Hamburg. Nach dem Deal mit den Ankerkraut-Gründern wächst Veggie Crumbz mit Panaden aus Gemüse. Was als Nächstes in den Ofen kommt.
Wenn Marlon Harms in den vergangenen Tagen durch Hamburg geradelt ist, konnte er seine Gemüsebrösel gar nicht aus dem Blick verlieren. „Na Hase? Bock auf Möhr?“ – mit diesem Wortspiel war Ende Juli auf 300 Litfaß-Säulen in der Stadt Werbung für seine Firma Veggie Crumbz zu sehen.
Die Kampagne ist Ergebnis eines kreativen Studierendenprojekts des Außenwerbungsspezialisten Ströer. „Es ist schon toll, wenn die eigene Marke beim Vorbeifahren immer wieder auftaucht“, sagt der Gründer. Wie ihm geht es offenbar auch anderen. Immer wieder sei er auf die digitalen Plakate angesprochen worden. „Da ist man schon stolz.“
„Höhle der Löwen“ – Hamburger Brösel-Firma erobert die Supermärkte
Es läuft bei Marlon Harms. Nachdem er vor zwei Jahren bei einem Auftritt in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ einen Deal mit Anne und Stefan Lemcke an Land gezogen hat, ist der 28-Jährige gut im Geschäft mit seinen Gemüsepanaden.
200.000 Euro hatten die Ankerkraut-Gründer in dem quotenträchtigen Investorenwettstreit in die Geschäftsidee des Hamburgers gesteckt und dem Start-up – ähnlich wie es bei ihrem eigenen Auftritt 2016 gelaufen war – mit einem Schlag zu größerer Bekanntheit verholfen. Schließlich hatte der Jungunternehmer damals den Gast-Löwen anstelle des Hamburger Unternehmers und Vertriebsprofis Ralf Dümmel den Vorzug gegeben. Der reagierte düpiert.
Höhle-der-Löwen-Deal: Auch großer Lebensmittelhersteller hat Interesse
Die Idee hinter Veggie Crumbz: Statt alter Brotstücke setzt der Gründer frisches Gemüse als knusprigen Bröselüberzug für Frittiertes und Gebackenes ein. Dahinter steckt ein komplexes, neues Herstellungsverfahren, das er mit Experten in einem mehrjährigen Prozess entwickelt hat.
Das Ergebnis ist nicht nur glutenfrei, sondern auch gesünder – und ziemlich lecker. Mit drei Sorten war Veggie Crumbz im Online-Shop gestartet: Orange Carrot (gelbe Karotten), Red Beet (rote Beete) und Cauliflower (Blumenkohl).
Das Potenzial hatten nicht nur die Ankerkraut-Gründer erkannt, sondern auch Semmelbröselriese Leimer aus dem bayerischen Traunstein. „Schon kurz nach der Ausstrahlung der Sendung hat sich der Geschäftsführer bei mir gemeldet“, sagt Marlon Harms.
Selbstbewusst verhandelte der Youngster mit dem traditionsreichen Lebensmittelhersteller. Herausgekommen ist nicht etwa eine Übernahme, wie man vielleicht denken könnte. Der Deal: Leimer bringt mit seinem engmaschigen Vertriebsnetz jetzt auch die Produkte von Veggie Crumbz in die Läden.
„Es hat erwartungsgemäß etwas gedauert, aber seit einem Monat sind wir in mehr als 4000 Rewe-Märkten vertreten“, sagt Harms. Auch bei Edeka sollen die Gemüsebrösel demnächst im Regal stehen. Der Preis pro 200-Gramm-Packung: 3,99 Euro.
Gemüsepanaden für US-Lebensmittelhersteller
„Das ist nicht billig, aber Rohstoffe und Herstellungsverfahren sind aufwendig“, sagt der Gründer im Konferenzraum seiner Firmenzentrale in der Hamburger Altstadt. Erst seit vergangenem Jahr hat er ein eigenes Büro gemietet. Wände, Regale, Displays – immer wieder taucht auf der 170-Quadratmeter-Fläche die Firmenfarbe auf – ein kräftiges Mintgrün.
So peppig der Auftritt, seine Geschäftsphilosophie ist eher konservativ. „Statt dem extremen Wachstum, das andere Start-ups mit immer neuen Finanzierungsrunden in den vergangenen Jahren gepusht haben, setzen wir auf organisches Wachstum“, sagt der Jung-Unternehmer, der vor vier Jahren seinen Studienabschluss in Sozialökonomie mit Schwerpunkt Marketing gemacht hat. Mit vier festangestellten Beschäftigten schmeißt er den Laden, inklusive Online-Versand.
