Hamburg. Finanzbehörde nennt künftigen Hebesatz. Für welche Immobilienbesitzer und Mieter es teurer oder günstiger wird. Einige Rechenbeispiele.

Auf diese Zahl haben Hunderttausende Immobilienbesitzer und indirekt noch mehr Mieter in Hamburg gewartet: Der Hebesatz für die künftige Grundsteuer wird in Hamburg 975 Prozent betragen. Das hat die Finanzbehörde in Zusammenarbeit mit dem Statistikamt Nord festgelegt, wie Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Montag bekannt gab. Damit kann jetzt für jedes Gebäude und jede Wohnung exakt berechnet werden, wie viel Grundsteuer von 2025 an fällig wird.

Alle Immobilienbesitzer, die bereits ihren „Grundsteuerwertbescheid“ erhalten haben – das trifft auf rund 85 Prozent der rund 420.000 Hamburger Immobilien zu –, können ihre künftige Steuerbelastung nun selbst ermitteln. Dafür müssen sie die dort angegebenen Beträge mit einigen wenigen Faktoren und am Ende mit dem Hebesatz 9,75 multiplizieren. Der genau Rechenweg wird weiter unten erläutert.

Neue Grundsteuer: Hamburg will weiterhin 510 Millionen Euro im Jahr einnehmen

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Reform der Grundsteuer 2018 angeordnet, weil die bisherige Berechnungsmethode zum Teil auf völlig veralteten Immobilienwerten basiert und daher extrem ungerecht ist. Als Faustregel gilt, dass vor allem Altbauten und andere vor 1964 erbaute Immobilien sehr günstig bewertet wurden, während Neubauten vergleichsweise teuer sind. Ziel der Reform ist es, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.

Dass der Grundsteuer-Hebesatz in Hamburg bislang bei 540 und künftig bei 975 Prozent liegt, bedeutet keine Verdoppelung, da die Stadt künftig ein völlig anderes Modell anwendet. Am Gesamtaufkommen aus der Steuer, so haben es alle Bundesländer versprochen, soll sich nichts ändern. Es liegt bundesweit bei rund 14 Milliarden Euro im Jahr, wovon gut 500 Millionen auf Hamburg entfallen.

Entscheidend ist die Immobilienfläche: So funktioniert das neue Hamburger Grundsteuermodell

Da sich Bund und Länder nicht auf ein bundesweit einheitliches Vorgehen verständigen konnten, hatten die Länder freie Hand, eigene Modelle zu entwickeln. Hamburg hat, ebenso wie Bayern und Niedersachsen, diese Chance genutzt und ein Modell entwickelt, das sich vom Wert der Immobilien löst und auf der Größe der Grundstücks- und Wohnflächen basiert. So funktioniert es:

Schritt 1: Die Berechnung beginnt mit der Ermittlung des Grundsteuerwertes: Dafür werden je Quadratmeter Wohn- oder Nutzfläche 50 Cent und je Quadratmeter Grund und Boden 4 Cent angesetzt. Ein 100-Quadratmeter-Reihenhaus, zu dem 500 Quadratmeter Grundstück gehören, kommt also auf einen Grundsteuerwert von 70 Euro (50 Euro für die Wohnfläche und 20 Euro für das Grundstück). Nur diese Werte sind in den verschickten Bescheiden angegeben.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hatte bereits vor zwei Jahren auf Wochenmärkten und anderen Veranstaltungen die neue Grundsteuer erklärt. Nun will er im Herbst wieder auf „Tournee“ gehen.
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hatte bereits vor zwei Jahren auf Wochenmärkten und anderen Veranstaltungen die neue Grundsteuer erklärt. Nun will er im Herbst wieder auf „Tournee“ gehen. © HA | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Schritt 2: Nun muss der Grundsteuerwert mit verschiedenen Messzahlen multipliziert werden. Jene für Grund und Boden beträgt 1,0 und ändert an den 20 Euro aus dem Beispiel also nichts. Was das Gebäude angeht, muss zwischen Wohnen und Nicht-Wohnen unterschieden werden. Für Wohnimmobilien gilt die Messzahl 0,7, für Nutzflächen 0,87 und für Nutzflächen in Denkmälern 0,65. Für das Reihenhaus im obigen Beispiel muss der Grundsteuerwert für die Wohnfläche von 50 Euro also mit 0,7 multipliziert werden, was 35 Euro ergibt.

Faktoren wie „normale“ Lage, Sozialwohnung oder Denkmalschutz dämpfen die Steuerhöhe

Nun kommt der Lagefaktor ins Spiel: Wird die Wohnlage als „gut“ eingestuft, beträgt die Messzahl 1,0 – es bleibt also bei 35 Euro. Ist die Lage „normal“, was auf die Mehrheit der Hamburger Wohnungen zutrifft, ist die Messzahl 0,75 – so werden aus den 35 Euro also 26,25 Euro. Plus die 20 Euro für das Grundstück ergibt das einen Grundsteuermessbetrag von 46,25 Euro. Wie die Wohnlage eingestuft wird, geht aus dem vom Mietenspiegel bekannten Wohnlagenverzeichnis hervor.

