Hamburg. Wer ist im Vorteil – Käufer oder Mieter? Abendblatt hat mithilfe von Stiftung Warentest genau hingeschaut – mit Überraschungen.

Steigende Mieten und fallende Immobilienpreise verstärken das Interesse an den eigenen vier Wänden. In Hamburg sind die Mieten in den vergangenen zehn Jahren um knapp 36 Prozent gestiegen. Im Schnitt müssen Mieter jetzt in Hamburg bei einer Neuanmietung 13,71 Euro pro Quadratmeter zahlen. Der Kauf der eigenen vier Wände kostet im Schnitt 5000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, laut den Daten aus dem letzten Wohnbarometer der Immobilienplattform ImmoScout24.

Ist jetzt der richtige Moment für einen Immobilienkauf? Was rechnet sich langfristig, mieten oder kaufen? Zusammen mit der Stiftung Warentest hat das Abendblatt nachgerechnet.

Immobilien: Kauf einer Wohnung in Hamburg für 300.000 Euro

Wer eine Immobilie kaufen möchte, muss sich einschränken. Er muss nicht selten seine ganzen Ersparnisse für das notwendige Eigenkapital und die hohen Erwerbsnebenkosten aufwenden. Die monatliche Belastung durch die Kreditrate ist in der Regel höher als die Miete. Der Mieter kann außerdem seine Ersparnisse verzinst anlegen. Zunächst ist der Mieter im Vorteil, doch wie entwickelt sich die Rechnung langfristig, wenn Miete und Immobilienwerte steigen?

Singlehaushalte sind in Hamburg in der Mehrheit. Ihr Anteil an den Haushalten liegt bei 54,5 Prozent. Die Beispielrechnung bezieht sich deshalb auf einen Single, der sich eine 60 Quadratmeter große Wohnung für 300.000 Euro kauft. Zusammen mit den Erwerbsnebenkosten beträgt die Investition 333.210 Euro. Über einen Immobilienkredit werden rund 233.000 Euro finanziert.

Immobilienkäufer haben höhere Belastung als Mieter

Daraus ergibt sich eine monatliche Belastung von 1147 Euro, während der Mieter in einer vergleichbaren Wohnung nur 823 Euro Kaltmiete im Monat zahlt, also gut 300 Euro weniger.

Um während der Rückzahlung des Kredits sich verändernde Zinskonditionen auszuschließen, wurde eine 28-Jährige Zinsbindung gewählt. Zinssatz: 3,90 Prozent. Der Käufer zahlt also 27 Jahre monatlich 1147 Euro und im 28. Jahr nur noch 465 Euro im Monat. Dann ist die Wohnung schuldenfrei.

Langfristig müssen sich Mieter auf steigende Kosten einstellen

Während die finanzielle Belastung des Käufers gleich bleibt, muss sich der Mieter auf steigende Kosten einstellen. Bei einer jährlichen Mietsteigerung von drei Prozent zahlt er im zehnten Jahr schon fast 1100 Euro Miete, im 30. Jahr sind es dann bereits 1939 Euro.

Für den Vergleich zwischen Käufer und Mieter müssen aber auch noch andere Faktoren berücksichtigt werden. Der Käufer muss im Gegensatz zum Mieter Rücklagen für die Instandhaltung bilden. Im ersten Jahr sind das ein Prozent des Immobilienwertes, also 3000 Euro, jährlich steigend um zwei Prozent. Auch Steuern auf die Geldanlage werden in einem pauschalisierten Verfahren berücksichtigt, nicht aber die Inflation. Der Mieter kann sein „Eigenkapital“ anlegen. Außerdem unterstellt der Vergleichsrechner der Stiftung Warentest, dass der Mieter auch den Differenzbetrag, dem er gegenüber dem Käufer spart, monatlich anlegt. Mit der Zeit wird er aber geringer, weil die Miete steigt.

Mieter startet mit einem Vermögen von 100.000 Euro in den Vergleich

Der Rechner schlägt eine Ersparnis gegenüber dem Käufer dem Vermögen des Mieters zu, eine Mehrbelastung gegenüber dem Käufer wird von seinem Vermögen abgezogen. Das ergibt sich dann, wenn die Zinsen nicht mehr ausreichen, um die Mehrbelastung, die der Mieter gegenüber dem Käufer hat, zu tragen. Das Vermögen des Käufers besteht aus dem Immobilienwert, abzüglich der Restschuld für den Kredit.

