Hamburg. Urteil in Hamburg. Fünf Angeklagte müssen jahrelang ins Gefängnis. Richter spricht von „mäßig organisierter Aufsicht“ im Kupferwerk.

Im Prozess um den millionenschweren Diebstahl beim Kupferkonzern Aurubis hat das Landgericht Hamburg fünf der sechs Angeklagten am Freitag zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Der Hauptangeklagte Mahmut C. (37) muss für fünf Jahre und zehn Monate in Haft. Vier seiner Mittäter erhielten Haftstrafen zwischen drei Jahren und vier Jahren und sechs Monaten. Der sechste Angeklagte kam mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Beihilfe davon. Für Mahmut C. hatte die Staatsanwaltschaft wegen schweren Bandendiebstahls, gewerbsmäßiger Bandenhehlerei und Verstoßes gegen das Waffengesetz eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten gefordert.

Aurubis: Diebstahl bei Hamburger Kupfer-Hersteller – Neue Details bekannt

Laut Anklage sollen die Bandenmitglieder zwischen Anfang 2020 und Anfang 2021 insgesamt gut 5000 Kilogramm sogenannter Silberfegsel im Wert von elf Millionen Euro vom Werksgelände geschafft und weiterverkauft haben. Mindestens ein Teil der Beute soll dabei an ein unbekanntes Metallunternehmen in der Türkei gegangen sein. Alle sechs Angeklagten hatten im Prozess die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft weitgehend eingeräumt.

Der Vorsitzende Richter sprach am Freitag von einem außergewöhnlichen Verfahren. „Wir hatten es mit einer Geschädigten zu tun, die zunächst gar nicht wusste, dass sie geschädigt ist“, sagte er mit Blick auf den Aurubis-Konzern. Dort war das Verschwinden großer Mengen Edelmetalle lange Zeit unbemerkt geblieben.

Die Angeklagten im Aurubis-Prozess werden teils zu langen Haftstrafen verurteilt
Die Angeklagten im Aurubis-Prozess werden teils zu langen Haftstrafen verurteilt © DPA Images | Christian Charisius

Urteil im Aurubis-Prozess: Haftstrafen für mehrere Angeklagte

Das führte letztlich dazu, dass Vorstandschef Roland Harings und zwei weitere Vorstandsmitglieder ihren Job verlieren und das Unternehmen vorzeitig verlassen müssen. Nachdem die Diebstahlsserie aufgeflogen war, hatte der Kupfer- und Metallkonzern eine umfassende Sonderinventur durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass dem Unternehmen wegen mehrere Kriminalfälle insgesamt Edelmetalle im Wert von knapp 170 Millionen Euro fehlen.

Harings kommentierte das Urteil so: „Wir begrüßen das konsequente und rasche Vorgehen von Polizei und der Justiz gegen diesen Fall von organisierter Kriminalität. Die teils hohen Haftstrafen zeigen die Schwere der Taten und werden sicher eine abschreckende Wirkung entfalten.“

Aurubis-Prozess: So lief der Millionenklau

Die meisten der jetzt verurteilten Täter waren entweder direkt im Hamburger Aurubis-Werk beschäftigt oder bei Unternehmen, die für den Konzern auf dem Werksgelände regelmäßig arbeiten. Sie hatten unterschiedliche Aufgaben bei den Taten: Ein Aurubis-Beschäftigter schaffte mehrfach die wertvollen Vor- und Zwischenprodukte innerhalb des Werks in ein Zwischenlager, ein externer Mitarbeiter ließ die vom dritten Täter gesteuerten Lkw auf das Firmengelände, mit denen die zu mindestens 90 Prozent aus Silber und Gold bestehende Beute fortgeschafft wurde. Zwei weitere Bandenmitglieder waren dafür zuständig, Abnehmer zu finden und das Diebesgut an sie zu übergeben. Gesteuert und organisiert wurde all das von Mahmut C..

Aurubis-Prozess: Diebstähle „aus dem Homeoffice“

Doch nach Überzeugung des Gerichts müssen noch mehr Personen auf dem Werksgelände an den Taten beteiligt gewesen sein. Denn Silberfegsel wurden zum Beispiel auch beiseite geschafft, während der Aurubis-Beschäftigte einige Wochen in Elternzeit war. Der Mitarbeiter habe das aber weiter gesteuert – „es war eine verrückte Form von Homeoffice“, so der Vorsitzende Richter Nils Godendorff.

Wie und von wem die Beute auf dem Gelände selbst zu der Stelle bewegt wurde, von der sie letztlich abgeholt wurde, konnte die Kammer nicht vollends klären. „Es hat da wohl viele weitere helfende Hände gegeben“, so Godendorff.

Aurubis-Prozess: Andere Diebe schlugen zeitgleich zu

Zudem wurde Aurubis in der fraglichen Zeit offenbar nicht allein von den Verurteilten beklaut. Darauf deuten von den Ermittlern geknackte, verschlüsselte Chat-Nachrichten innerhalb der Gruppe hin. „Zeitweise gab es eine gewisse Aufregung darüber, dass auch andere Diebstähle begehen und der Erfolg der eigenen Taten deshalb in Gefahr ist. Sie waren wohl nicht die Einzigen, die sich dort tummelten.“

Mahmut C. sei auch nicht der Kopf der Bande gewesen, sondern wie ein zweiter der Täter „eher die zweite Reihe, das mittlere Management“, so Godendorff. Denn in den internen Krypto-Chats ist mehrfach von einem „Chef“ die Rede, dessen Identität jedoch nicht ermittelt werden konnte.

Die Kammer hielt den Angeklagten zugute, dass sie Geständnisse abgelegt hatten und dabei auch unbekannte Details preisgegeben hatten. „Andernfalls hätten wir wohl nicht klären und verstehen können, wie die Diebstähle auf dem Werksgelände selbst abliefen“, sagte der Vorsitzende Richter. Auch wegen dieser Geständnisse fielen die Haftstrafen geringer aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

Richter: Aufsicht bei Aurubis war mäßig organisiert

Besonders schwer gemacht wurden die Diebstähle den Täter vom Unternehmen offenbar nicht. Richter Godendorff sprach von einer „mäßig organisierten Aufsicht“. Die Meldebücher an Werksein- und -ausfahrten seien unvollständig geführt und Fahrzeugkontrollen nur stichprobenartig vorgenommen worden. Eine Kameraüberwachung des Bereichs, in dem die Silberfegsel beiseite geschafft wurden, habe es „wohl nicht gegeben. Möglicherweise mit Rücksicht auf den Betriebsrat“.

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Nach Berechnungen der Kammer hatten die geklauten Edelmetalle für Aurubis einen Wert von knapp 10 Millionen Euro. Die Täter hätten für die Beute aber weit weniger erhalten. Mahmut C. hätten die Taten maximal 1,6 Millionen Euro eingebracht. Gleichwohl wurden er und drei weitere der Männer auch dazu verurteilt, jeweils mehrere Millionen Euro Wertersatz zu zahlen. Richter Godendorff: „Sie dürften für den Rest Ihres Lebens bankrott sein.“