Hamburg. Aus Protest: Hafenexperte Joachim Seeler ist nach 38 Jahren ausgetreten und kritisiert „ideologischen Linksruck“.

Es hätte wenig gefehlt, und der Knall wäre nun noch lauter ausgefallen. Eigentlich hätte Joachim Seeler als Nachrücker der neuen Bildungssenatorin Ksenija Bekeris im Januar für die SPD in die Bürgerschaft einziehen müssen. Nach einer Nacht Bedenkzeit sagte er seinen sozialdemokratischen Parteifreunden im Januar ab.

Nun geht der Politiker und Immobilienexperte, der zwischen 2015 und 2020 wirtschafts- und hafenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft war, noch einen Schritt weiter. Nach 38 Jahren ist er aus der SPD ausgetreten. „Die fehlende Anerkennung der Realitäten beim Regierungshandeln, verbunden mit einem nachhaltigen ideologischen Linksruck der SPD, hat mich dazu bewogen, meine Mitgliedschaft zu beenden“, sagte er nun dem Abendblatt. Er habe sich diesen Schritt nicht leicht gemacht und lange überlegt. „Aber es gibt so gut wie keine Gemeinsamkeiten mehr.“

SPD Hamburg: Seelers Abgang ist für die Partei ein schmerzlicher Verlust

Für die SPD ist sein Austritt zum Ende April ein schmerzlicher Verlust, stammt er doch aus einer ursozialdemokratischen Familie: Sein Vater Hans-Joachim war langjähriger Senator, Mitglied der Bürgerschaft und des Europaparlaments. Auch seine Mutter Ingrid Seeler saß lange für die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Noch im Wahlkampf 2020 engagierte er sich für Peter Tschentscher und brachte Unternehmer und SPD zusammen. Um Seeler zu unterstützen, kam damals ein Berliner Spitzenpolitiker nach Hamburg zu einem Wahlkampfauftritt in der Europa Passage: Olaf Scholz.

Ganz überraschend kommt der Austritt nun aber nicht mehr. Schon bei seinem Mandatsverzicht hatte Seeler im Januar erklärt: „Der inhaltliche Dissens ist aktuell zu groß, als dass ich die SPD-Wirtschafts- und -Finanzpolitik als Abgeordneter positiv vertreten könnte.“

Scharfe Kritik am Einstieg der Reederei MSC bei der HHLA

Dieser Dissens hat sich seitdem weiter vergrößert. Scharf kritisierte der 60-Jährige den von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) und Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) forcierten Einstieg der Reederei MSC beim städtischen Hafenlogistikkonzern HHLA.

„Es gab kein Ausschreibungsverfahren für den Verkauf der HHLA, es gibt kein Verkehrswertgutachten zum Wert der HHLA, und der Senat hat MSC bei allen wichtigen Entscheidungen der HHLA ein Vetorecht eingeräumt. Wenn sich in Zukunft bei einer wichtigen Frage für die Zukunft der HHLA und des Hafens keine Einigung zwischen Stadt und MSC erzielen lässt, findet die Maßnahme nicht statt“, kritisierte Seeler.

Die Bewertung der HHLA sieht der stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung zudem kritisch. „Die Stadt verkauft die HHLA zum derzeit schlechtmöglichsten Zeitpunkt auf Basis eines All-Zeit-Tiefes des Börsenwertes. Durch das fehlende Ausschreibungsverfahren entgeht der Stadt die Chance, auch andere Angebote zu erhalten mit gegebenfalls besseren Rahmenbedingungen.“

Elbtower: „Ein Abriss ist völlig abwegig“

Enttäuscht ist er auch über die Senatspolitik beim Elbtower. „Wir müssen froh sein, wenn der Insolvenzverwalter noch einen Euro bekommt und der Investor dann eine Bauverpflichtung übernimmt“, sagt der Immobilienexperte, der die HSP Hamburg Invest leitet. „Der Markt braucht aktuell keine 70.000 Quadratmeter Bürofläche zu Höchstmieten an der Grenze zu Rothenburgsort“, sagt er.

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Schlimmer noch sei, dass die Hamburger Politik die Wirtschaftlichkeit des Projektes noch zusätzlich negativ beeinflusst hat. „Mit seinen Ideen hat der Senat – etwa durch die große öffentliche Ausstellungsfläche oder die Aussichtsplattform – das Projekt um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag verteuert.“

Er würde sich eine konstruktive Politik wünschen, die gerade jetzt dazu beiträgt, die Wirtschaftlichkeit des Projektes zu verbessern. Den in der SPD diskutierten Ankauf des Elbtowers mit anschließendem Abriss, bezahlt aus Steuergeldern, hält er für völlig abwegig.