Hamburg. Der scheidende Chef von Berenberg über das Image der Branche, die Risiken für das Hamburger Geldhaus und die Chancen für Aktienanleger.
Außergewöhnliche Kontinuität im Führungsgremium hat bei dem Hamburger Privatbankhaus Berenberg schon Tradition: In der 430 Jahre langen Unternehmensgeschichte gab es gerade einmal 40 persönlich haftende Gesellschafter (phG). Zum Jahresende aber steht ein Wechsel an der Spitze an: Hans-Walter Peters, seit dem Jahr 2000 einer der phGs und seit Anfang 2009 ihr Sprecher, zieht sich aus Altersgründen aus diesem Gremium zurück. Einen Nachfolger im Sprecheramt gibt es nicht, künftig führen die phGs Hendrik Riehmer, David Mortlock und Christian Kühn die Bank gemeinsam. Das Abendblatt sprach aus diesem Anlass mit Hans-Walter Peters.
Hamburger Abendblatt: Zum Jahresende geben Sie das Amt des Berenberg-Chefs ab. aus dem Tagesgeschäft zurück. Werden Sie als passionierter Golfer die neu gewonnene Freizeit dafür nutzen, Ihr Handicap zu verbessern?
Hans-Walter Peters: Ich würde mich zwar freuen, wenn mir das gelänge. Aber ich bin an dieser Bank beteiligt und werde hier im Haus auch in der neuen Funktion weiter präsent sein. Ich werde mich in Zukunft auf das konzentrieren können, was mir am meisten Spaß macht: Den Kontakt mit Kunden. Daher glaube ich, mein Golf-Handicap wird sich so bald nicht verändern.
Belastet die Corona-Krise, in der weite Teile der Wirtschaft stecken, auch das Geschäft von Berenberg?
Peters: Anfangs haben wir schon Folgen für unser Geschäft erwartet, aber es ist anders gekommen, es war geschäftlich ein sehr gutes Jahr. Durch die starken Schwankungen am Aktienmarkt haben wir für unsere Kunden sehr viele Kauf- und Verkaufsaufträge durchgeführt, unsere Fonds und Anlageprodukte verzeichnen eine hervorragende Wertentwicklung und auch das Geschäft mit Kapitalerhöhungen läuft auf Hochtouren.
Können Sie Beispiele von bekannten Unternehmen nennen?
Peters: Wir haben für den Corona-Impfstoff-Entwickler Biontech eine Kapitalerhöhung im Volumen von mehr als 500 Millionen Dollar in den USA durchgeführt – neben JP Morgan und der Bank of America. Den zweiten deutschen Corona-Impstoff-Entwickler Curevac haben wir an die US-Börse Nasdaq gebracht. Das sind nur zwei Beispiele von rund 60 solcher Transaktionen in diesem Jahr.
Muss die Berenberg-Bank, die sehr viel Geschäft aus London heraus betreibt, den bevorstehenden Brexit fürchten?
Peters: Mit inzwischen 435 Beschäftigten in London sind wir dort tatsächlich sehr stark positioniert. Ich sehe uns eher als Brücke zwischen dem angelsächsischen und dem kontinentaleuropäischen Finanzmarkt. Es kann sein, dass die Reisetätigkeit etwas erschwert wird. Größere Nachteile für uns sehe ich nicht. Im Gegenteil: Als europäische Bank mit einer Niederlassung in London haben wir eher Vorteile zum Beispiel gegenüber den US-Banken.
Schon bald nach Ihrem Amtsantritt als Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter im Januar 2009 hat Berenberg mit dem starken Ausbau des Londoner Standorts begonnen. Was war der Grund dafür?
Peters: Unsere Kompetenz in der Aktienanalyse war schon damals auch international gefragt. Mein Partner Hendrik Riehmer und ich wussten, dass die Nachfrage nach dieser Kompetenz gerade im angelsächsischen Raum sehr groß ist, und haben auf dieser Grundlage entschieden, die Aktienanalyse nach London zu verlagern. Heute haben wir dort und in New York 140 Analysten. In Deutschland gäbe es gar nicht so viele hochkarätige Spezialisten.
Immer wieder hört man, Berenberg gehe mit der starken Abhängigkeit vom Investmentbanking hohe Risiken ein. Ist das so?
