Hamburg. Kupferhütte um zweistelligen Millionenbetrag geprellt. Ab Donnerstag beginnt der nächste lange Prozess. Das Abendblatt hat die Details.

Es ist ein weiterer Prozess um millionenschweren Diebstahl und Betrug beim Kupferkonzern Aurubis, und es dürfte nicht der letzte sein: Von Donnerstag an müssen sich drei Angeklagte vor der 20. Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg verantworten, die das Hamburger Unternehmen in großem Stil betrogen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen „gemeinschaftlichen und gewerbsmäßigen Betrug in besonders schwerem Fall“ vor. Aurubis sei dadurch ein Schaden in Höhe von knapp 15,3 Millionen Euro entstanden, so die Anklage.

Aurubis-Betrug: So liefen die krummen Geschäfte bereits 2012

Vor Gericht verantworten müssen sich ein 70 Jahre alter Unternehmer und sein 45 Jahre alter Sohn sowie ein 63 Jahre alter ehemaliger Beschäftigter von Aurubis. Die vom Sohn geführte Firma des 70-Jährigen soll bei der Anlieferung von edelmetallhaltigem Elektronikschrott im Hamburger Aurubis-Werk gemeinsam mit dem Mitarbeiter des Unternehmens getrickst haben.

Der 63-jährige Metallurg (Experte für Metallgewinnung) war bei Aurubis in der Materialbewertung und -prüfung beschäftigt. Wenn das Unternehmen der Mitangeklagten Elektronikschrott wie Platinen und Computerzubehör anlieferte, soll er in die Materialproben Gold- und Silberpulver gestreut haben. Die Folge: Bei der Probenanalyse wurde ein weitaus höherer Edelmetallgehalt festgestellt, als der Schrott tatsächlich hatte. „Aufgrund der verfälschten Analyseergebnisse sollen deutlich überhöhte Ankaufspreise an die Lieferanten gezahlt worden sein“, heißt es in einer Mitteilung der Hamburger Justiz zu dem Prozess.

Anklage: Komplize bei Aurubis soll Bargeld erhalten haben – und Goldbarren

Demnach gingen die Angeklagten 52-mal so vor. Dem 70 Jahre alten Unternehmer und dem ehemaligen Aurubis-Beschäftigten wird zudem Bestechung und Bestechlichkeit in sieben Fällen vorgeworfen. Der 63 Jahre alte Metallurg soll für seine Dienste mehrmals fünfstellige Barzahlungen erhalten haben. Insgesamt 103.550 Euro, zudem zwei Goldbarren. Der 45 Jahre alte Sohn des Unternehmers ist wegen Beihilfe zum Betrug in zwölf Fällen angeklagt.

War noch nicht Chef bei Aurubis, als die ersten Betrugsfälle in der Kupferhütte stattfanden: Roland Harings. Er muss das Unternehmen Ende September verlassen.
War noch nicht Chef bei Aurubis, als die ersten Betrugsfälle in der Kupferhütte stattfanden: Roland Harings. Er muss das Unternehmen Ende September verlassen. © picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Vor dem Landgericht verhandelt werden mutmaßliche Taten zwischen April 2012 und August 2016. Der Betrug flog bereits im Herbst vor acht Jahren auf. Aurubis entließ den Metallurgen und beendete die Geschäftsbeziehung mit dem Unternehmen. „Die Ermittlungen wurden bereits seit 2016 geführt, sie konnten aber erst 2021 durch die Staatsanwaltschaft abgeschlossen werden“, teilt die Anklagebehörde auf Anfrage mit. Um die Schadenshöhe zu ermitteln, seien mehrere Gutachten notwendig gewesen.

Ermittlungen dauerten viele Jahre, fünf Fälle sind verjährt

Das Gericht habe dann nach der Anklageerhebung erneut ein Gutachten zur Schadenshöhe angefordert, was zu einer neuerlichen Verzögerung des Prozessbeginns um mehr als zwei Jahre führte. Inzwischen sind einige der Taten verjährt. Deshalb werden jetzt – acht Jahre später – nicht 52 Taten mit 15,3 Millionen Euro Schaden, sondern 47 Fälle mit einem Schaden für Aurubis in Höhe von 12,5 Millionen Euro verhandelt.

