Hamburg. Wirtschaftssenatorin Leonhard war fest davon ausgegangen, dass die Bürgerschaft in dieser Woche final abstimmt. Doch daraus wird nichts.

Seit mittlerweile zehn Monaten wird über den geplanten Einstieg der Schweizer Reederei MSC beim Hafenkonzern HHLA gestritten. Doch wer glaubt, dass das politische Gezerre an diesem Mittwoch mit einer Bürgerschaftsabstimmung sein vorläufiges Ende findet, ist auf dem Irrweg.

Neben der Linken hat sich am Montag auch die CDU-Fraktion darauf verständigt, bei der Bürgerschaftsabstimmung die sogenannte „Zweite Lesung“ über den Teilverkauf der HHLA zu verhindern. Damit wird die Entscheidung über den MSC-Deal erneut verzögert, und zwar um fast zwei Monate bis zum 4. September. Die Opposition nutzt dazu eine Möglichkeit, die ihr die Geschäftsordnung der Bürgerschaft eröffnet.

Hamburger Hafen: MSC-Deal wird in der Bürgerschaft zur Hängepartie

Wie das Abendblatt berichtete, muss das Landesparlament bei wichtigen Dingen wie Gesetzesvorhaben zweimal abstimmen. Bei unkritischen Themen geschieht diese zweite Abstimmung in der Regel direkt nach dem ersten Votum. Sind aber 20 Prozent der Abgeordneten dagegen, wird die zweite Lesung auf die folgende Bürgerschaftssitzung verschoben. In diesem Fall haben CDU und Linke zu große Bedenken gegen das Vorhaben des Senats, sodass sie von diesem Recht Gebrauch machen. Zusammen erreichen CDU und Linke das notwendige Quorum. Da aber zwischen die Bürgerschaftssitzungen die Sommerpause des Parlaments fällt, wird der MSC-Deal jetzt zur Hängepartie.

Dabei hatte sich Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) zuletzt zuversichtlich gezeigt, das Thema in einem Rutsch abzuräumen: Im Abendblatt-Podcast „Hamburg am Morgen“ sagte sie, dass sie bei der Abstimmung am Mittwoch keine Verzögerung erwarte.

Mehr Risiken als Chancen beim MSC/HHLA-Deal

Demgegenüber sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU, Dennis Thering, nach der Fraktionssitzung am Montag: „Der MSC-HHLA-Deal ist schlecht für Hamburg. Das sehen nicht nur wir als Opposition so, sondern auch viele Experten und selbst in den eigenen Reihen von SPD und Grünen gibt es Widerstand. Die Risiken überwiegen eindeutig die Chancen – und deshalb werden wir einer zweiten Lesung am Mittwoch die Zustimmung verweigern.“ Für den rot-grünen Senat und die Bürgerschaft ergebe sich somit die Möglichkeit, diese für die Stadt und den Hafen weitreichende Entscheidung zu überdenken. 

Containerschiff MSC England DEU, Deutschland, Hamburg: Das Containerschiff MSC England verlässt Hamburg am Nachmittag. H
Das Containerschiff „MSC England“ im Hamburger Hafen; die Schweizer Reederei will mehr Ladung nach Hamburg bringen. © IMAGO/Nikito | IMAGO stock

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Götz Wiese, ergänzte: „Der Senat hat gesagt, die Hamburgerinnen und Hamburger würden den Deal schon gut finden, wenn die Fakten erst einmal bekannt sind. Das Gegenteil ist der Fall, und nicht nur ganz viele Bürger, sondern auch Hafenarbeiter und Experten lehnen den Verkauf von Anteilen an der HHLA-Holding fundamental ab.“

AfD droht mit Volksbefragung zu MSC/HHLA-Deal

Sogar wichtige, erfahrene Menschen wie der ehemalige hafenpolitische Sprecher, Joachim Seeler, und Gewerkschafter seien aus der SPD ausgetreten, sagt der hafenpolitische Experte der Linksfraktion, Norbert Hackbusch. In der vergangenen Woche habe sich zudem die Delegiertenversammlung der IG Metall (bisher eine sozialdemokratische Bastion) gegen die weitere Privatisierung ausgesprochen. „Das zeigt, dass die Debatte über diese Jahrhundertentscheidung noch in vollem Gange ist“, so Hackbusch weiter.

Er hält den Kaufpreis für zu gering, zweifelt die versprochenen Investitionen in den Hamburger Hafen an und kritisiert den Machtgewinn für MSC. „Eine solche Entscheidung lässt sich zudem nur äußerst schwer zurückholen“, warnt Hackbusch. Auch die AfD ist gegen den Deal und droht mit einer Volksbefragung.

EU äußert sich zum MSC/HHLA derzeit nicht

Das Kalkül der Opposition ist klar: Sie will den vermeintlichen Aufschub dazu nutzen, in den an und für sich geschlossenen Reihen der Regierungskoalition aus SPD und Grünen mehr Zweifel an der Transaktion zu säen. Im Haushaltsausschuss hatten bisher SPD-Urgestein Mathias Petersen sowie die Grünen-Abgeordnete Gudrun Schittek klargemacht, dass sie gegen den Deal stimmen werden.

Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft
Dennis Thering, Fraktionsvorsitzender der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft – will die endgültige Abstimmung über den MSC-Deal am Mittwoch verhindern. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Schützenhilfe erhofft sich die Opposition zudem von der EU. Bekanntlich liegen in Brüssel mehrere Beschwerden gegen den Deal vor. Der Vorwurf: Der Kaufpreis sei so gering, dass dieses einer ungerechtfertigten Beihilfe entspreche. Bisher hat sich die EU zu dem Vorwurf nicht geäußert. Sie hat lediglich die Beschwerdeführer aufgefordert, weitere Informationen zu liefern.

Hamburger Hafen: Wirtschaftssenatorin verteidigt Kaufpreis für HHLA an MSC

Senatorin Leonhard hatte im Abendblatt-Podcast den Kaufpreis von 16,75 Euro pro HHLA-Aktie verteidigt. Der Börsenkurs habe kurz vor dem Deal mit MSC zum Teil bei unter 11 Euro gelegen. Zudem brauche die HHLA dringend Geld, um sich neu auszurichten. Investitionen in die Hafen-Infrastruktur und in Terminals seien notwendig. „Es hat ja nicht umsonst mehrere Preisgutachten gegeben, die allesamt zu dem Ergebnis gekommen sind, der Preis ist fair und angemessen und spiegelt auch die Situation, in der sich das Unternehmen gegenwärtig befindet, gut wider“, so Leonhard.

Die SPD-Politikerin glaubt nicht daran, dass die EU eine Untersuchung einleitet: „Wir haben keine Erkenntnisse darüber, dass die EU-Kommission gegenwärtig ein Verfahren eröffnen wird.“

Wie berichtet will der Hamburger Senat die HHLA neu ordnen und künftig zusammen mit MSC führen. Die Stadt soll dazu ihre Anteile an der HHLA von derzeit knapp 70 Prozent auf 50,1 Prozent reduzieren. Die restlichen Anteile werden an die Reederei verkauft, die zusammen mit den aufgekauften Aktien aus dem Streubesitz bis zu 49,9 Prozent der HHLA erhält.

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MSC will im Gegenzug seine Deutschlandzentrale nach Hamburg verlegen und verspricht zudem, mehr Ladung in den Hafen zu bringen. Die Schweizer Reederei, die dem italienischen Unternehmer Gianluigi Aponte gehört, hatte erst in der vergangenen Woche angekündigt, zwei zusätzliche Dienste nach Hamburg zu transferieren.