Hamburg. Hamburger Unternehmen Kale and me findet zwar keinen Investor in der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“, expandiert aber dennoch stark.

Dass es nichts werden würde in der „Höhle der Löwen“, hat Annemarie Heyl schon vorher gewusst: „Ich wäre damals auch nicht bei uns eingestiegen, wir hatten ja im Grunde keine Marge“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin des Hamburger Saftkur-Start-ups Kale and me über den Auftritt der drei Gründer in der Investoren-Show im TV-Sender Vox vor gut zwei Wochen. Auf den ersten Blick war die schon im Frühjahr aufgezeichnete Sendung kein Erfolg für die Anfang 2015 gegründete Firma mit Sitz an der Bleicherstraße auf St. Pauli: Keiner der Juroren und Investoren war bereit, 200.000 Euro für acht Prozent der Unternehmensanteile lockerzumachen.

Doch gelohnt hat sich der Ausflug ins Fernsehstudio allemal, denn seit der Ausstrahlung der Sendung, die bis zu 2,8 Millionen Zuschauer hatte und in der Jurorin Judith Williams ausführlich von einer Saftkur schwärmte, kann sich das Unternehmen vor Bestellungen kaum retten. „Unmittelbar nach der Sendung waren zeitweise mehr als 100.000 Menschen gleichzeitig auf unserer Homepage“, sagt Annemarie Heyl. Und überraschend viele davon wollten nicht nur gucken, sondern auch kaufen. „4000 bis 5000 Bestellungen“ seien allein durch die Sendung hereingekommen. Im Durchschnitt ordern Kunden pro Bestellung mehr als 20 Flaschen des kalt und damit für die Inhaltsstoffe schonend gepressten Frischsafts. Eine Drei-Tage-Kur mit dreimal sechs Flaschen kostet ohne Versand 79 Euro.

Zutaten der Säfte stammen überwiegend aus der Region

Sechs unterschiedliche Sorten stellt das Unternehmen in einer Mosterei in der Lüneburger Heide her, die Drinks tragen Namen wie Pamela Pine, Rosy Roots oder Kalvin Kale und enthalten Zutaten wie Apfel, Gurke, Rote Bete, Ananas, Sellerie, Karotte, Spinat oder Grünkohl. Der heißt auf Englisch Kale und ist letztlich der Namensgeber der ganzen Unternehmung. Das Obst und das Gemüse stammen überwiegend aus der Region.

Vom Erfolg nach der Sendung wurde Kale and me fast überrollt. Obwohl Annemarie Heyl (29), Konstantin Timm (26) und David Vinnitski (25) intensiv vorproduziert hatten, waren einige der Säfte zeitweise ausverkauft. Auch weil 15.000 der zusätzlich produzierten Flaschen Frischsaft auf dem Weg von der Mosterei ins Hamburger Lager unbrauchbar wurden. Statt am Freitagnachmittag stand der Fahrer erst Montagmorgen vor dem Tor. Wo die Ware zwischendurch war, ließ sich nicht sicher klären. „Ein Versicherungsfall, aber es ist natürlich ärgerlich, Kunden sagen zu müssen, dass wir erst in zwei, drei Wochen liefern können“, sagt Heyl. Trotzdem ist sie mittlerweile überzeugt, dass die für 2016 geplanten eine Million Euro Umsatz übertroffen werden.

Die „Höhle der Löwen“ hat einem Unternehmen zusätzlichen Schub gegeben, das sich in den vergangenen zwölf Monaten ohnehin stark verändert hat. Im Herbst 2015 konzentrierte sich Kale and me noch ganz auf den Online-Versand. Im Einzelhandel gab es die Säfte nicht, weil die Händler Margen verlangten, die mit dem Produktionsverfahren nicht in Einklang zu bringen waren. Eine Flasche hätte deutlich mehr als 5 Euro gekostet – Produkte von Mitbewerbern wie Rawganic Revolution sind erheblich günstiger.

Mittlerweile aber sind auch Pamela Pine und Co. in etwa zwei Dutzend Edeka-Märkten zu haben, in einer ganzen Reihe von Filialen der Hamburger Reformhaus-Kette Engelhardt stehen die 320-Milliliter-Flaschen ebenfalls im Kühlregal. Der Verkauf im Handel, wo eine Flasche zwischen 4,80 und 5 Euro kostet, trägt etwa 15 Prozent zum Gesamtumsatz bei. „Wir konnten die Produktionskosten deutlich senken, um 40 bis 50 Cent pro Flasche“, sagt Annemarie Heyl. So haben die Saftpresser zum Beispiel gelernt, dass man nicht jede Rote Bete von Hand schälen muss, sondern, dass es reicht, das Gemüse gründlich zu waschen und zu halbieren, bevor es in die Presse kommt. Wichtiger noch: Ende des vergangenen Jahres kam frisches Geld ins Unternehmen.

Ein Saft aus Orangen und Sanddorn ist geplant

Global Founders Capital, das Beteiligungsunternehmen der Samwer-Brüder, und ein Münchner Biogasunternehmen übernahmen gemeinsam etwas mehr als 20 Prozent der Anteile. „Früher haben wir immer mal wieder 2000 leere Flaschen nachbestellt, jetzt können wir 250.000 Stück auf einmal und damit natürlich erheblich günstiger ordern“, sagt Heyl. Sie und ihre Mitgründer machen sich an Produktionstagen zwar immer noch selbst auf den Weg zur Mosterei, doch mittlerweile beschäftigt das Unternehmen eine Handvoll festangestellter Mitarbeiter sowie eine Reihe von Aushilfen. Und seit Ende 2015 genehmigen sich die Chefs sogar ein Gehalt. „Es reicht zum Leben, aber groß in Urlaub fahren ist nicht drin.“ Dafür wäre derzeit aber ohnehin keine Zeit. In einigen Wochen will Kale and me den nächsten, den siebten Saft auf den Markt bringen: Billy Basil. Aus Orangen und Sanddorn mit – der Name sagt es schon – einem Schuss Basilikum.

Telefonisch ist Kale and me montags bis freitags zwischen 9 und 19 Uhr unter der Hamburger Telefonnummer 87 09 10 81, im Internet unter kaleandme.de. Auf der Homepage gibt es eine Übersicht, in welchen Geschäften die Säfte derzeit gekauft werden können.