Hamburg. Entscheidung über Einstieg der Schweizer Reederei MSC in Hamburg rückt näher. In der Bürgerschaft gibt es einen gewichtigen Wackelkandidaten.

Die Termine stehen. Geht es nach dem Hamburger Senat, ist der Fahrplan für den umstrittenen Einstieg der Schweizer Reederei MSC beim Hafenkonzern Hamburger Hafen und Logistik AG festgezurrt. Bis zu 49,9 Prozent soll MSC an der HHLA erhalten. Die restlichen 50,1 Prozent will der Senat behalten. Andere bisherige HHLA-Aktionäre sollen aus dem Unternehmen gedrängt werden.

Nachdem der Wirtschaftsausschuss und der Ausschuss für Öffentliche Unternehmen mit der Stimmenmehrheit von SPD und Grünen der Transaktion bereits zugestimmt haben, wird nun erwartet, dass am kommenden Dienstag (11. Juni) auch der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft grünes Licht gibt. Nach dem Willen des Senats soll die Bürgerschaft am 26. Juni in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause den Weg für MSC frei machen.

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Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD), die als die Macher der Deals gelten, erhoffen sich davon einen Aufschwung für den schwächelnden Hafen und können bei der finalen Abstimmung in der Bürgerschaft auf eine beruhigend große Mehrheit der beiden Regierungsfraktionen vertrauen.

Doch es gibt noch Stolperfallen, und die Gegner des Projekts geben nicht auf, sondern erhöhen den Druck auf die Abgeordneten der Regierungsfraktionen. Die Hafenarbeiter werden erneut gegen MSC mobil machen.

Bürgermeister hat in einer Regierungserklärung vor der Bürgerschaft für den Einstieg von MSC geworben.
Bürgermeister hat in einer Regierungserklärung vor der Bürgerschaft für den Einstieg von MSC geworben. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt

„Wir halten den Meinungsbildungsprozess der Bürgerschaft für noch längst nicht abgeschlossen und gehen fest davon aus, dass auch Abgeordnete von SPD und Grünen gegen den Deal stimmen werden“, sagt André Kretschmar, Leiter des Fachbereichs Verkehr bei Ver.di. Die Dienstleistungsgewerkschaft plant mehrere Protestaktionen gegen MSC.

Hafenarbeiter schicken bösen Brief an MSC-Chef

Vor der Sitzung des Haushaltsausschusses am Dienstag will sie dessen Vorsitzenden Mathias Petersen (SPD) und weiteren Abgeordneten bei einer Kundgebung vor dem Rathaus ein Schreiben überreichen, in dem die Hafenarbeiter den Deutschland-Chef von MSC, Nils Kahn, scharf angreifen. Dieser hatte seinerseits im April mit einem Schreiben bei den Abgeordneten für Zustimmung geworben und versucht, mögliche Vorbehalte gegen MSC abzubauen.

Der SPD-Abgeordnete Markus Schreiber (SPD) hat den Deal in der Bürgerschaft verteidigt.
Der SPD-Abgeordnete Markus Schreiber (SPD) hat den Deal in der Bürgerschaft verteidigt. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Die Replik der Hafenarbeiter, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt, liest sich wie eine Kampfansage: „Herr Kahn, für uns sind Ihre Worte wirklich nichts wert“, heißt es da. „Ihnen und Ihrem Unternehmen geht es ausschließlich um den eigenen Profit.“ Als „puren Hohn“ sehen die Arbeitnehmer die Zusicherung Kahns, dass MSC die Mitarbeiter wichtig seien. „Gleichzeitig wirkt es so, als würden Sie die Menschen lediglich als Zahlen in Ihren Büchern betrachten, wenn Sie die Kolleginnen und Kollegen als ,Vollzeitäquivalent‘ bezeichnen.“

In dem Brief gehen die HHLA-Mitarbeiter auch auf den Fall des gekündigten Betriebsrats bei der MSC-Tochterfirma Medrepair ein, über den das Abendblatt berichtete. „Wenn Betriebsräte zu unbequem werden, wie bei der MSC-Tochter Medrepair, wird ihnen gekündigt, und es werden Anwaltskanzleien engagiert, die dafür bekannt sind, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Gewerkschaftsstrukturen zu bekämpfen. Das zeigt deutlich, wie wenig Ihnen die Menschen dieser Stadt tatsächlich bedeuten und was uns vermutlich erwarten wird, wenn MSC das Sagen hat.“

HHLA/MSC-Deal: SPD-Abgeordneter hat Bedenken

Zur Abstimmung in der Bürgerschaft Ende Juni will Ver.di noch einmal einen Massenprotest organisieren. „Wir gehen davon aus, dass das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist“, sagt Gewerkschaftsmann Kretschmar.

