Hamburg/Papenburg. Jobabbau trotz voller Auftragsbücher beschlossen. Unternehmen und Politik warten auf Sanierungsgutachten. So soll die Rettung gelingen.
Die in ihrer Existenz bedrohte Meyer Werft in Papenburg ist noch lange nicht gerettet. Zwar haben sich Unternehmen und Arbeitnehmer auf einen Plan zur Restrukturierung des Schiffbauers von der Ems geeinigt. Aber zur finanziellen Absicherung des Geschäftsbetriebs sind weitere Schritte notwendig. Auch staatliche Hilfen werden benötigt.
„Die Arbeitnehmer haben ihren Teil zur Sanierung beigetragen, jetzt sind das Land Niedersachsen und der Bund am Zug“, sagte der IG-Metall-Bevollmächtigte der Region Leer/Papenburg, Thomas Gelder, dem Abendblatt. Wie berichtet, hatten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber am Dienstag auf Kernpunkte zur Werft-Sanierung geeinigt.
Meyer Werft schwer angeschlagen – Investorensuche läuft auf Hochtouren
Die Arbeitnehmerseite stimmte in einer Rahmenvereinbarung dem Abbau von 340 Stellen zu, der möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen umgesetzt werden soll. Das sind weniger als ursprünglich gefordert. Die Unternehmensführung akzeptierte die Bildung eines Aufsichtsrats und eines Konzernbetriebsrats. Auch soll der Firmensitz wieder von Luxemburg nach Deutschland verlegt werden.
Bis Ende 2030 soll der Vereinbarung zufolge eine Belegschaftsstärke von mindestens 3100 Beschäftigten, davon mindestens 1200 Tarifbeschäftigten, garantiert werden. Jährlich sollen mindestens 45 Auszubildende und neun dual Studierende eingestellt werden. „Auch für die Werkverträge haben wir teilweise eine Lösung gefunden“, sagte Gelder. „Die grundsätzlichen Probleme löst das aber noch nicht.“
Meyer Werft weiter in Gefahr
Das für seine Kreuzfahrtschiffe weltbekannte Traditionsunternehmen durchlebt derzeit die schwerste Krise seiner mehr als 200-jährigen Existenz. Bis Ende 2027 müssen mehr als 2,7 Milliarden Euro finanziert werden, 400 Millionen Euro davon entfallen auf eine notwendige Erhöhung des Eigenkapitals. Bei den restlichen 2,3 Milliarden Euro geht es um die Vorfinanzierung von zwei Schiffsneubauten für die Carnival Gruppe, für die Bürgschaften des Landes und des Bundes in Höhe von 1,8 Milliarden Euro notwendig sind, die sich der Bund und das Land Niedersachsen teilen sollen.
Die Zeit drängt, denn bereits im November muss die Meyer Werft einen Kredit über mehrere 100 Millionen Euro zurückzahlen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat die Einigung zwischen Unternehmen und IG Metall zwar wortreich begrüßt: Insbesondere die geplante Einrichtung eines Aufsichtsrats und eines Konzernbetriebsrates sei ein Signal für einen transparenten und mitbestimmten Neustart der Werft. Wie es aber weitergeht, dazu hält sich Lies noch bedeckt.
Meyer Werft: Wirtschaftsminister sieht Chance auf Rettung
Er wartet wie alle Beteiligten auf ein IDW s6. So heißt das vom Chefsanierer der Werft, Ralf Schmitz, bei Deloitte in Auftrag gegebene Sanierungsgutachten, das zunächst einmal die Restrukturierungsfähigkeit der Meyer Werft feststellen soll. Lies ist sehr zuversichtlich, dass diese gegeben ist: „Die Werft hat eine sehr gute Auftragslage, und auch die Kundenstruktur stimmt“, ließ der Minister über einen Sprecher ausrichten.
Die Situation sei damit anders als damals bei den MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern, die aufgrund der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden Genting in die Insolvenz rutschten. Gleichwohl erwartet die Politik, dass die Meyer Werft ihren eigenen Sanierungsbeitrag leistet. Eine Eigenkapitallücke von mehreren 100 Millionen Euro entsteht nicht über Nacht.
Vielmehr hat das Unternehmen, dessen Auftragsbücher bis Ende 2027 gefüllt sind, in der Vergangenheit den Fehler begangen, Festpreise für die bestellten Schiffe zu vereinbaren, ohne Preisanpassungsklauseln einzufügen. Da aber die Kosten für Material, Löhne und Energie massiv gestiegen sind, wurden die Schiffe teurer.
Ein weiteres Problem ist die Schiffsfinanzierung, die schon immer auf Kante genäht war: Zwar zahlen die Reedereien ihre bestellten Schiffe an. Aber fast 80 Prozent des Preises werden erst überwiesen, wenn das Schiff fertig ist. In der Vergangenheit gelang es der Meyer Werft, die Zwischenfinanzierung zum Bau der Schiffe mit Bankkrediten zu leisten. Doch seit Corona und dem Ukraine-Krieg sind die Banken vorsichtig geworden. Sie verlangen jetzt Bürgschaften für ihre Kredite. Für die kann der Staat aber nur im Ausnahmefall einspringen.
Priorität sei deshalb die Suche nach einem finanzkräftigen Investor für die Meyer Werft, hieß es am Donnerstag aus dem Wirtschaftsministerium in Hannover. Wie das Abendblatt aus dem Unternehmen und dem Wirtschaftsministerium erfuhr, laufen dazu bereits Gespräche – auch über Berlin.
Meyer Werft: Neues Geschäftsfeld macht Hoffnung
Hoffnung macht zudem ein neues Geschäftsfeld neben den Kreuzfahrtschiffen, in das Meyer vor einigen Tagen eingestiegen ist – der Bau von Konverterplattformen für Offshore-Windparks. Meyer übernimmt den Stahlbau.
Der Stromnetzbetreiber Amprion hatte 2022 für den Bau von insgesamt vier Konverterplattformen das spanische Unternehmen Dragados und Siemens Energy beauftragt. Das Konsortium hatte dann die Meyer Werft als Subunternehmer verpflichtet. Konverterplattformen sind große technische Anlagen, die auf fest verankerten Pfählen im Meer stehen. Darin wird der von den Windkraftanlagen produzierte Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt.
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Für die ersten beiden Plattformen, die für die Windparks DolWin 4 und BorWin4 in der Nordsee entstehen, werden 11.500 Tonnen Stahl benötigt. Für die größeren, weil leistungsstärkeren Konverterplattformen für die Windparks BalWin 1 und BalWin 2 sollen 32.000 Tonnen Stahl verarbeitet werden. Der Werft zufolge entspricht die Stahlmenge dem Bau großer Kreuzfahrtschiffe.
Doch bei den vier Plattformen soll es nicht bleiben. Der maritime Koordinator der Bundesregierung, Dieter Janecek, erwartet, dass von 2026 bis 2045 allein für den deutschen Markt 33 Plattformen benötigt werden, die jeweils ein Auftragsvolumen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro haben.