Hamburg. Finale Abstimmung in der Bürgerschaft erst im September? In hitziger Debatte prallen die unterschiedlichen Meinungen aufeinander.

Der Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim überwiegend städtischen Hamburger Hafenkonzern HHLA ist eine Entscheidung von enormer Tragweite – für das Unternehmen und seine Beschäftigten ebenso wie für den gesamten Hamburger Hafen. Die Opposition in der Bürgerschaft kritisiert daher nicht nur den geplanten Deal an sich, sondern auch den Zeitdruck, unter dem die Entscheidung fallen soll.

Nach nur wenigen Monaten Beratung in den Fachausschüssen der Bürgerschaft soll das Parlament eigentlich in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 10. Juli grünes Licht geben. Doch daraus könnte nichts werden und die finale Abstimmung stattdessen erst am 4. September stattfinden.

MSC-HHLA-Deal: Finale Abstimmung erst im September?

Hintergrund ist die „zweite Lesung“: Über Gesetzesänderungen und andere wichtige Vorhaben muss die Bürgerschaft laut Geschäftsordnung zweimal abstimmen, wobei zwischen der ersten und zweiten „Lesung“ mindestens sechs Tage liegen müssen. In der Theorie soll das den Abgeordneten die Möglichkeit geben, noch einmal über den Sachverhalt nachzudenken. In der Praxis wird diese zweite Lesung fast immer direkt im Anschluss an die erste Abstimmung durchgeführt.

Das setzt jedoch voraus, dass der Senat zustimmt und kein Widerspruch aus dem Parlament kommt. Doch genau den dürfte es beim MSC-Deal geben. Die zweite Lesung zu verweigern, sei durchaus eine Option, heißt es bei CDU und Linkspartei. Um das in diesem Fall nötige 20-Prozent-Quorum zu erreichen, müssten beide Fraktionen die zweite Abstimmung verweigern. Ob sie das tatsächlich tun werden, entscheide sich aber wohl erst kurz vor der Sitzung am 10. Juli.

Öffentliche Anhörung - Massive Kritik an HHLA-Teilverkauf an MSC

Inhaltlich wäre das jedenfalls nur konsequent. Zuletzt musste auch die Abstimmung im federführenden Haushaltsausschuss vertagt werden, nachdem die Linkspartei mit Unterstützung der CDU in letzter Minute eine öffentliche Anhörung durchgesetzt hatte. So konnten die Kritiker des HHLA-Teilverkaufs vergangene Woche noch einmal ordentlich Dampf ablassen – bevor der Ausschuss dann mit Verzögerung doch zustimmte.

Dabei zeigte sich, dass auch Rot-Grün nicht völlig geschlossen hinter dem Deal steht. So stimmt der Ausschuss-Vorsitzende und frühere SPD-Landesvorsitzende Mathias Petersen (SPD) dagegen. Auch bei den Grünen gibt es vereinzelt Kritik. Die vorsichtige Hoffnung bei CDU und Linken ist, dass diese Zweifel noch mehr werden und daher eine Fortsetzung der Debatte nach dem Sommer noch etwas bewegen könnte.

CDU: „HHLA-Verkauf ist ein schlechter Deal für Hamburg“

„Der MSC-HHLA-Deal von Tschentscher und Rot-Grün ist weiterhin hochumstritten“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering dem Abendblatt. „Der Widerstand aus der Hafenwirtschaft und selbst aus den eigenen Reihen von SPD und Grünen ist massiv. Die öffentliche Anhörung in der letzten Woche hat die Kritik noch einmal bestätigt.“ Auf die Frage, ob man das Verfahren verzögern werde, hielt sich Thering noch bedeckt: „Alles andere ist noch nicht entschieden.“

In der SPD-Fraktion sieht man die Überlegungen der Opposition kritisch. „Das ist eine ungünstige Situation für die HHLA, weil sie ohne Beschluss der Bürgerschaft in der Luft hängt“, sagte Markus Schreiber, Fachsprecher für öffentliche Unternehmen, dem Abendblatt. „Aber das müssen CDU und Linke verantworten. Am Ende wird die rot-grüne Mehrheit bei dieser zukunftsweisenden Entscheidung für den Hamburger Hafen stehen.“

