Hamburg. Konzern und IG Metall vereinbaren Zukunftspakt mit einmaliger Regelung. Einsatz von Leiharbeit wird stärker begrenzt. Die Details.
Viele Arbeitnehmer kennen das noch aus ihren Berufsanfängen: Nach der Ausbildung oder dem Abschluss des Studiums hangelten sie sich von einem zum nächsten befristeten Vertrag, ehe endlich der unbefristete Kontrakt zur Unterschrift vorlag. Junge Arbeitnehmer in der Flugzeugsparte bei Airbus müssen solche Szenarien nicht fürchten.
Der DAX-Konzern und die IG Metall einigten sich nach sechsmonatigen Verhandlungen auf ein umfangreiches Paket zur Arbeitsplatzsicherung und Flexibilisierung, das beide Parteien am Mittwoch vorstellten. Dazu gehört, dass im Flugzeugbau Auszubildende und dual Studierende grundsätzlich unbefristet übernommen werden.
Airbus gibt Auszubildenden unbefristete Übernahmegarantie
„Das gibt mehr Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, eine Ausbildung bei Airbus zu beginnen“, sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Holger Junge. Allerdings sind auch bisher schon die allermeisten Lehrlinge – um die 95 Prozent – nach der erfolgreichen Abschlussprüfung im Unternehmen geblieben.
Künftig sollen alle Standorte weiterhin ausbilden, die Ausbildungsquote soll bei mindestens fünf Prozent liegen. Für dieses Jahr wird mit 500 bis 550 neuen Auszubildenden und dual Studierenden in Deutschland gerechnet. Das entspricht etwa einer Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren.
Airbus: unbefristete Übernahmegarantie ist der „richtige Move“
Die Generation Z, der man gemeinhin die Geburtsjahrgänge 1997 bis 2012 zuordnet, wolle auch Sicherheit für die Zukunft haben, sagte Daniela Haller, die bei der Airbus Aerostructures GmbH mit Sitz in Hamburg den Bereich Human Resources leitet. Daher sei die unbefristete Übernahmegarantie „der richtige Move, wenn man die Verrentungswellen im Blick hat“.
Viele Arbeitnehmer geburtenstarker Jahrgänge scheiden bald aus dem Arbeitsleben aus. Der Fachkräftemangel macht sich vielfach bemerkbar – auch wenn es Airbus noch gut gelänge, junge Menschen zu akquirieren, wie es hieß.
Airbus: Leiharbeiter werden spätestens nach drei Jahren unbefristet übernommen
Die meisten Vereinbarungen betreffen den gesamten Konzern, also auch die Verteidigungs- und Raumfahrt- sowie die Helikopter-Sparte. Insbesondere für die Leiharbeit wurden neue Regelungen vereinbart. Bisher konnten auf drei beziehungsweise maximal vier Jahren Zeitarbeit noch drei weitere Jahre mit befristeten Verträgen bei dem DAX-Konzern selbst folgen. Es konnte also durch solche Verkettungen bis zu sieben Jahre dauern, ehe Beschäftigte unbefristet zum Stammpersonal zählten.
Damit ist nun Schluss. Nach maximal drei Jahren sollen Leiharbeiter künftig unbefristet zur Stammbelegschaft zählen – oder die Wege müssen sich trennen. „Betriebliche Übung“ seien solche Verkettungen ohnehin nicht gewesen, sagte Airbus-Verhandlungsführer Marco Wagner.
Airbus: Vorteile für Leiharbeiter mit IG-Metall-Mitgliedsbuch
Zudem können Leiharbeiter schneller genauso viel Geld erhalten wie die Stammbelegschaft – wenn sie Mitglied der IG Metall sind. Dann erhalten sie künftig ab dem dritten Einsatzmonat und damit einen Monat früher als bisher denselben Lohn. Für nicht gewerkschaftlich organisierte Zeitarbeiter gilt dies unverändert ab dem sechsten Monat. Ausnahmen vom Equal-Pay-Prinzip blieben beispielsweise für die betriebliche Altersvorsorge bestehen.
