Hamburg. Davon, dass immer mehr Menschen fasten, profitiert eine Hamburger Unternehmerin – die dabei vor allem auf drei Effekte setzt.

Ihr beruflicher Weg schien vorgezeichnet: Eigentlich sollte Annemarie Heyl in das Familienunternehmen einsteigen, deswegen studierte sie Betriebswirtschaftslehre. Doch dann kam die Firma in Schwierigkeiten, musste abgewickelt werden, und Heyl nahm sich vor, künftig nur noch als Angestellte zu arbeiten. Auch das wurde nichts, zum Glück, wie sie heute sagt: Denn inzwischen hat die Hamburgerin ihr eigenes Unternehmen gegründet.

Kale&Me verkauft Saftkuren und profitiert auch davon, dass immer mehr Menschen fasten wollen. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht die Chefin über ihre ungewöhnliche Karriere, eine Achterwohngemeinschaft und darüber, was beim Intervallfasten fehlt. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Annemarie Heyl über …

… den eigentlich vorgezeichneten Weg ins heimische Familienunternehmen: „Meine Familie war über sechs Generationen hinweg im Lebensmittelbereich tätig. Wir haben auf dem Firmengelände gelebt, meine Großeltern und Eltern arbeiteten alle im Familienunternehmen. Die Frage, ob ich auch irgendwann einsteige, stand wohl immer im Raum. Zwar hatte ich in der Schulzeit erst mal die Idee, etwas mit Kunst zu machen, habe mich dann aber dafür entschieden, dass ein BWL-Studium eine gute Basis für alle möglichen Wege sei. In dem Moment – ungefähr während des Abiturs –, in dem ich angefangen habe, mich mit Wirtschaft auseinanderzusetzen, konnte ich mir auch die Arbeit in unserem Familienunternehmen vorstellen. Druck von meinen Eltern diesbezüglich gab es nie – wohl auch, weil ich ihr viertes und jüngstes Kind bin.“

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… finanzielle Sicherheit dank eines Unternehmens im Rücken: „Das Gefühl gab es bei mir gar nicht. Meine Eltern haben immer kommuniziert, dass nur diejenigen, die wirklich im Unternehmen agieren und für das Unternehmen etwas tun, eben auch dort in die Erbfolge treten. Das war bei uns ganz klar geregelt. Das Wohle des Unternehmens stand im Vordergrund, und das fand ich in Ordnung.“

… den unerwarteten Untergang des Familienunternehmens: „Nach dem Bachelor wollte ich als Trainee in unserem Unternehmen anfangen und alle Bereiche einmal durchlaufen. Doch als ich damit beginnen wollte, rutschte unsere Firma in eine schwere Krise, musste saniert werden. Nach knapp einem halben Jahr war ich mit meinem Papa nur noch dabei, die Unternehmensgruppe schrittweise aufzulösen. Für meine Eltern war das noch schlimmer als für mich. Ihr ganzes Lebenswerk lag auf einmal in Trümmern. Aber auch mein Lebensplan war dahin. Nach dem anfänglichen Schockzustand bin ich aus der ganzen Sache mit einer Erkenntnis rausgegangen: nie wieder Unternehmertum. Ich wollte damit nichts mehr zu tun haben.“

… Plan B und die Gründung von Kale & Me: „Nach dem Ende unseres Familienunternehmens wollte ich als Angestellte in einem Konzern oder in einer Unternehmensberatung arbeiten. Vorher wollte ich meinen Master machen und hatte das Glück, dafür ein Stipendium zu bekommen. Im Rahmen eines Auslandssemesters bin ich für ein halbes Jahr nach Südafrika gezogen. In Kapstadt habe ich dann in einer tollen Achter-Wg gewohnt, in der ich meinen späteren Mitgründer Konstantin kennengelernt habe. Der war schon damals ein totaler Fan von frisch gepressten Säften und hat mich jeden Morgen mit einem geweckt. Er war es auch, der mit mir zusammen das Saftfasten ausprobieren wollte. Das haben wir dann einfach mal gemacht. Am dritten Tag bin ich plötzlich voller Energie aus dem Bett gesprungen, fühlte mich großartig und fing an darüber nachzudenken, dass ich auch außerhalb meiner Familie Unternehmerin werden könnte – und zwar mit Säften …“

