Hamburg. Hinter den Kulissen des Hamburger Airbus-Werks. Am Airport auf Finkenwerder müssen die Fluglotsen besonders wachsam sein. Die Video-Reihe.
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Maik Gaal hat den wohl höchsten Arbeitsplatz bei Airbus auf Finkenwerder. Er steht auf dem Betriebsgelände in gut 40 Meter Höhe und schaut durch ein Fernglas nach rechts in Richtung Stadtzentrum. Die Lichter eines Flugzeugs tauchen im dunklen Grau der Wolken auf. Dann setzt die nagelneue Maschine im Air-Corsica-Design auf der Start-und-Lande-Bahn von Finkenwerder auf – nachdem der 45-Jährige zuvor im Tower die Freigabe erteilt hatte.
Gaal ist einer von sechs Fluglotsen auf dem Betriebsflughafen von Airbus. Den „großen Bruder“ in Fuhlsbüttel kennen wohl fast alle Hamburger. Wer nach dem Urlaub zurück in die Heimat fliegen will, sieht auf seinen aufgegebenen Koffern den IATA-Code „HAM“ auf dem Anhänger. Auf Gepäckstücken nach Finkenwerder steht „XFW“. Doch für das Fliegen mit Passagieren ist der Airport eher nicht bekannt.
Vorsicht! Wenn plötzlich ein Flugzeug auf ein Schiff trifft
„Im Unterschied zu einem ,normalen‘ Flughafen sind wir ein Produktionsbetrieb mit angeschlossener Piste“, sagt Gaal. Die neu gebauten Flugzeuge wie der Air-Corsica-Flieger heben zu Test- und Auslieferungsflügen ab. Die Transportflieger der Beluga-Flotte liefern große Flugzeugteile wie zum Beispiel Cockpits in die Hansestadt und bringen Rumpfsegmente zu den anderen Standorten des Unternehmens in Europa.
Aus der Nähe zum Verkehrsflughafen in Fuhlsbüttel und der besonderen geografischen Lage ergeben sich für den Betriebsflughafen an der Elbe aber eine Vielzahl von Besonderheiten. So gebe es grundsätzlich sehr enge Absprachen mit Fuhlsbüttel. „Normalerweise hat jeder Flughafen eine Kontrollzone“, sagt Gaal. „Das ist ein Luftraum über dem Flughafen, den man sich wie einen Schuhkarton vorstellen kann, den man obendrauf setzt. Jedes Flugzeug, das rein- oder rausfliegen möchte, muss sich beim Tower anmelden.“
Airbus-Flughafen muss sich Fuhlsbüttel unterordnen
Weil allerdings der Airport in Fuhlsbüttel nur rund 15 Kilometer weiter nordöstlich liegt, muss sich XFW dem Verkehrsflughafen unterordnen, in dessen Kontrollzone er liegt. Zudem muss jeder Ein- und Ausflug mit „Bremen Radar“ koordiniert werden. Das ist das Funkrufzeichen der Kontrollzentrale der Deutschen Flugsicherung in Bremen. Die dort arbeitenden Fluglotsen sorgen für Sicherheit im norddeutschen Luftraum von der niederländischen bis zur polnischen Grenze. Für die Airbus-Fluglotsen macht das die Meldekette etwas länger.
Hoher Abstimmungsbedarf herrscht vor allem, wenn in Fuhlsbüttel der Flugverkehr über die Start-und-Lande-Bahn 05/23 (Niendorf/Langenhorn) abgewickelt wird. „Die Pisten sind so nah zusammen, dass wir mehr oder weniger simulieren, dass es eine Piste wäre. Ansonsten kämen sich die Flieger in die Quere“, sagt Gaal. Die Starts der neuen Airbus-Flieger auf Finkenwerder müssten daher insbesondere im straff getakteten Sommerflugplan eng mit Fuhlsbüttel und Bremen Radar abgesprochen werden, damit man eine Lücke finde.