SPD sicher: Rot-grüne Mehrheit wird hinter HHLA-MSC-Deal stehen

Die börsennotierte HHLA gehörte bislang zu knapp 70 Prozent der Stadt, der Rest war in Streubesitz. Diese Aktien hat MSC schon weitgehend aufgekauft, zudem will die Stadt knapp 20 Prozent an die Reederei abgeben. Am Ende soll Hamburg nur noch eine Mehrheit von 50,1 Prozent an dem Konzern halten. Diese strukturelle Mehrheit soll allerdings durch eine Änderung des Hafengesetzes langfristig festgeschrieben werden.

Norbert Hackbusch (Die Linke) forderte in der Bürgerschaft ein Referendum über den Teilverkauf der HHLA an die Reedeei MSC.
Norbert Hackbusch (Die Linke) forderte in der Bürgerschaft ein Referendum über den Teilverkauf der HHLA an die Reedeei MSC. © FUNKE Foto Services | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Unabhängig von der Frage, wann die Entscheidung über das Geschäft fällt, kam es in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft am Mittwoch zu einer fast zweistündigen, intensiven Debatte über das Thema. Darin prallten erneut die gegensätzlichen Positionen unversöhnlich aufeinander: CDU, Linkspartei, AfD und FDP kritisierten den HHLA-Teilverkauf als schlecht für Hamburg und den Hafen, Rot-Grün verteidigte seine Pläne als große Chance, dem Hafen wieder mehr Wachstum zu verschaffen. So weit, so bekannt.

Linkspartei fordert ein Referendum über die HHLA-Zukunft

Neu war die Forderung der Linkspartei nach einem Referendum. „Je mehr Informationen über die ‚strategische Beteiligung‘ bekannt werden, desto stärker wächst die Ablehnung“, sagte ihr hafenpolitischer Sprecher Norbert Hackbusch. Eine solche Jahrhundertentscheidung dürfe nicht von einzelnen Senatsmitgliedern gefällt werden – eine Anspielung darauf, dass der Deal vor allem von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) verhandelt worden war. Hackbusch: „Die Linksfraktion fordert den Senat daher auf, die Hamburgerinnen und Hamburger darüber abstimmen zu lassen.“

Anders als bei einem Volksentscheid, der durch eine Volksinitiative angestoßen werden muss und jahrelange Vorlaufzeiten benötigt, geht bei einem Referendum die Initiative von Senat und Bürgerschaft aus: Sie können von sich aus die Bürger über wichtige Fragen abstimmen lassen. Diese Möglichkeit ist 2015 eigens geschaffen worden, um sich des Rückhalts der Bevölkerung für die Olympia-Bewerbung zu vergewissern. Das ging jedoch schief: Die Wählerinnen und Wähler sprachen sich mit knapper Mehrheit gegen das Großereignis aus.

Grüne: Referendum über MSC-HHLA-Deal ist eine „absurde Idee“

Seitdem kam es zu keinem weiteren Referendum mehr. Und wenn es nach der rot-grünen Regierungslager geht, dürfte das auch im Fall MSC so bleiben. Es sei „eine absurde Idee“, zu so einer komplexen Fragestellung das Volk befragen zu wollen, sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen zum Vorstoß der Linken. Im Übrigen habe der Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an einem städtischen Logistikkonzern, so wichtig er auch für die Stadt sei, nicht die nötige Dimension für ein Referendum.

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Das sorgte für scharfe Kritik der Opposition. „Was ist das denn für eine Haltung?“, fragte David Stoop (Linke). Der von der Grünen kräftig unterstützte und noch heute als großer Erfolg gefeierte Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze sei doch mindestens ebenso komplex gewesen. Auch Anna v. Treuenfels-Frowein (FDP) sagte, sie würde den Bürgern durchaus „zutrauen, dass sie darüber entscheiden können“. Lorenzen stellte später klar, auch er halte die Bürger keinesfalls für „zu doof“, sondern nur die Fragestellung für ein Referendum „nicht geeignet“.