Papenburg/Hamburg. Die letzte deutsche Werft, die Kreuzfahrtschiffe baut, braucht Bürgschaften und Kredite. Die Politik will helfen, unter Bedingungen.

Sie heißen „Spirit of Adventure“, „Spirit of Discovery“ oder „Carnival Jubilee“ und gelten unter Kreuzfahrt-Fans als Traumschiffe und schwimmende Vergnügungsparks. Ebenso wie die 2022 in Dienst gestellte „Arvia“, das größte jemals in Deutschland gebaute Passagierschiff. Allen ist gemeinsam: Sie wurden in den vergangenen Jahren auf der Meyer Werft in Papenburg fertiggestellt.

Allen gemeinsam ist auch: Sie könnten zu den letzten Kreuzfahrtschiffen gehören, die hierzulande zusammengeschweißt wurden. Denn das traditionsreiche niedersächsische Unternehmen, in dem sich 80 Prozent der Werftkapazitäten für den zivilen Schiffbau hierzulande konzentrieren, und das mit seinen Standorten in Rostock und Turku (Finnland) etwa die Hälfte der Kreuzfahrtschiffe weltweit baut, befindet sich mitten in einem perfekten Sturm. Tausende Beschäftigte müssen um ihre Jobs bangen.

Kreuzfahrtschiffe: „Die Lage der Meyer Werft ist dramatisch“

„Die aktuelle Lage der Meyer Werft ist dramatisch und existenzbedrohend“, sagt Daniel Friedrich, der Bezirksleiter Küste der Gewerkschaft IG Metall. Die Situation der Papenburger Kreuzfahrtschiff-Spezialisten ist geradezu paradox. Die Auftragsbücher sind bis 2027 voll, es gibt reichlich zu tun. Doch Meyer droht ein hoher Verlust, wenn es die Aufträge ausführt. In den Finanzplänen der Werft klafft eine Finanzierungslücke in Höhe von 2,7 Milliarden Euro.

Hintergrund: Als die Neubauverträge vor Jahren geschlossen wurden, wurden Festpreise ohne Anpassungsklauseln vereinbart. Seitdem aber sind die Kosten für Material und Löhne erheblich gestiegen.

Kreuzfahrtschiffe: Große Sorge um einzige deutsche Werft

Bereits seit Wochen ist ein Sanierer im Unternehmen, die IG Metall hat mit Heiko Messerschmidt, ihrem Spezialisten für die Schiffbaubranche, einen Sonderbeauftragten nach Papenburg entsandt. Auch er ist in tiefer Sorge um das Unternehmen und die gesamte Branche. „Wenn der Dominostein Meyer Werft fällt, fällt danach noch viel mehr. Der gesamte zivile Schiffbau in Deutschland ist in Gefahr“, sagt Messerschmidt mit Blick auf Dutzende Zulieferfirmen, die mit Meyer bislang gut im Geschäft sind.

Anfang Juni protestierte die Belegschaft der Meyer Werft gegen den geplanten Stellenabbau. Mehr als 400 Jobs sollen wegfallen.
Anfang Juni protestierte die Belegschaft der Meyer Werft gegen den geplanten Stellenabbau. Mehr als 400 Jobs sollen wegfallen. © dpa | Sina Schuldt

Aktuell diskutiert wird der Abbau von 440 Arbeitsplätze bei Meyer Papenburg. „Aus unserer Sicht ist das die schlechteste Lösung“, sagt Messerschmidt. Der Fokus in dieser Diskussion müsse darauf liegen, eine funktionsfähige Werft zu erhalten.

Meyer Werft: Warum Finanzierung neuer Kreuzfahrtschiffe schwierig ist

Zugleich wird derzeit hart um Antworten auf die offene Finanzierungsfrage gerungen. Die Banken machen weitere Kredite davon abhängig, dass die Werft eine langfristige Zukunftsperspektive hat – und von Staatsbürgschaften. Ein weiterer und der aus Sicht von Insidern wohl schwierigste Punkt: Das Unternehmen muss sein Eigenkapital um mehrere Hundert Millionen Euro erhöhen.

In Sachen Bürgschaften wurde nach einem Krisentreffen niedersächsischer Minister und Abgeordneter, der Opposition im Landtag, Geschäftsführung und Gewerkschaft sowie Betriebsrat am Mittwochabend ein „Schulterschluss“ verkündet. IG Metall-Chef Friedrich sagte: „Es ist ein starkes Signal, dass sich in Niedersachsen alle hinter der Meyer Werft versammeln und gemeinsam für die Sicherung der Arbeitsplätze und des Standortes eintreten.“

Meyer Werft: Niedersachsen will Bund ins Boot holen

Wie wichtig die Werft als industrieller Kern im strukturschwachen Emsland aus Sicht der Landesregierung ist, hatte sich schon einmal gezeigt: In den 1990er-Jahren setzte sich der damalige SPD-Ministerpräsident Gerhard Schröder über große Bedenken hinweg und ordnete die Vertiefung der Ems und den Bau eines Sperrwerks an deren Mündung an. Andernfalls hätte Meyer keine riesigen Kreuzfahrtschiffe Richtung Nordsee schiffen können.

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Kurz vor dem Krisentreffen in Papenburg hatte es eine andere Nachricht gegeben, die Raum für Hoffnung lässt. „Die Finanzierung des Unternehmens ist jetzt bis Mitte September sichergestellt, zuvor war sie es bis Mitte Juli“, sagt Gewerkschafter Messerschmidt. Die Zeit soll nun genutzt werden, um Bürgschaftszusagen der Bundesregierung zu erhalten. Und auch die EU müsste Staatshilfen noch zustimmen.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hat noch eine andere Erwartung: Die Muttergesellschaft der Werft solle ihren Sitz wieder nach Deutschland verlegen, sagte er kürzlich. Derzeit ist deren Sitz in Luxemburg. Die Neigung, einem Unternehmen notfalls mit Steuergeldern zu helfen, das Steuern im Ausland entrichtet, ist gering.