Plötzlich schiebt sich ein Schiff auf das Radar der Airbus-Fluglotsen
Kollisionsgefahr besteht aber auch in recht geringen Höhen. Auf einem Monitor schiebt sich ein orangefarbenes Rechteck langsam in das Zentrum. „Man sieht gerade auf dem Radar, ein großes Ziel von rechts nach links reinkommen“, sagt Gaal.
Beim Blick aus dem rundum verglasten Tower erkennt man einen grünen Containerfrachter der Reederei Evergreen, der aus dem Hafen in Richtung Nordsee fährt. Gerade befindet er sich in der Verlängerung der Start-und-Lande-Bahn von Finkenwerder. „Der ist deutlich über 20 Meter hoch. Das heißt für uns: Da dürfen wir mit unseren Fliegern nicht drüberfliegen“, so Gaal. Die größten Frachter können so viele Container übereinanderstapeln, dass sie die Höhe eines 22-geschossigen Hauses erreichen. Oder anders gesagt: Sie ragen mehr als 60 Meter über die Wasserlinie hinauf.
Taucht ein Schiff auf, müssen Flieger auch manchmal durchstarten
Die Konsequenz: Entweder wird versucht, den Flieger etwas schneller oder langsamer in Richtung Piste fliegen zu lassen oder er sammelt noch ein paar Extrameilen in der Luft und fliegt eine größere Kurve. Funktioniere dies nicht, lasse man den Flieger noch einmal durchstarten und er unternimmt einen zweiten Landeversuch.
Bei seinen Entscheidungen bedient sich der Fluglotse verschiedener Hilfsmittel. Mit einem Laserscanner kann er die Höhe der Schiffe bis auf den Zentimeter genau ermitteln. Zudem sind links und rechts der Piste acht Kameras angebracht, deren Bilder auf einem der Monitore angezeigt werden.
Neue Airbus-Jets werden mehrfach über die Piste geschleppt
Die Nähe zum Hafen mit dem Einberechnen der Schiffe in den Flugverkehr sei ein Alleinstellungsmerkmal des Flughafens, so Gaal. Es habe mal den Versuch gegeben, mit der TU Harburg ein System zu entwickeln, das die Bewegungen in der Luft und auf der Elbe bündelt. Aber es werde in ganz anderen zeitlichen Dimensionen gearbeitet. „Unsere Messgenauigkeit sind ein, zwei Minuten. Im Hafen redet man von 15 bis 30 Minuten. Für uns macht aber eine Minute mehr oder weniger aus, ob man das Schiff überfliegen kann oder nicht“, so Gaal.
Es gibt noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Die Start-und-Lande-Bahn auf Finkenwerder trennt das Werkgelände. Nordwestlich davon an der Elbe liegt der Produktionsbereich, südöstlich der Auslieferungsbereich, an dem direkt daneben der Kontrollturm steht. „Wenn die Flieger fertig sind, werden sie hierüber transportiert. Wir haben sehr viele Bewegungen über die Piste. Das ist nicht normal an Flughäfen und ein weiteres Alleinstellungsmerkmal“, sagt Gaal. Jeder Flieger werde während des Produktionsprozesses bestimmt drei- bis viermal über die Piste geschleppt.
Alle 30 Minuten füttern die Airbus-Fluglotsen den Wetterdienst mit Daten
Prompt meldet sich so ein Transport an. Schlepper 11 möchte die Piste queren, um zu der Position 104 zu gelangen, die am Auslieferungszentrum liegt. Gaal: „Schlepper 11, Pistenquerung genehmigt von Charlie über Golf nach Delta Süd.“ Charlie, Golf und Delta Süd sind die Rollwege, die zu benutzen sind.
Kurz darauf ruft der Fahrer einer Fremdfirma an und möchte mit seinem Auto aufs Gelände eskortiert werden. Der Fluglotse schickt ein schwarz-gelbes Follow-Me-Fahrzeug zum Schrankendienst. Dann kümmert sich Gaal auch noch um einen tropfenden Hydranten und telefoniert mit der Feuerwehr. Ruhig ist es im Kontrollturm selten, immer wieder klingelt das Telefon oder geht der Funk.
