Hamburg. Nicht wenige haben während des Börsenabsturzes viel Geld verloren und bekamen eine „emotionale Intensivbetreuung“.

Einen solchen Satz hört man in diesen Tagen eher selten: „Unser Geschäft ist von der Coronakrise bisher nicht betroffen.“ Doch die Aussage von Karsten Wehmeier, Sprecher des Hamburger Privatbankhauses Berenberg, gilt im Prinzip auch für die anderen Geldhäuser dieses speziellen Segments in der Hansestadt. Anders als etwa Haspa oder Commerzbank haben sie keine Filialen, die von deutlichen Einschränkungen betroffen oder gar zeitweise geschlossen wären – und mit der Bearbeitung von Corona-Hilfskrediten haben die Privatbanken meist auch nichts zu tun.

Dennoch hat sich auch bei ihnen die Arbeitsweise drastisch verändert. „Nur noch eine Handvoll von Beschäftigten hält sich zeitweise in unseren Bankgebäuden in Hamburg und in München auf“, sagt Marcus Vitt, Chef von Donner & Reuschel mit gut 200 Mitarbeitern in Hamburg: „Es geht fast nur darum, die dort eingegangene Post abzuholen, um sie zu scannen und elektronisch zu verteilen.“ Gerade zum Jahresanfang habe das Unternehmen die gesamte IT auf eine Cloud-basierte Software umgestellt: „Damit kann jetzt jeder – wirklich jeder – von zu Hause aus arbeiten.“ Besprechungen mit Kollegen erfolgen jetzt per Videochat. „Manchmal flitzt auch der Nachwuchs durchs Bild“, sagt Vitt.

Berenberg hat ein Ausweichquartier bezogen

Bei anderen Privatbanken ist die Quote der Mitarbeiter, die nicht ins Büro kommen, ebenfalls hoch. „In Hamburg arbeiten rund zwei Drittel der 840 Beschäftigten im Homeoffice“, sagt Berenberg-Sprecher Wehmeier. „In London, wo unter anderem der größte Teil der 120 Analysten tätig ist, sind es nahezu alle.“ Für Wertpapierhändler, die auf komplexe Technik angewiesen sind, sei das nicht so einfach. Doch es fand sich auch für diese Beschäftigtengruppe ein Weg für die räumliche Verteilung: „Für Notsituationen hält Berenberg ein Ausweichquartier mit 50 voll ausgestatteten Arbeitsplätzen in der Metropolregion Hamburg vor. Diesen Ausweichstandort haben wir Anfang März bezogen.“

Bei der in die Cum-Ex-Affäre verstrickten M.M. Warburg & CO, wo derzeit knapp die Hälfte der etwa 550 Hamburger Beschäftigten von außerhalb des Büros arbeitet, stand man vor einer ähnlichen Herausforderung. „Auch von den rund 50 Mitarbeitern, die im großen Handelssaal arbeiten, ist derzeit die Hälfte nicht im Haus tätig“, sagt Banksprecher Martin Wehrle: „Viele von ihnen nutzen im Normalbetrieb vier bis acht Monitore mit unterschiedlichen Tastaturen.“ Für fünf Händler habe man diese Technik bei ihnen zu Hause installiert, wobei zunächst ein formales Hindernis ausgeräumt werden musste: „Bisher war eine Teilnahme am Börsenhandel nur in zugelassenen Räumen gestattet, nun haben die Aufsichtsbehörden aber Ausnahmen davon ermöglicht“, so Wehrle. Rund 15 Arbeitsplätze für kritische Funktionen gebe es zudem an einem „Ausweichstandort außerhalb des Bankgebäudes“.

Kapazitätsengpässe der Datenleitungen

Zumindest zeitweise litten manche, die per Internet von außen auf die IT-Systeme ihrer Bank zugreifen mussten, jedoch unter Kapazitätsengpässen der Datenleitungen. „Ich bin teils nachts aufgestanden und habe mich eingeloggt, weil es da besser lief, sagt Helmuth
Spincke, Vorstandschef der Otto M. Schröder Bank. Etwa ein Drittel der gut 30 Beschäftigten habe man ins Home­office geschickt: „Alle, die jetzt noch in die Bank kommen, arbeiten in Einzelbüros.“ Schon im März wurden alle gebeten, für den Arbeitsweg keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. „Dafür haben wir etliche zusätzliche Parkplätze zur Verfügung gestellt“, so Spincke. „Das ist von den Beschäftigten als wichtiges Zeichen der Unterstützung verstanden worden.“