Das Hauptgeschäft macht Veggie Crumbz mit Großkunden in der Industrie. Das kommt nicht ganz von ungefähr. Marlon Harms stammt aus einer Unternehmerfamilie, die seit Jahrzehnten unter anderem luft- und gefriergetrocknetes Gemüse produziert.
Harms Junior beliefert mit seinem Unternehmen Ebbe und Food, unter deren Dach Veggie Crumbz als Marke firmiert, zahlreiche Kunden in der Lebensmittelbranche und in der Gastronomie, die für ihre Gemüsefertigprodukte eine innovative Panade suchen. „Inzwischen haben wir auch mehrere Kunden in den USA“, sagt er. Insgesamt macht das Industriegeschäft 80 Prozent des Umsatzes aus.
Veggie Crumbz will bis Jahresende profitabel sein
Seit dem Start 2019 sind die Verkaufszahlen von Veggie Crumbz stetig gewachsen. 2022 erwirtschaftete das junge Unternehmen gut eine halbe Million Euro Umsatz. „In diesem Jahr haben wir uns um 280 Prozent gesteigert. Bis jetzt.“ Der Plan für 2023 sieht Erlöse in Höhe von drei Millionen Euro vor. Zum Jahresende soll Veggie Crumbz profitabel sein.
Dass es in den vergangenen Jahren immer nur nach oben ging, hat auch mit dem Einstieg von Ankerkraut zu tun. Für den 200.000 Euro-Deal hatte das Gewürzunternehmen 2021 zehn Prozent Anteile an Veggie Crumbz bekommen. „Sie haben ihr Versprechen gehalten und unterstützen uns bis heute persönlich“, sagt Marlon Harms.
Am Anfang waren es Themen wie der Aufbau des Online-Shops, dann der Versand der Bestellungen aus dem Ankerkraut-Lager in Stelle. Im Zuge des Ankerkraut-Verkaufs an Nestlé im April 2022 wurden die Anteile an Veggie Crumbz an die neue Beteiligungsfirma Dynamite Capital, in der neben Anne und Stefan Lemcke auch die Ankerkraut-Geschäftsführer Timo Haas und Alexander Schwoch engagiert sind, weiterverkauft.
„An der Zusammenarbeit hat das nichts geändert“, sagt Veggie-Crumbz-Chef Harms. Noch immer sei er mit den Lemckes etwa einmal in der Woche in Kontakt. „Wir lieben Veggie Crumbz und sind superstolz auf die Gründer! Das hat sich seit unserem Investment bei der „,Höhle der Löwen’ nicht geändert‘“, sagen Anne und Stefan Lemcke. In der Herbststaffel der TV-Show, die im September startet, ist ein Rückblick auf den Deal der Gast-Löwen geplant.
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Inzwischen gehören neben den drei Gemüsepanaden auch Gemüseriegel, ein Topping und einige Saucen zum Sortiment von Veggie Crumbz. Der nächste Schritt steht mit der Einführung einer neuen Tiefkühl-Produktlinie im September bevor. Unter dem Namen Bite’z bringt Veggie Crumbz gefrostete Gemüsebällchen auf den Markt, die im Backofen oder einer Heizluftfritteuse schonend und fettfrei heiß gemacht werden können.
Höhle-der-Löwen-Firma mit „Gemüse der zweiten Generation“
„Die Idee ist entstanden, weil ich in den vergangenen Jahren häufig mit verschiedensten Tiefkühlprodukten in Berührung gekommen bin, mit diesen jedoch nie so ganz zufrieden war“, sagt der Firmengründer, der sich selbst als „Panade-Fan“ bezeichnet. „Man muss mit dem Geschmack überzeugen“, sagt Harms. Er selbst ist übrigens weder Vegetarier noch vegan, aber verzichtet möglichst oft auf Fleisch. Produkte aus echtem Gemüse, so seine Überzeugung, können perfekter Fleischersatz sein, ohne etwas zu imitieren. „Damit kann man viele tolle neue Produkte machen, praktisch die Gemüseprodukte der zweiten Generation.“
Seine Gemüsebällchen gibt es in drei ungewöhnlichen Geschmacksvarianten, unter anderem mit Curry gewürztem Blumenkohl und einer Rote-Beete-Panade. „Der Gemüseanteil liegt bei 70 Prozent“, sagt der Veggie Crumbz-Chef. Bis Ende des Jahres gibt es noch eine weitere Neuheit: Croûtons auf Rote-Beete-Basis. Seine Art, mehr Gemüse unter die Leute zu bringen.