Zu Gaals Aufgaben gehört auch das Wetter. Alle 30 Minuten füttert er den Deutschen Wetterdienst mit Daten. „Wir geben ein, was wir für Wolken sehen. Wie hoch diese sind, wie hoch der Bedeckungsgrad ist. Ob und was für Niederschläge fallen, ob es Sichtbeeinträchtigungen gibt.“ Zudem werden Temperatur, Wind und Luftdruck gemessen.
Normalerweise kontrollieren zwei Fluglotsen den Betrieb auf Finkenwerder
Jeder Flughafen habe sein eigenes Flughafenwetter. Das helfe dem Deutschen Wetterdienst, Tendenzen zu ermitteln und vorherzusagen, wie das Wetter wohl werden wird. Die Piloten brauchen genaue Informationen und möchten den Wind bei Start und Landung gern von vorn haben. Starke Böen mögen sie nicht. Übrigens sei die Elbe mitunter eine Wetterscheide. „Es kann sein, dass wir strahlenden Sonnenschein haben, und in Fuhlsbüttel ist den ganzen Tag Nebel – oder andersherum“, sagt Gaal.
Im Tower auf Finkenwerder sitzen im Normalfall zwei Personen. Rechts sitzt der Platzlotse, der alles bezüglich des Flugbetriebs und der Vorfeldquerungen koordiniert. Links sitzt der Koordinator, der sich um den Schrankendienst oder tropfende Hydranten kümmert. Weil sein Kollege gerade in der Pause war, hat Gaal dies vorübergehend mitgemacht.
Der Airbus-Flughafen ist regulär von 6 bis mindestens 19 Uhr geöffnet
Rund um die Uhr ist der Airport XFW nicht geöffnet. Beim Aufmachen um 6 Uhr morgens müssen die Fluglotsen daher erst mal schauen, ob alle Geräte funktionieren. Dann wird Kontakt mit einem Follow-Me-Fahrer aufgenommen, der die Piste checkt. Schließlich könnte über Nacht zum Beispiel ein Reh über den Zaun gesprungen sein, sich dabei verletzt haben und gestorben sein.
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Mindestens bis 19 Uhr wird der Airport offen gehalten. Je nach Flugplan auch länger. Nach 22 Uhr dürfen keine Starts und Landungen mehr stattfinden. Am Sonnabend fliegen auch mal ein oder zwei Flieger, sonntags nur mit Ausnahmegenehmigungen, maximal seien es ein bis zwei pro Jahr.
Auf Finkenwerder gibt es täglich zwischen 25 und 30 Starts und Landungen
Auf Finkenwerder werden pro Tag im Schnitt zusammen zwischen 25 und 30 Starts und Landungen gezählt. Hinzu kommen noch Aktivitäten der Motorsportgruppe. Und ein Aufheulen der Triebwerke gibt es zudem noch bei verschiedenen Flugtests auf der Piste. So gehört zum Auslieferungsprozedere eines jeden gebauten Jets zum Beispiel auch ein Startabbruch. Zum Vergleich: In Fuhlsbüttel gab es in den Märzferien zusammen rund 300 Starts und Landungen pro Tag.
Passagiere gehen auf Finkenwerder übrigens doch regelmäßig an Bord. Teilweise auf Auslieferungsflügen, wenn größere Delegationen zum Abholen des Fliegers kommen und anschließend in die Heimat fliegen. Aber es gibt auch eine Art Linienflugplan des Airports. Montags bis donnerstags startet und landet am Morgen und am frühen Abend jeweils eine Volotea-Maschine. Die spanische Billigfluglinie führt den Shuttleverkehr zwischen den beiden Werken in Toulouse und Hamburg durch, am Freitag mit einem Umlauf. Bei den Gästen an Bord handelt es sich zumeist aber um Airbus-Angestellte.