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Marcus Vitt hat das Gefühl, dass bei Donner & Reuschel in der aktuellen Krise alle „eher noch enger zusammengerückt“ sind, auch wenn sie sich jetzt nicht mehr auf den Fluren begegnen. „Aber vor einigen Tagen hat jemand eine After-Work-Party im Internet organisiert, zu der ich als Gast ,vorbeigekommen’‘ bin“, sagt Vitt. Ebenfalls dem Zusammenhalt dient ein neues Angebot an die Mitarbeiter: „In den Mittagspausen wird ein Fitnesstrainer per Webcam zugeschaltet, der Rücken-, Yoga- oder Entspannungsübungen zeigt. Neulich haben 65 Kollegen mitgemacht.“

Neues Podcast-Format

Auch zu den Kunden in der Vermögensverwaltung bei Berenberg ist „gerade jetzt ein intensiver Kontakt gefragt“, so Wehmeier. Der kommt nun über Videokonferenzen zustande. Doch nicht nur die eigenen Kunden suchen Orientierung, was die Perspektiven für die Wirtschaft angeht: „Das neue Podcast-Format mit unserem Chefvolkswirt Holger Schmieding, das wir jeden Donnerstag unter dem Titel ,Schmiedings Blick auf Corona‘ produzieren, wird mit 18.000 Abrufen sehr gut angenommen.“ Wie das Berenberg-Team in einer Umfrage herausgefunden hat, spricht sich eine Mehrheit der institutionellen Kunden dafür aus, „auch künftig die digitalen Präsentations- und Beratungsmöglichkeiten, die zum Teil Reisen überflüssig machen, weiter zu nutzen.“

Die Kapitalmarktspezialisten von M.M. Warburg informieren sogar täglich in Videokonferenzen, aber auch in öffentlich zugänglichen Online-Beiträgen über die Konjunkturperspektiven und die Wertpapierstrategie. „In der aktuellen Situation funktioniert der Kontakt mit Kunden über digitale Kanäle gut, aber das liegt auch daran, dass man sich persönlich kennt“, sagt Wehrle, fügt jedoch an: „Auf längere Sicht wird sich das direkte persönliche Gespräch wohl nicht vollständig ersetzen lassen, wenn es um qualifizierte Beratung geht.“

Kunden sind im Aktienhandel aktiv

Außer in der Wertpapierberatung ist die Schröder-Bank im Geschäft mit Zwischenfinanzierungen für gewerbliche Immobilieninvestoren tätig. Hier sieht Spincke trotz der Coronapandemie keine akute Krise: „Wohnungen werden weiter benötigt und es werden auch derzeit Kaufverträge geschlossen, allerdings gibt es bei den Grundbuchämtern Verzögerungen.“ Bei Donner & Reuschel erkennt man ebenfalls keinen Abschwung in diesem Bereich: „Das gewerbliche Immobilienkreditgeschäft läuft praktisch unverändert weiter, die Nachfrage ist größer als unsere Kapazitäten“, so Vitt.

„Zwar ist es bei Börsengängen oder Kapitalerhöhungen ruhig geworden, aber unsere Kunden sind sehr aktiv zum Beispiel im Aktienhandel“, sagt Berenberg-Sprecher Wehmeier. In der Vermögensverwaltung verzeichne man „erfreuliche Mittelzuflüsse“. Und die Analysten „haben richtig viel zu tun“, weil sie jede der von ihnen beobachteten 900 Firmen auf Risiken, aber auch Chancen aufgrund der Coronavirus-Situation hin untersuchen. „Institutionelle Investoren sind auch in diesen Zeiten auf der Suche nach aussichtsreichen Anlagemöglichkeiten“, heißt es bei M.M. Warburg: „Gerade in dieser Woche haben wir Aktien des österreichischen Unternehmens Fabasoft, eines Anbieters von Cloud-basierten IT-Lösungen, platziert. Die Emission war doppelt überzeichnet.“

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

In der Phase des drastischen Aktienkursabschwungs hätten manche Privatkunden allerdings eine „emotionale Intensivbetreuung“ benötigt, so Vitt. Donner & Reuschel habe jedoch bereits ab Januar die Aktienquote im Vermögensverwaltungs-Musterportfolio in mehreren Stufen von 100 Prozent auf 30 Prozent heruntergefahren. „Damit haben wir in einer Zeit, in der Aktien-Standardwerte um fast 50 Prozent eingebrochen sind, im Gesamtportfolio für die Kunden nur einen Wertverlust von 16 Prozent hinnehmen müssen“, sagt Vitt. Vielleicht eine Folge davon: „Viele Kunden haben weiteres Vermögen zu uns übertragen.“ Nun gehe es darum, Investmentchancen zu erkennen: „Der Markt schaut schon wieder nach vorne.“