Hamburg. Viele Werte aus der Metropolregion haben sich 2020 besonders gut entwickelt. Was Analysten im nächsten Jahr erwarten.

Das Börsenjahr 2020 ist ein historisches. Zum ersten Mal rutschte mit den Zahlungsdienstleister Wirecard ein im Deutschen Aktienindex (DAX) notiertes Unternehmen in die Insolvenz. Das Börsenbarometer brach im März mit der Ausbreitung des Coronavirus um fast 40 Prozent ein. Mit 8442 Punkten notierte der DAX so niedrig wie zuletzt 2013. Die beginnenden Impfungen gegen die Pandemie, der Durchbruch beim Brexit und die Einigung beim Corona-Hilfspaket in den USA sorgten dann für eine Jahresendrallye. Am Montag schaffte der DAX erstmals den Sprung über 13.800 Zähler. Auf Jahressicht stand bis Mittwochmittag bei 13.776 Punkten ein Plus von rund vier Prozent.

Noch besser entwickelte sich der HASPAX. Der Regionalindex fasst die 22 wichtigsten börsennotierten Firmen aus der Metropolregion zusammen. Im März verlor er rund ein Viertel seines Wertes. Aber schon im Mai erreichte er mit 5464 Punkten ein neues Hoch. Getrieben wurde er von Zuwächsen der Indexschwergewichte Aurubis, Evotec, Hypoport und Hapag-Lloyd, teilte die Trägergesellschaft Börsen AG auf Anfrage mit. Sie berechnet den Index. Derzeit liegt er bei rund 5300 Zählern – plus fast acht Prozent aufs Jahr gesehen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Hamburger Titeln.

Welche Hamburger Werte liefen gut und lautet der Ausblick?

Mehr als verdoppelt hat sich der Kurs von Encavis. Der Betreiber von Solar- und Windparks legte mit einem Plus von gut 120 Prozent auf knapp 21 Euro die beste Performance hin. Die DZ Bank hob gerade das Kursziel von 20 auf 25,10 Euro an. Die Einstufung lautet nach wie vor „Kaufen“. Sowohl die Europäische Union als auch die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden wollen ihr Engagement im Umweltschutz stärken. Das dürfte tendenziell Ökostromproduzenten wie Encavis zu Gute kommen, hieß es. Bei der Hamburger Privatbank Berenberg ist man für die Firma weniger optimistisch. Grund: Im dritten Quartal seien die Markterwartungen leicht verfehlt worden. Daher werde die Aktie mit „Halten“ eingestuft, das Kursziel wurde von 15 auf 14,50 Euro gesenkt.

Einen starken Jahresendspurt legte Nordex hin. Auch der Windturbinenbauer dürfte von den höheren EU-Klimazielen profitieren. Erstmals seit vier Jahren nahmen die Anteilsscheine wieder die Marke von 20 Euro. Auf Zwölf-Monats-Sicht steht bei rund 22 Euro ein Plus von gut 80 Prozent. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten ist damit erreicht, die Einstufung für die Aktie liegt je nach Bank bei „Halten“ oder „Kaufen“.

Den dritten Platz im Ranking belegt Jungheinrich. Seit dem Allzeithoch Anfang 2018 von 41,70 Euro ging es für den Gabelstaplerbauer lange bergab, in diesem März auf bis zu 10,45 Euro. Seitdem kennt das Papier vor allem eine Richtung: nach oben. Auf Jahressicht steht ein Zuwachs von 74 Prozent auf gut 37 Euro. Berenberg sieht den fairen Wert nun bei 39 statt zuvor 27 Euro. Die Einstufung auf „Halten“ blieb konstant. Durch die neue Konzernstrategie 2025+ sollte zwar die Profitabilität steigen, aber die Bewertung spiegele dies schon ganz gut wider, hieß es. Auch Morgan Stanley hob das Kursziel von 29 auf 31,70 Euro an und blieb bei der Einschätzung „Gleichgewichten“.

Welche Hamburger Titel liefen schlecht und warum?

Die schlechteste Performance fuhr Bijou Brigitte ein. Knapp 23 Euro zahlen Anleger nun nur noch für das Papier. Vor zwölf Monaten war es gut doppelt so viel. Ende November teilte der Modeschmuckanbieter mit, dass der Geschäftsverlauf maßgeblich von den Maßnahmen der europäischen Regierungen beeinflusst werde. Heißt: Der Lockdown mit den Zwangsschließungen von Geschäften traf den Einzelhändler erneut. Die Erholungstendenzen aus dem Sommer hätten sich im Herbst nicht fortgesetzt, so die Poppenbütteler. Der Umsatz dürfte sich daher um rund 40 Prozent auf 200 bis 210 Millionen Euro reduzieren. Wurden im Vorjahr noch 37,4 Millionen Euro verdient, wird 2020 mit einem vorläufigen Verlust vor Ertragssteuern von 30 bis 40 Millionen Euro gerechnet. Das kommt bei Anlegern nicht gut an.

