Hamburg. Für E-Autos und Wärmepumpen: Künftig braucht die Stadt 50 Prozent mehr Elektrizität. Daher werden Milliarden in Stromkabel investiert.
Mehr E-Autos, mehr Elektro-Busse, mehr Wärmepumpen, die Herstellung von grünem Wasserstoff und von E-Fuels – die Energie- und Verkehrswende wird die Nachfrage nach Elektrizität in der Hansestadt massiv erhöhen. Nach Einschätzung von Stromnetz Hamburg wird sich der Strombedarf bis 2045 um rund 50 Prozent erhöhen und die „Netzhöchstlast“ sogar verdoppeln.
Daher werde man in den kommenden zehn Jahren insgesamt rund fünf Milliarden Euro investieren, um das 33.000 Kilometer lange Stromnetz in der Stadt für diese Anforderungen fit zu machen, kündigte das städtische Unternehmen am Montag an. „Wir müssen das jetzt machen, damit die Leistung zur Verfügung steht, wenn sie abgerufen wird“, sagte Andreas Cerbe, der zusammen mit Karin Pfäffle die Geschäftsführung von Stromnetz Hamburg bildet.
Mehr Strombedarf: Milliarden-Investitionen werden verbuddelt
Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan (Grüne), der qua Amt Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens ist, bereitete die Bürgerinnen und Bürger darauf vor, was das bedeutet: Die Milliarden-Investitionen müssten „in die Erde und unter die Straße gegraben werde, und das in einem viel größeren Ausmaß als wir das bisher getan haben“.
Während Stromnetz Hamburg derzeit nach eigenen Angaben allein 228 Baustellen mit mehr als 30 Metern Länge betreibt (plus Dutzende kleinere), werden es also künftig noch viel mehr sein. Diese Pläne werde man zwar eng mit anderen Leitungsunternehmen abstimmen wie etwa Hamburg Energie, das derzeit für die Verlegung neuer Fernwärme-Rohre ganze Quartiere umgräbt. Dennoch räumte Kerstan offen ein: „Eine Baustelle ist eine Baustelle. Und wo eine Baustelle ist, kann man nicht durchfahren. Es wird also nicht ohne Behinderungen vor sich gehen.“
Umweltsenator Jens Kerstan wirbt um Verständnis für Baustellen
Stromnetz will rund 400 bis 500 Kilometer Leitungen pro Jahr erneuern, darunter allein 30 Kilometer Hochspannungsleitungen. Wie Cerbe sagte, sei die Länge der Kabel nicht mit den der Baustellen gleichzusetzen. Denn oft würden mehrere Kabel übereinander in der Erde liegen, die im Zuge einer Maßnahme alle erneuert oder modernisiert werden. „Wenn wir einen Kilometer aufgraben, kann es also sein, dass wir sechs oder sieben Kilometer Kabel erneuern.“
Kerstan warb gleichzeitig um Verständnis dafür, dass man das Stromnetz nun „fit für die Energiewende“ machen müsse. Die Leitungen müssten dafür ausgelegt sein, dass künftig zigtausende Wärmepumpen Strom beziehen, die Menschen ihre Autos aufladen oder Unternehmen Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff betreiben, so Kerstan: „Stromnetz legt die Grundlage für ganz viele Bereiche.“
Volksinitiative sorgte für Rückkauf der Energienetze
Das Unternehmen war erst vor zehn Jahren im Zuge des Rückkaufs der Energienetze durch die Stadt entstanden. Den hatte 2013 die Volksinitiative „Unser Hamburg, unser Netz“ in einem Volksentscheid mit knapper Mehrheit durchgesetzt – gegen den erbitterten Widerstand des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD), aber mit tatkräftiger Unterstützung der seinerzeit noch oppositionellen Grünen und ihres Fraktionschefs Jens Kerstan.
Der ist seit 2015 Umweltsenator und bezeichnete den Netze-Rückkauf am Montag als „herausragende Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht“. In zehn Geschäftsjahren habe Stromnetz Hamburg insgesamt 513 Millionen Euro an Gewinnen an die Stadt abgeführt und damit den Kaufpreis für die Stromnetze von 614 Millionen Euro schon fast wieder eingespielt.
Stromnetz und Gasnetz Hamburg fusionieren bald
Doch auch für den Wirtschaftsstandort Hamburg mit seinen vielen energieintensiven Betrieben habe sich die Rekommunalisierung der Netze als Glücksfall erwiesen: „Die Unternehmen können froh sein, dass es ein städtisches Unternehmen gibt, das Gewehr bei Fuß steht, um die nötige Infrastruktur bereitzustellen“, so Kerstan. „Das ist nicht überall in diesem Land so.“ Aus anderen Bundesländern höre er von Problemen beim Umsetzen der Energiewende. Diese Probleme gebe es in Hamburg nicht.
Die Stadt hatte insgesamt rund zwei Milliarden Euro für die Strom-, Gas- und Wärmenetze bezahlt, die dann auf die Gesellschaften Stromnetz Hamburg, Gasnetz Hamburg und Wärme Hamburg übertragen wurden. Nachdem Wärme Hamburg bereits in Hamburg Energie aufgegangen ist, sollen zum 2. September auch Stromnetz und Gasnetz fusionieren – unter welchem Namen steht noch nicht fest.
2023 überwies Stromnetz fast 80 Millionen Euro Gewinn an die Stadt
Kerstan und Geschäftsführerin Karin Pfäffle bekräftigten aber, dass keinerlei Stellenabbau geplant sei. Während Stromnetz ein tragfähiges Geschäftsmodell habe und für seine Expansion Fachkräfte suche, sei Gasnetz mit einem schrumpfenden Markt konfrontiert und bringe Fachkräfte mit, fasste es der Senator zusammen: „Das passt wie Faust aufs Auge.“
Nach Pfäffles Angaben war auch 2023 ein erfolgreiches Jahr für Stromnetz Hamburg. Die Umsätze habe man von 1,061 auf 1,087 Milliarden Euro gesteigert, die Investitionen von 320 auf 390 Millionen Euro. Da auch die Kosten von 958 auf 983 Millionen Euro stiegen, blieb aber rund zehn Prozent weniger Gewinn übrig: Nach 89,8 Millionen Euro in 2022 übewies man nun 79,1 Millionen an die Stadt. Kerstan zeigt sich dennoch überzeugt: „Das freut auch den Finanzsenator.“
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Wie Andreas Cerbe sagte, komme es in Hamburg durchschnittlich zu 170 Versorgungsunterbrechungen im Monat. Da die meistens nur kurz anhalten und regional begrenzt sind, merken viele Kunden gar nichts davon. Im Durchschnitt seien die Hamburger im vergangenen Jahr elf Minuten von Stromausfällen betroffen gewesen. Das sei etwa eine Minute mehr gewesen als im Vorjahr, was vor allem auf eine größere Störung im Raum Tonndorf zurückgehe.