Doch die Vorgeschichte des Prozesses ist nicht allein ein Beispiel für bisweilen zeitraubende Abläufe in der Strafverfolgung. Der Fall wirft auch ein neues Licht auf die offensichtlich mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen im Unternehmen selbst. Denn obwohl dem Aurubis-Vorstand und dem -Aufsichtsrat der Fall seit Herbst 2016 bekannt gewesen sein muss, wurde das Unternehmen Jahre später erneut zum Opfer von Dieben und Betrügern.

Alter Vorstand kannte Schwachstelle, dennoch wurde Aurubis erneut Opfer

Und daran waren offenbar erneut auch Beschäftigte in der Materialprüfung und -bewertung beteiligt. Vorstandschef Roland Harings sagte dem Abendblatt kürzlich, Aurubis habe sich in den vergangenen zwölf Monaten von „weniger als zehn“ Beschäftigten getrennt, die in kriminelle Aktivitäten im Hamburger Werk verwickelt waren.

Im Sommer vergangenen Jahres hatte sich herausgestellt: Dem Unternehmen fehlen Edelmetalle im Wert von fast 170 Millionen Euro. Der Altfall von 2016 mit mehr als 15 Millionen Euro Schaden ist in dieser Summe aber gar nicht enthalten. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg laufen weitere Ermittlungen in den aktuellen Fällen.

Millionenklau bei Aurubis – Ermittlungen laufen weiter

Zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden im Februar insgesamt sechs Männer. Sie hatten zwischen 2020 und 2021 vom Werksgelände an der Hovestraße auf der Veddel tonnenweise sogenannte Silberfegsel – ein Zwischenprodukt mit einem hohen Anteil von Gold und Silber – geschmuggelt und weiterverkauft. Schaden für den Metallkonzern: elf Millionen Euro. Die Urteile gegen die sechs Männer, zu denen auch ein Aurubis-Mitarbeiter gehörte, sind noch nicht rechtskräftig.

Wegen der Kriminalfälle und nach einem schweren Arbeitsunfall mit drei Toten im Werk beendete der Aufsichtsrat des Konzerns die Arbeitsverträge von Vorstandschef Roland Harings und zweier weiterer Vorstandsmitglieder vorzeitig. Harings, dessen Vertrag noch bis Mitte 2027 lief, muss das Unternehmen Ende September verlassen – und erhält mehr als vier Millionen Euro Abfindung. Als der Betrug mit den Computerplatinen und dem Gold- und Silberpulver 2016 aufflog, war er noch gar nicht im Unternehmen.

Millionenbetrug bei Aurubis: Roboter sollen neue Taten verhindern

Inzwischen hat der Konzern aus den Kriminalfällen offenbar gelernt: Im Hamburger Werk soll in den nächsten Jahren eine neue Edelmetallhütte mit sehr viel schärferen Sicherheitsvorkehrungen entstehen. Und in seinem Werk in Lünen hat der Konzern Ende Mai eine neue Anlage für Recyclingmaterialien in Betrieb genommen. Die Proben, mit denen der Wert des von Fremdfirmen angelieferten Schrotts ermittelt wird, laufe jetzt schneller, so Aurubis. Und außerdem automatisch und mithilfe von Robotern. Der Konzern will die für Bestechung eher unempfindliche Probenanlage in naher Zukunft an weiteren Standorten einsetzen.

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Der am Donnerstag beginnende Prozess um den Betrug mit Elektronikschrott könnte ähnlich langwierig werden wie die Ermittlungen und die Prüfung durch das Gericht. Die 20. Große Strafkammer hat zunächst 30 Sitzungstage terminiert. Den vorerst letzten am 30. Januar 2025.