Schritt 3: Sofern nicht noch weitere Faktoren wie sozialer Wohnungsbau oder Denkmalschutz zum Tragen kommen (siehe Beispielrechnungen unten), wird zum Schluss wird der Grundsteuermessbetrag mit dem Hebesatz von 975 Prozent multipliziert. In unserem Fall werden aus den 46,25 Euro also 450,93 Euro.

Wichtig: Hier ist jeweils von der „Grundsteuer B“ die Rede, die für die allermeisten Immobilien zu entrichten ist. Daneben gibt es auch eine „Grundsteuer A“ für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Hebesatz: 100 Prozent) und neuerdings auch eine „Grundsteuer C“ auf baureife, aber unbebaute Grundstücke (Hebesatz: 8000 Prozent). Sie soll Bodenspekulationen verhindern und gezielt zum Wohnungsbau anregen. „Das wird man spüren“, sagte Finanzsenator Dressel, betonte aber, dass man damit nicht „die Oma, die ihr Grundstück für ihre Enkel frei hält“, treffen wolle. Daher werde es eine Bagatellgrenze geben: Wenn auf dem Grundstück Wohnraum mit weniger als 300 Quadratmeter Geschossfläche entstehen könnte, wird keine Grundsteuer C fällig.

Finanzsenator Dressel: Belastung für Steuerzahler wird sich zwangsläufig verschieben

„Fair für alle – das war, ist und bleibt unser Hamburger Motto für die aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts notwendige Grundsteuerreform“, sagte Dressel. Er räumte ein, dass es „zwangsläufig Belastungsverschiebungen“ geben werde, da einige Immobilienbesitzer sehr wenig und andere für vergleichbare Gebäude sehr viel Steuern entrichtet haben – und genau diese Ungerechtigkeiten sollten beseitigt werden. Dennoch werde der Senat Wort halten und darauf achten, dass das Aufkommen aus der Steuer von rund 510 Millionen Euro gleichbleibt.

„Das ist die Zielzahl, die wir erreichen wollen“, sagte Dressel. Sollten es in der Realität deutlich mehr oder weniger sein, könne man den Hebesatz noch anpassen – eine regelmäßige Überprüfung sei, anders als bisher, aber nicht mehr nötig. Auch das unterscheide Hamburg künftig von den Ländern wie Schleswig-Holstein, die das deutlich kompliziertere Bundesmodell anwenden: „Die müssen den ganzen Zirkus alle fünf Jahre veranstalten.“

Rechenbeispiele: So hoch wäre die Grundsteuer für Ihre Immobilie

Beispiel 1: Einfamilienhaus, normale Wohnlage, Grundstücksfläche 1000 m2, Wohnfläche 100 m2. Für Grund und Boden (1000 x 0,04 Euro) werden 40 Euro berechnet, für das Gebäude (100 x 0,50 Euro) 50 Euro. Für das Grundstück gilt die Messzahl 1, es bleibt also bei 40 Euro. Für das Wohngebäude gilt die Messzahl 0,7 und für die normale Lage 0,75, kombiniert also 0,525. Multipliziert mit den 50 Euro für das Gebäude macht das 26,25 Euro. Heraus kommt ein Grundsteuermessbetrag von 66,25 Euro (40 Euro + 26,25 Euro). Multipliziert mit dem Hebesatz von 975 Prozent wären also 645,93 Euro Grundsteuer fällig.

Beispiel 2: Einfamilienhaus, gute Wohnlage, 1000 m2 Grundstück, 100 m2 Wohnfläche: Hier erfolgt die Berechnung wie in Beispiel 1. Nur ist wegen der guten Lage die Messzahl 1,0 statt der 0,75 für normale Lage anzusetzen, sodass für das Wohngebäude am Ende 35 Euro herauskommen (50 Euro mal 0,7 für Wohnen mal 1,0 für gute Lage). Das ergibt einen Messbetrag von 75 Euro und eine Grundsteuer von 731,25 Euro.

Beispiel 3: Eigentumswohnung, normale Wohnlage, 100 Quadratmeter Wohnfläche, 1/40 Anteil an dem 1000-Quadratmeter-Grundstück. Für diesen Grundstücksanteil von 25 Quadratmetern wird 1 Euro berechnet (25 x 4 Cent), für die Wohnfläche 50 Euro. Diese 50 Euro werden mit 0,7 (Wohnen) und 0,75 (normale Lage) multipliziert, was 26,25 Euro ergibt. Plus den Euro für den Grundstücksanteil kommen 27,25 Euro heraus, was eine Grundsteuer von 265,68 Euro ergibt.