Ein Novum gab es bei der Deutschen Euroshop. Erstmals seit dem Börsengang vor 20 Jahren strich der Betreiber von Einkaufszentren die Dividende – wegen der unklaren Geschäftsentwicklung durch Corona. Die Ausschüttung lag 2018 immerhin bei 1,50 Euro je Aktie und ist für viele Anteilseigner ein wichtiger Grund für ihre Beteiligung. Nach einem Rekordtief im März ging es zuletzt  wieder steil nach oben. Bei gut 18 Euro beträgt das Minus noch circa 30 Prozent. Kurz vor Weihnachten stellte das Unternehmen eine Wiederaufnahme der Dividendenzahlung in Aussicht – wenn die Mieteinnahmen konstant fließen sollten. Die Baader Bank hob zwar das Kursziel von 13 auf 17,80 Euro an. Nach der jüngsten Kursrallye ist der Wert aber bereits übertroffen. Daher rät das Geldhaus nun statt „Aufzustocken“ zum „Reduzieren“. Die Deutsche Bank bemisst den fairen Wert nun bei 19 statt zuvor 16 Euro und bleibt bei der Einstufung „Halten“.

Wie schlug sich Hamburgs einziger DAX-Konzern?

Mit einem Minus von gut zehn Prozent auf knapp 95 Euro gehört Beiersdorf zu den Verlierern aus Hamburger Sicht. Die US-Bank JPMorgan rechnet 2021 zwar mit einer starken Erholung des Konzerns, allerdings seien diese im Markt weitgehend eingepreist. Das Kursziel wurde von 95 auf 100 Euro angehoben, die Einschätzung auf „Neutral“ beibehalten. Das US-Analysehaus Bernstein Research stuft die Titel hingegen auf „Outperform“ ein und sieht den fairen Wert bei 120 Euro. Generell seien Konsumgüterkonzerne wie der Nivea-Hersteller Profiteure der Corona-Pandemie, hieß es.

Wie lief es bei den Hamburger Schifffahrtswerten?

Die Kurse von Hapag-Lloyd, HHLA und Eurokai entwickelten sich sehr unterschiedlich. Im Mai schoss die Hapag-Aktie auf ein Hoch von 186,60 Euro. Die Gründe dafür waren zum einen gute Unternehmenszahlen (auch dank eines Sparprogramms). Zum anderen rangen die Großaktionäre Klaus-Michael Kühne und CSAV um die Vormachtstellung. Mit Aktienkäufen trieben sie den Kurs der Reederei in die Höhe. Auf Jahressicht legten die Titel gut 18 Prozent auf knapp 91 Euro zu. Die Deutsche Bank hält an ihrer Einschätzung „Kaufen“ fest, obwohl das Kursziel von 70 Euro längst überschritten ist. An der langfristigen Kaufempfehlung ändere dies aber nichts, so Analyst Andy Chu. Die US-Investmentbank Goldman Sachs hob das Kursziel von 35 auf 56 Euro an. Die Einstufung bleibe aber auf „Verkaufen“, weil das Papier im Vergleich zum Weltmarktführer Maersk zu teuer sei.

Die Umschlagbetriebe gehörten hingegen zu den schlechtesten Werten in der Metropolregion. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) notierte bei rund 18,50 Euro und Eurokai bei 25,60 Euro - jeweils gut ein Fünftel weniger. Vor allem im zweiten Quartal kamen deutlich weniger Container aus China an, dem mit großen Abstand wichtigsten Handelspartner des Hafens. Die HHLA rechnet für 2020 mit starken Rückgängen bei Umsatz und Ergebnis. Die erwogene Fusion mit dem Rivalen Eurogate, der zur Hälfte Eurokai gehört, und gegen die internationale Konkurrenz helfen könnte, stockt. Die Norddeutsche Landesbank erhöhte zwar das Kursziel von 15,50 auf 18 Euro, empfiehlt aber nur „Halten“. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux stuft die HHLA auf „Kaufen“ ein und hob das Kursziel von 18 auf 20 Euro an. Auch nach der jüngsten Erholung gebe es noch Spielraum im „Zurück-zur-Normalität“-Szenario, hieß es.

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Wie entwickelt sich der HASPAX im Jahr 2021?

Der Hamburger Index gilt als defensiver ausgerichtet als der DAX, der viele zyklische Werte zum Beispiel aus der Automobil- oder Chemiebranche enthält. Die Haspa schätzt das DAX-Potenzial auf Zwölf-Monats-Sicht auf gute 14.000 Punkte. Wenn die Konjunktur anziehe, dürfte der DAX möglicherweise etwas besser abschneiden als der HASPAX, sagte Chef-Investmentstratege Bernd Schimmer. Eine Prognose für den Index gab er nicht ab. Grund: Die Haspa erstellt seit einigen Jahren keine Unternehmensreports mehr selbst, sondern bezieht diese von Kepler Cheuvreux. Da das Analysehaus international orientiert ist, werden nicht alle Hamburger Börsenwerte von den Experten beobachtet. Die fundierte Einschätzung ihrer Gewinnerwartungen sei aber eine Voraussetzung, so Schimmer, um eine seriöse HASPAX-Prognose abzugeben.