Im Falle der Übernahme in eine Festanstellung bei Airbus sollen die vorangegangenen Einsatzzeiten als Leiharbeiter für tarifliche Leistungen wie Weihnachtsgeld oder tarifliches Zusatzgeld anerkannt werden – bisher verfielen sie. „Das ist tarifpolitisches Neuland“, sagte Daniel Friedrich, Leiter des IG Metall Bezirks Küste. Es sei der einzige Tarifvertrag in Deutschland, der dies regelt. Dabei gehe es für einzelne Mitarbeiter um „mehrere Tausend Euro“, die ansonsten verloren gegangen wären.
Airbus: Leiharbeitsquote soll von maximal 13 auf 10 Prozent sinken
Die Leiharbeitsquote soll schrittweise reduziert werden. Im Jahr 2028 soll sie bei maximal zehn Prozent liegen. Derzeit sind bis zu 13 Prozent möglich. Allerdings liege man auch heute schon unter dieser Quote. In Deutschland seien es in der Airbus-Flugzeugsparte etwa acht Prozent, so Wagner. In Hamburg, dem mit rund 18.000 Beschäftigten größten Standort in der Bundesrepublik, liege die Quote in ähnlichen Bereichen.
In der Flugzeugsparte wird die bestehende Arbeitszeit-Kontensystematik fortgesetzt. Sie besteht aus einem täglichen Arbeitszeitkonto, einem Sicherheitskonto zum Ausgleich mittelfristiger Produktionsschwankungen sowie dem Lebensarbeitszeitkonto. Die Beschäftigten sollten aus diesen Konten aber künftig souveräner entnehmen können, wenn sie Zeit benötigten, sagte Friedrich.
Airbus-Zukunftspakt – Lob vom IG-Metall-Küsten-Chef
„Wir haben ein starkes Paket geschnürt, das unseren Mitgliedern bei Airbus mehr Flexibilität und Sicherheit bringt“, sagte der Chef der IG Metall Küste. Man sichere so die Souveränität der Beschäftigten und schaffe Ungerechtigkeiten bei der Übernahme von Leiharbeitern ab. „Weniger Leiharbeit und kürzere Einsatzzeiten führen zu mehr sicheren Arbeitsplätzen“, so Friedrich.
Airbus-Verhandlungsführer Wagner sprach von intensiven Verhandlungen mit fairen Lösungen am Verhandlungstisch zum Wohle der Beschäftigten. „Somit haben alle Beteiligten die benötigte Planungssicherheit, um sich auf den Ratenhochlauf in allen Airbus-Zivilflugzeugprogrammen sowie die Dekarbonisierung der Luftfahrt zu fokussieren“, sagte Wagner, der lange Arbeitsdirektor in Deutschland war und seit Kurzem den Bereich Human Resources in Toulouse leitet.
Der neue Zukunftspakt von Airbus und IG Metall gilt bis 2030
Airbus will die Fertigung in allen Flugzeugprogrammen erhöhen. Für das Werk auf Finkenwerder ist der Hochlauf der A320-Produktion besonders wichtig. Derzeit dürften pro Monat konzernweit etwa 50+-Flieger gebaut werden (konkrete Zahlen nennt das Unternehmen nicht mehr). Im Jahr 2026 sollen es 75 Flieger sein. Etwa die Hälfte davon kommt aus Hamburg.
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Beide Seiten betonten, dass das Ergebnis ein Beispiel für eine funktionierende Tarifpartnerschaft sei, die gute Lösungen auch ohne öffentlichkeitswirksame Austragung von Konflikten ermöglicht. Alle Regelungen gelten bis Ende 2030.
Beim Airbus-Konzernumbau gab es heftigen Streit mit der IG Metall
Basis für die deutschen Standorte der Flugzeugproduktion sei der Tarifabschluss Anfang 2022 zum zukünftigen industriellen Konzept von Airbus gewesen. Begleitet worden war der Konzernumbau von erheblichem und langwierigem Protest der IG Metall und Streiks.
Im Zuge dieser Transformation ist ein Teil der Hamburger Beschäftigten aus der Airbus Operations GmbH in die neu gegründete Airbus Aerostructures GmbH gewechselt. Part des Kompromisses war für alle Betriebe der zivilen Luftfahrt eine Standort- und Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2030.