Bemerkenswert ist an dem Vorgang, dass der Vorsitzende des Haushaltsausschusses selbst als Wackelkandidat bei der Abstimmung gilt. Mathias Petersens Wort hat Gewicht. Er war selbst früher SPD-Vorsitzender und stammt aus einer hanseatischen Familie, die mehrere Bürgermeister gestellt hat.

Das Containerschiff „MSC Palak“ fährt auf der Elbe Richtung Hamburger Hafen und wird von einem Lotsenboot überholt.
Das Containerschiff „MSC Palak“ fährt auf der Elbe Richtung Hamburger Hafen und wird von einem Lotsenboot überholt. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

In den Ausschüssen hat er seine Bedenken gegen den MSC-Deal angemeldet. Im Wirtschaftsausschuss in der vergangenen Woche hatte er den Senat dazu aufgefordert, den Preis, den MSC für die HHLA zahlt, noch einmal zu überprüfen.

Petersens Begründung: Er wolle schließlich seinen Kindern und Enkeln sagen, was er ihnen hinterlässt. Bei der SPD wird nun befürchtet, dass Petersen gegen den Deal stimmen könnte. Er selbst wollte sich auf Anfrage des Abendblatts am Mittwoch dazu nicht äußern.

CDU und kritische HHLA-Aktionäre: EU soll HHLA-Teilverkauf stoppen

Äußern will sich aber die Opposition: „Die Expertenanhörungen haben vier schwere Fehler des Senats offenbart, doch ungeachtet aller Bedenken der Experten soll der Deal jetzt durchgezogen werden, koste es, was es wolle“, sagte der hafenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Götz Wiese. Gestoppt werden kann der Deal aus seiner Sicht nur noch durch die EU.

Wiese: „Jetzt muss die EU zum Thema Kaufpreis aus beihilferechtlicher Sicht entscheiden. In der Anhörung der Bürgerschaft sagten die Experten: ‚Das Eis, auf dem die Transaktion beihilferechtlich steht, hätte dicker sein können.‘ Ein Bewertungsgutachten wird nicht eingeholt, da ist der Senat fast trotzig.“

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Wiese und weitere HHLA-Aktionäre haben Beschwerde gegen das geplante Geschäft mit den Schweizern eingelegt. Der Senat verkaufe die HHLA zu billig an MSC und verstoße damit gegen das Beihilferecht der EU, kritisieren sie.

Der Deutschland-Chef von MSC, Nils Kahn, wirbt für das Gemeinschaftsprojekt mit dem Senat, wird aber von Hafenarbeitern kritisiert.
Der Deutschland-Chef von MSC, Nils Kahn, wirbt für das Gemeinschaftsprojekt mit dem Senat, wird aber von Hafenarbeitern kritisiert. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Offen ist auch noch, wann die kartellrechtliche Fusionskontrolle durch die EU erfolgt. Dabei wird geprüft, ob MSC nach dem Einstieg in den Hamburger Hafenkonzern in der Branche so mächtig werden könnte, dass der Wettbewerb leidet. Ein formaler Prüfungsantrag liegt den Wettbewerbshütern in Brüssel bisher aber nicht vor.

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Deren Freigabe ist aber notwendig, um das Geschäft zwischen der Stadt und MSC zum Abschluss zu bringen. Laut Wirtschaftsbehörde gibt es keinen festen Termin, zu dem der Vertrag vollzogen sein muss. „Wir gehen aber weiterhin davon aus, dass die Transaktion im Verlaufe dieses Jahres ihren Abschluss findet“, sagt ein Behördensprecher.