Beispiel 4: Mehrfamilienhaus mit 20 Sozialwohnungen, normale Lage, 1000 m2 Grundstück, insgesamt 1000 m2 Wohnfläche: Hier fallen für Grund und Boden 40 Euro an (1000 x 4 Cent) und 500 Euro für das Gebäude (1000 x 50 Cent). Diese 500 Euro werden außer mit der Messzahl 0,7 für Wohnen auch mit dem ermäßigten Lagefaktor 0,75 sowie mit einem Sozialwohnungsfaktor 0,75 multipliziert, was 196,87 Euro ergibt. Macht plus die 40 Euro für das Grundstück also 236,87 Euro und bei 975 Prozent Hebesatz eine Grundsteuer von 2309,480 Euro für die gesamte Immobilie. Die Belastung pro Wohnung (sofern sie alle gleich groß sind) läge also bei gut 115 Euro im Jahr.

Beispiel 5: Das gleiche Mehrfamilienhaus wie in Beispiel 3, nur denkmalgeschützt: Die Berechnung erfolgt wie in Fall 3, nur dass für die Wohnfläche (nicht für das Grundstück) zusätzlich zu den dämpfenden Faktoren für Wohnen, Lage und Sozialwohnungen noch eine weitere Ermäßigung (Faktor 0,75) für den Denkmalschutz zum Tragen kommt. Die Messzahl sinkt dadurch auf den niedrigst möglichen Wert 0,2953 (0,7 x 0,75 x 0,75 x 0,75). Die Grundsteuer liegt dann bei 1829,58 Euro für die Immobilie oder 91,48 Euro pro Wohnung.

Beispiel 6: Ein unbebautes, aber nicht baureifes Grundstück mit 1000 Quadratmeter Fläche. Hier beträgt der Grundsteuermessbetrag 40 Euro (1000 x 4 Cent) und die Grundsteuer B somit 390 Euro.

Beispiel 7: Das gleiche Grundstück wie in Fall 5, aber baureif: Hier wird der Grundsteuermessbetrag von 40 Euro mit dem Hebesatz 8000 Prozent für die Grundsteuer C multipliziert. Somit beträgt die Steuer 3200 Euro im Jahr.

Beispiel 8: Ein Industriebetrieb mit 10.000 Quadratmeter Grundstück, wovon 5000 Quadratmeter Nutzfläche sind. Hier werden für den Grund und Boden 400 Euro angesetzt (10.000 x 4 Cent) und für die Nutzfläche 2500 Euro (5000 x 50 Cent). Auf diese 2500 Euro wird die Nutzflächen-Messzahl 0,87 angewendet, was 2175 Euro ergibt. Macht plus die 400 Euro für das Grundstück also 2575 Euro und eine Grundsteuer von 25.106,25 Euro.

CDU: „Völlig unverständlich“, dass Grundsteuerbescheide erst 2025 versendet werden sollen

Der Finanzsenator will im Herbst wieder auf „Tournee“ durch die Stadtteile gehen und den Bürgerinnen und Bürgern die neue Grundsteuer erklären. Die endgültigen Steuerbescheide sollen dann ab März 2025 verschickt werden, bevor die erste Rate der neuen Grundsteuer am 30. April 2025 erstmals fällig wird. Für alle, die die Steuer in vier Raten überweisen, setzt mit dem 15. Mai 2025 der Drei-Monats-Rhythmus ein.

Mehr zum Thema

Als „völlig unverständlich“ bezeichnete Thilo Kleibauer, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, dass die Grundsteuerbescheide erst 2025 versendet werden sollen, obwohl das Gesetzgebungsverfahren im Herbst 2024 abgeschlossen sein werde: „Dies erweckt den Eindruck, dass die Hamburgerinnen und Hamburger hier unliebsame Nachrichten erst nach der kommenden Bürgerschaftswahl erhalten sollen.“ Diese findet Anfang März statt. Kleibauer: „Die Steuerzahler haben ihre Hausaufgaben gemacht und rechtzeitig die Steuererklärungen für die neue Grundsteuer abgegeben. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, nun den Versand der Bescheide bis in den März 2025 hinaus zu verzögern.“

Handwerkskammer und Steuerzahlerbund loben Hamburger Grundsteuermodell

Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer Hamburg, sagte: „Das Hamburger Handwerk begrüßt die Entscheidung, bei der Grundsteuerberechnung vom Wertmodell des Bundes abzuweichen und ein eigenes Flächenmodell einzuführen.“ Dies bedeute weniger Bürokratie und mehr Planbarkeit und sei „ein klarer Vorteil für Betriebe“. Die Kammer werde aber „ein besonderes Auge darauf haben“, dass die vom Finanzsenator angekündigte Aufkommensneutralität gewährleistet bleibt.

Petra Ackmann, Landesvorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hamburg, lobte den Finanzsenator für die Einbindung relevanter Institutionen und dafür, dass Hamburg ein „einfaches und transparentes Modell“ entwickelt habe: „Das ist vorbildlich und zukunftsfähig.“ Allerdings sei Hamburg bundesweit „Spitzenreiter bei der Grundsteuer“, weswegen der Steuerzahlerbund eine Senkung gefordert habe. Dass der Senat dies unter Hinweis auf die Haushaltslage ablehne, „finden wir bedauerlich“.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die in den Grundsteuer-Bescheiden genannten Werte könnten direkt mit dem Hebesatz multipliziert werden, um die Steuerbelastung zu ermitteln. Das war nicht korrekt. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert und bitten um Verzeihung.