Dabei darf man nicht unterschätzen, dass der Käufer von Anfang an ein Vermögen von 300.000 Euro hat, was zwar noch mit Schulden belastet ist, aber der Mieter startet nur mit 100.000 Euro.

Schon nach sechs Jahren kann Käufer besser dastehen als Mieter

Im ersten Beispielfall, mit einer jährlichen Steigerung von drei Prozent bei Immobilienwert und Miete und einem Anlagenzins von drei Prozent für den Mieter, erreicht der Käufer schon nach sechs Jahren einen Vorteil gegenüber dem Mieter. Das Vermögen des Käufers ist um 1340 Euro höher als das des Mieters. Dieser verfügt auf seinem Sparkonto über 154.526 Euro, denn er hat auch die Ersparnis gegenüber dem Käufer bei den Wohnkosten stets angelegt. Der Käufer hat aber bereits 155.866 Euro schuldenfreies Immobilienvermögen, das allerdings nicht liquide ist.

Nach 30 Jahren kann die Bilanz für den Käufer nicht besser ausfallen, vorausgesetzt er verkauft seine Wohnung. Sie hat dann einen Wert von rund 728.000 Euro, während das Geldvermögen des Mieters nur bei rund 285.000 Euro liegt.

Immobilienwerte stiegen in den vergangenen zehn Jahren um 120 Prozent

Mit Blick auf die letzten Jahre erscheinen drei Prozent Steigerung bei Miet- und Immobilienwert geradezu bescheiden. Der Gutachterausschuss Hamburg, der Immobilienkaufverträge auswertet, ermittelte für das vergangenen Jahrzehnt, dass sich Eigentumswohnungen in Hamburg um 120 Prozent verteuert haben. Die jährliche Mietsteigerung lag bei 4,6 Prozent. Doch in den beiden Jahrzehnten davor waren bei Weitem nicht solche Wertsteigerungen für Immobilienbesitzer drin.

Für den Anlageerfolg des Mieters hängt viel davon ab, wie er sein Geld anlegt. Unterstellt man nicht einen Sparzins von drei Prozent, sondern eine jährliche Rendite von sechs Prozent etwa mit einem weltweit anlegenden Aktien-Indexfonds (ETF), dann bleibt der Käufer zwar auch im Vorteil, aber der Unterschied fällt nicht mehr so extrem aus. Statt über 400.000 Euro liegt der Vorteil des Immobilienbesitzers nur noch bei gut 200.000 Euro.

Auch bei geringer Immobilienwertsteigerung profitiert langfristig der Käufer

Schon geringste Änderungen in den Annahmen reichen aus, um das Ergebnis des Vergleichsrechners massiv zu beeinflussen. Das betrifft vor allem die Miet- und Wertsteigerungen und die Rendite für die Anlage des Mieters.

Beim Immobilienkauf geht es nicht nur um Kosten und Rendite. Welche Aspekte noch beachtet werden sollten, erläutert dieser neue Ratgeber der Stiftung Warentest auf 160 Seiten (22,90 Euro).
Beim Immobilienkauf geht es nicht nur um Kosten und Rendite. Welche Aspekte noch beachtet werden sollten, erläutert dieser neue Ratgeber der Stiftung Warentest auf 160 Seiten (22,90 Euro). © Stiftung Warentest | Stiftung Warentest

Wenn der Mieter sich gut an der Börse auskennt – wie in der zweiten Beispielrechnung – und eine durchschnittliche Rendite von sechs Prozent erreicht, aber die Miet- und Wertsteigerung nur bei zwei Prozent liegt, dann hat der Immobilienkäufer keine Chance, jemals in einen Vorteil gegenüber dem Mieter zu kommen. Auch nach 30 Jahren hat der Mieter rund 90.000 Euro mehr auf der hohen Kante.

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Die dritte Beispielrechnung geht von einer sehr konservativen Wertsteigerungen aus: Miet- und Immobilienwert steigen nur um 1,5 Prozent jährlich und die Geldanlage bringt drei Prozent. Folglich dauert es auch 20 Jahre bis der Immobilienkäufer gegenüber dem Mieter in einen Vorteil kommt, der sich dann aber nur auf 2000 Euro beläuft. Erst nach 30 Jahren steht der Immobilienkäufer mit einem Plus von rund 65.000 Euro beim Vermögen besser da.