Peters: Das wird uns unterstellt, aber es stimmt nicht. Hendrik Riehmer und mir ging es letztlich darum, das Risiko für die Bank zu reduzieren. So machen wir keinerlei Geschäft mit Derivaten, die ja so etwas wie eine Wette darstellen. Wir verdienen indirekt an der Expertise, die unsere Aktienanalysten besitzen, und an Aktienplatzierungen und Börsengängen. Wir treten dabei gegen die riesigen US-Banken an – glauben Sie, dass wir da als mittelgroßes Haus mit der Übernahme hoher Risiken punkten könnten? Außerdem haben wir seit zwanzig Jahren hervorragende Geschäftsergebnisse – so lange kann man gar nicht auf der „glücklichen“ Seite sein, wenn man hohe Risiken einginge.
Ist es für ein Unternehmen, das auf internationaler Ebene im Investmentbanking mitmischt, nicht ein Nachteil, den Firmensitz in Hamburg zu haben und nicht wenigstens am bekannten Finanzplatz Frankfurt?
Peters: Seit September haben wir einen Engländer im Kreis der pHGs – David Mortlock hat sein Büro in London. Mein langjähriger Partner Hendrik Riehmer ist sehr häufig in New York. In unserer Branche werden wir längst als internationale Adresse wahrgenommen. Und was den Vergleich zwischen Hamburg und Frankfurt angeht: Um in Ruhe eine Strategie zu entwickeln, war es gut, nicht in Frankfurt zu sein und im Strom mitzuschwimmen. Andere, die dort ihren Sitz haben, haben sich eher aus London und aus dem Aktiengeschäft zurückgezogen.
Seit wenigen Jahren setzt Berenberg verstärkt auf Publikumsfonds, in die auch jeder Kleinanleger investieren kann. Wie kommt das an?
Peters: Wir haben in den letzten Jahren konsequent unsere Expertise im Anlagebereich ausgebaut und uns mit hervorragenden Spezialisten verstärkt. Das kommt einerseits unseren klassischen Vermögensmanagement-Kunden zugute, erschließt aber auch neue Anlegergruppen. Allein unsere vier vor drei Jahren neu aufgelegten europäischen Aktienfonds kommen heute auf ein Volumen von 1,8 Milliarden Euro! Das läuft also hervorragend, wir sehen darin unser neues Wachstumsfeld.
Sie sind ja im Ehrenamt auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Seit der Finanzkrise ist es den Banken nicht gelungen, ihr Ansehen bei den Bürgern wiederherzustellen. Dazu tragen unter anderem die anhaltenden Ermittlungen wegen illegaler Cum-Ex-Aktiengeschäfte – auch gegen Hamburger Bankhäuser – bei. Wie stehen Sie dazu?
Peters: Das Bankgeschäft ist ein sehr seriöses Geschäft, das vom Vertrauen der Kunden lebt. Einzelnes Fehlverhalten darf nicht toleriert werden. Darin sind wir uns im Vorstand des Bankenverbandes einig. Jede einzelne Bank ist gefragt. Gleichzeitig ist aber auffällig: In Umfragen sagen mehr als 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass sie mit ihrem eigenen Bankberater zufrieden oder sehr zufrieden sind. Es gibt da offenbar einen großen Unterschied zwischen der individuellen Wahrnehmung und dem allgemeinen Bild der Branche.
Müssen wir Spätfolgen der aktuell wegen der Corona-Hilfsprogramme wieder kräftig steigenden Staatsverschuldung fürchten?
Peters: Zunächst einmal finde ich es bemerkenswert, wie schnell die Politik reagiert hat. Das war richtig so, denn sonst wäre eine schlimme Wirtschaftskrise die Folge gewesen. Die Verschuldung findet ja auf einem extrem niedrigen Zinsniveau statt. Insofern halte ich das Risiko für nicht so hoch. Wir werden aber in den nächsten Jahren eine starke Konjunktur brauchen, um die Schulden über das Wirtschaftswachstum wieder abzubauen.
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Sie halten auch weiter eine ansehnliche Beteiligung am Berenberg-Kapital, aber die Privatbank ist ja nicht börsennotiert. In Aktien aus welchen Branchen würde der Privatanleger Hans-Walter Peters jetzt investieren – und wie wird sich der DAX im Jahr 2021 entwickeln?
Peters: Grundsätzlich sehe ich die Ausgangssituation für Aktien als gut an. Langfristig ist mein Rat, sich auf Qualitätsunternehmen zu konzentrieren, die von strukturellen Wachstumstrends profitieren. In der derzeitigen Situation sollte man den Blick auf konjunkturabhängige Sektoren und Titel richten, die in diesem Jahr gelitten haben. Beim DAX sehe ich für das Gesamtjahr ein Potential von fünf bis zehn Prozent.