… die ungewöhnliche Firmengründung: „Wir sind total naiv in das Unternehmen gestartet. Obwohl wir beide BWLer sind, haben wir nichts von dem gemacht, was wir im Studium gelernt haben. Businessplan, Swot-Analyse, Listen – haben wir alles nicht gehabt. Zu dem Zeitpunkt war uns einfach nicht bewusst, dass das ein großes Business wird. Wir haben das erst mal als Hobby gesehen und nicht so ernst genommen. Grade dafür bin ich heute wahnsinnig dankbar. Hätten wir vorher alles genau analysiert, hätten wir wahrscheinlich keine Firma gegründet, die auf Saftkuren setzt.“

… Hamburg als Firmenstandort: „Meinem Geschäftspartner Konstantin musste ich damals versprechen, dass wir, sollte Kale&Me funktionieren, die Firma in Hamburg aufbauen. Er ist Hamburger und konnte sich wie viele Menschen, die hier aufgewachsen sind, nicht vorstellen, die Stadt zu verlassen. Im Nachhinein bin ich auch dafür unglaublich dankbar. Für das, was wir machen, hätte der Standort wegen der Nähe zum Hafen und dem Alten Land gar nicht besser sein können.“

… schwarze Zahlen: „Für mich besteht die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens aus schwarzen Zahlen. So bin ich aufgewachsen: Wenn man etwas verkauft, muss man so viel verdienen, dass man wieder etwas produzieren kann, um es zu verkaufen. Investitionen sollten nicht in laufende Mittel fließen. Deshalb wollten wir schnellstmöglich in die schwarzen Zahlen kommen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass wir ein Realprodukt haben, also die Säfte selbst produzieren. Deshalb war uns wichtig, immer sehr nah am Deckungsbeitrag zu agieren. Wir haben immer darauf gesetzt, organisch zu wachsen – nach dem ersten Jahr haben wir schwarze Zahlen geschrieben.“

… die Vorteile des Saftfastens: „Es passieren drei wichtige Dinge beim Fasten: Wenn der Körper von außen zu wenig Kalorien bekommt, fängt er an, sich quasi selbst aufzuessen. Dadurch erneuern sich Zellen. Je nachdem, wie lange ich faste, desto stärker wird der Effekt. Beim Saftfasten hat man außerdem zusätzlich noch die Darmentlastung. Und dann gibt es noch den mentalen Effekt. In dem Moment, in dem der Körper denkt, er bekommt nichts mehr zu essen, schüttet er ganz viel aus – zum Beispiel Dopamin und Endorphine. Dieses Fastenhoch führt zu superpositiven Effekten im Kopf. Viele nennen es einen „Reset“.

Entscheider treffen Haider

… den Unterschied zwischen Intervallfasten und Saftfasten: „Wir sagen immer: Intervallfasten ist weniger eine Art des Fastens, sondern eher eine Ernährungsform, die aber total vielen Menschen guttut. Man isst etwas kalorienreduzierter, weil das Zeitfenster kleiner ist, es führt zu mehr Regelmäßigkeit und regt trotzdem noch den Zellerneuerungsprozess an. Der mentale Fasteneffekt bleibt aus, nicht nur das Fastenhoch, auch die Darmentlastung findet nicht statt.“

… ihre Fastenrituale: „Ich faste immer, wenn ich einen aufgeräumten Kopf brauche. Vor stressigen Phasen setze ich das wirklich als Methode ein. Ich bin danach klarer, habe neue Ideen und komme immer mit einem Stückchen gesünderen Leben raus.“