juni ist das Hamburger Unternehmen obendrein Lizenzpartner der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft um Kapitänin Alexandra Popp. „Die Sportlerinnen sind auf unseren Flaschen drauf, und gleichzeitig Konsumentinnen“, sagt Heyl.

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Zum Start der Olympischen Spiele brachten Heyl, Wiemann und Timm Saft-Shots in drei Sorten im Paket auf den Markt. 15 Shots (à 85 ml) für 39 Euro. Die Begeisterung im Team über das Getränk hielt sich allerdings in Grenzen. Vor dem Olympia-Gruppenspiel gegen die USA verteilte Spielerin Sjoeke Nüsken Ingwer-Shots an die Mannschaft. Beobachter berichteten, das Urteil von Abwehrspielerin Kathrin Henrich sei zwiespältig: „Es war jetzt nicht so lecker, das ist natürlich auch schwer. Aber es ist gesund, von daher war es egal.“

Nach der „Höhle der Löwen“ kamen viele neue Produkte auf den Markt

Das Kerngeschäft sind weiterhin Saftkuren. Sie seien keine Diät, könnten aber der erste Schritt zu einer Ernährungsumstellung sein, sagt Annemarie Heyl. Etwa 90 Prozent des Absatzes laufe über den Onlineshop, nur etwa 10 Prozent über den Handel. Den höchsten Umsatz hat Kale & Me jeweils zu Jahresanfang, während der Zeit der guten Vorsätze. Eine Saftkur für drei Tage kostet 84 Euro (sechs Säfte à 320ml), für sieben Tage sind es 190 Euro. Im Schnitt, heißt es, werden etwa 1000 Pakete pro Woche verschickt.

„Wir machen einen Umsatz im mittleren einstelligen Millionenbereich“, sagt Annemarie Heyl. Und obwohl Kale & Me die Preise bislang stabil gehalten habe, konnte die Firma Rücklagen bilden. „Diese Rücklagen ermöglichen es uns jetzt, in Wachstum zu investieren, beispielsweise durch die Kooperation mit dem DFB.“ 

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Die Konkurrenz ist überschaubar: Das Münchner Start-up Frank Juice gehört dazu. Es wurde fast zur selben Zeit wie das Hamburger gegründet. Hier kostet die Drei-Tages-Saftkur 89 Euro, sieben Tage Saftfasten kosten 189 Euro. Auch Discounter sind auf den Trend aufgesprungen. So gab es bei Aldi eine Eintageskur mit sechs Säften zum Preis von 6,99 Euro – für drei Tage zahlten Kunden 20,97 Euro.

Kale & Me: Saftkuren, Fasten-Retreats und Darmkur

Bei den Hamburgerinnen kommen immer wieder neue Produkte hinzu. Kürzlich haben die Gründerinnen eine Darmkur auf den Markt gebracht. Mit Tee, Brühe und Saft-Shots umfasst das Sortiment rund 20 Einzelprodukte. Inzwischen veranstaltet Kale & Me auch sogenannte Fasten-Retreats zum Buchen. Ein Angebot für Menschen, die in dieser speziellen Phase begleitet werden möchten. Fünf Tage auf Rügen kosten 1490 Euro. In den acht Jahren nach der „Höhle der Löwen“-Pleite ist aus Kale & Me alles andere als ein Saftladen geworden.